Schwarzenbek. Eine Energiegenossenschaft als Lösung der Energiekrise? Ja, sagen Christdemokraten und Stadt. Aber ihr Ansatz unterscheidet sich.
Die Idee einer Bürgerenergiegenossenschaft ist bereits sieben Jahre alt. Doch angesichts des globalen Klimawandels und des russischen Angriffs auf die Ukraine ist sie aktueller denn je – sofern sie regenerative Energien einsetzt. In der Europastadt hat die CDU das Thema einer Energiegenossenschaft wieder auf die Tagesordnung geholt.
Bereits im Jahr 2016 hatte die Stadt ein integriertes Klimaschutzkonzept entwickelt und verabschiedet, das die Reduzierung des CO2-Ausstosses bis 2030 um 33 Prozent vorsieht – gemessen allerdings an den Werten von 1990. Zum Konzept gehören auch die bisher nur teilweise erfolgte Förderung des Radverkehrs, die Umrüstung der Straßenlaternen auf LED-Technik und die Gründung einer Energiegenossenschaft.
CDU-Idee: Genossenschaft soll eigenes Wärmenetz betreiben
Doch während CDU-Mitglied Thomas Lamm, im Hauptberuf Heizungsbaumeister, die Genossenschaft von Beginn an groß und mit einem eigenen Wärmenetz für die Europastadt denkt, plant die städtische Klimaschutzmanagerin Nina Reimers eher klein: „Es soll um Hilfe zur Selbsthilfe gehen. Die Bürger sollen sich austauschen und gemeinsam Anträge stellen oder Photovoltaikmodule einkaufen können.“ Wie groß die Genossenschaft schließlich werde, liege dann im Ermessen der Bürger.
„Um mir ein Solarpanel an den Balkon zu hängen, brauche ich keine Energiegenossenschaft. Da kann ich mich auch so mit meinen Nachbarn kurzschließen“, sagt Lamm, der sich mit seinen Plänen in guter Gesellschaft weiß: Im Kreis Pinneberg sind vergangenes Jahr zwei Energiegenossenschaften entstanden, die für ihre Photovoltaik-Anlagen die Dächer der kommunalen Gebäude nutzen. Im bayerischen Schönau entstand bereits 1990 eine Energie-Initiative, die mittlerweile die gesamte Gemeinde mit Öko-Strom versorgt.
Energieversorgung drängendes Thema
„Die Energiegenossenschaft ist seit 2016 im Klimaschutzkonzept der Stadt enthalten, nur, darum gekümmert hat sich niemand von uns“, sagt Lamm nicht ohne Eigenkritik an die ehrenamtliche Kommunalpolitik: „Derzeit wird versucht, mit einer Prioritätenliste die drängendsten Aufgaben im Schulbau zu bewältigen, was richtig ist“, sagt der Unternehmer, der neue Ausschüsse und Arbeitsgruppen fordert, um Probleme anzugehen.
Und für den Heizungsbauer ist die Energieversorgung angesichts Klimakrise und Ukraine-Krieg eines der drängendsten Themen im kommunalen Bereich. „Die Stadt wird immer wieder von aktuellen Entwicklungen überrollt, weil aus den Stillstandsjahren bis 2020 und anschließender Pandemie einfach zu viel brach liegt“, sagt der Handwerksmeister und erarbeitet deshalb mit Parteifreunden und Fraktionsmitgliedern erste Lösungsansätze.
Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist unausweichlich
„Nicht nur wegen unbedingt einzuhaltender CO2- Einsparungen mit dem Klimaschutzkonzept, sondern vor allem wegen der weiter zu erwartenden Energiekrise müssen wir als Stadt eigenverantwortlich für uns und unsere Bürger tätig werden und vorsorgen“, sagt Lamm. Die CDU will die Beratungen zur Gründung einer stadteigenen Energiegenossenschaft positiv und ergebnisoffen begleiten.
Lamm hat schon konkrete Vorstellungen: Sitz der Genossenschaft könnte nach dem Bau der neuen Feuerwache das bisherige Feuerwehrgebäude an der Lauenburger Straße werden. Mit einem Wärmenetz sollte ein Großteil der Häuser mit Wärme und Energie versorgt werden, denn nicht jedes Haus ist für eine Wärmepumpe geeignet. Lamm ist überzeugt, dass dies vor Ort nicht nur ökologischer, sondern auch günstiger möglich sei.
CDU: Bürgerenergiegenossenschaft muss Gewinne abwerfen
„Die Richtung ist klar“, so Lamm: „Wir werden aus der fossilen Energie aussteigen. Und da gibt es viele Optionen.“ So steht der Heizungsbauer mit einem Berliner Unternehmen in Kontakt, das Gebäudeheizung durch Wasserstoff und eine Brennstoffzelle anbietet. „Das sind noch Feldversuche. Da kostet die Anlage dann auch über 80.000 Euro“, so Lamm. Doch die Entwicklung schreite schnell voran.
Der CDU-Politiker möchte zunächst Gleichgesinnte um sich scharen, dann einen Businessplan machen, denn die Bürgerenergiegenossenschaft müsse auch Gewinne abwerfen, um den Ausbau des Wärmenetzes, von Photovoltaik- oder Biogasanlagen zu finanzieren. So könnten sämtliche Dächer der Stadt, auf denen dies möglich ist, mit PV-Anlagen versehen werden. Auch ein E-Bike- oder E-Roller-Verleih, ein kommunaler Kühlraum oder ein Bürgerwindpark seien möglich, wenn genügend Bürger einsteigen würden.
Klimaschutzmanagerin wird städtische Dächer prüfen
Einen Wunsch von CDU und Grünen wird Reimers bereits bis zum 23. März erfüllt haben: Bis dahin hat sie ermittelt, welche Flächen und Dächer städtischer Grundstücke und Gebäude für die Aufstellung von Photovoltaik-Anlagen geeignet sind. Bei einem verwaltungsinternen Treffen soll besprochen werden, wie mit den Eignungsflächen umgegangen werden soll.
Bisher folgt die städtische Bauverwaltung einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung und prüft bei zu renovierenden oder neu zu errichtenden Gebäuden die Eignung für PV-Anlagen. Künftig könnten auch Dächer ausgestattet werden, ohne das eine Sanierung ansteht. Zudem gibt es verstärkt Anfragen von Unternehmen, die die städtischen Dächer für ihre PV-Anlagen pachten möchten.
Genossenschaft funktioniert nur mit Engagement der Bürger
Die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft soll dann mit Bürgern im Mai oder Juni thematisiert werden. Reimers: „Das genaue Datum steht noch nicht fest. Die Informationsveranstaltung wird aber an einem Sonnabendvormittag in der Stadtbücherei stattfinden.“ Dazu eingeladen ist der Hamburger Verein SoliSolar, der solidarische Selbstbaugemeinschaften für Balkonkraftwerke und PV-Anlage für Einzelhäuser fördert, die Solarinitiative aus Lauenburg (SolarIni) sowie die Solaroffensive SH.
Im April ist zudem ein Vortrag zum Thema Wasserstoff, ebenfalls in Kooperation mit der Stadtbücherei, geplant. Während Reimers also eher einen Ansatz von unten („Bottom-up“) verfolgt, möchte Lamm den Bürgern bereits ein fertiges Konstrukt („Top-down“) einer Bürgerenergiegesellschaft präsentieren. Einig sind sich jedoch beide, dass es letztlich auf das Engagement der Bürger ankommt.