Schwarzenbek. Anwohner empfinden die Brücke über Ortsumgehung als Schandfleck. Reinigung ist nicht vorgesehen. Freifahrtsschein für Jugendliche?
Kunst ist ein weites Feld: Aber das Erscheinungsbild der Brücke über den zweiten Teilabschnitt der Ortsumgehung zwischen der Bundesstraße 404 und der B 207 in Schwarzenbek erregt die Gemüter vieler Menschen und ist ein großes Thema in der öffentlichen Diskussion und den sozialen Netzwerken. Die Brücke ist seit gut einem Jahr fertig – auch wenn dieses Teilstück der insgesamt 2,94 Kilometer langen Umgehungsstraße erst im Mai für den Verkehr freigegeben wird. Sie verbindet künftig das Schwarzenbeker Wohngebiet „Im Strange“ mit Grove und wird auch für Radler und Fledermäuse eine wichtige Querung sein.
Entdeckt haben dieses Betonbauwerk aber ganz andere Personen. Graffiti-Sprayer haben die Brücke sowohl auf der Fahrbahnseite als auch im oberen Bereich des Sichtschutzzauns weitflächig mit Schriftzügen versehen. Wie hoch der Schaden ist, lässt sich nicht beziffern, weil der zuständige Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr in Lübeck die Schmierereien nicht entfernen lässt.
Die Brücke ist bereits weitflächig beschmiert, eine Reinigung ist nicht vorgesehen
„Eine Reinigung der Brücke ist nicht vorgesehen. Der LBV.SH entfernt Graffiti in der Regel nur dann, wenn sie rassistische oder politische Inhalte haben. Grundsätzlich wäre es wünschenswert, wenn gesamtgesellschaftlich anerkannt würde, dass Bauwerke der Allgemeinheit dienen, von dieser auch bezahlt werden und daher in der ursprünglich vorgesehen Gestaltung belassen werden. Leider ist das nicht immer der Fall“, teilte ein Sprecher des Unternehmens auf Rückfrage unserer Zeitung schriftlich mit.
Spezielle Beschichtungen, mit denen Schmierereien leichter von Beton und Holzkonstruktion entfernt werden könnten, gibt es nicht. Auch eine Überwachung ist nicht vorgesehen.
Schwarzenbeker empfinden die Brücke als Schandfleck
Bei den Schwarzenbekern kommt das „Gesamtkunstwerk Brücke“ nicht so gut an. FWS-Politikerin Katja Estel hatte bereits vor einiger Zeit, als erste Schmierereien auftraten, Bilder in soziale Netzwerke eingestellt. SPD-Politiker Marc Lier hatte Stadtjugendpfleger Sven Kaulbars jüngst im Sozial- und Kulturausschuss Bilder von den immer weiter fortschreitenden Schmierereien gezeigt.
„Das ist ganz schön bunt hier“, sagte Bürgermeister Norbert Lütjens gestern sarkastisch auf Rückfrage unserer Zeitung hinsichtlich des Erscheinungsbilds der Brücke über die Ortsumgehung. „Wir brauchen ganz dringend Freiflächen für Graffiti in der Stadt. Es gibt eine entsprechende Anfrage aus der Politik und an dem Thema sind wir dran. Denkbar wären Flächen im Tunnel unter dem Bahnhof, aber auch eine Freigabe der Brücke über die Ortsumgehung wäre durchaus sinnvoll, wenn sie ohnehin nicht gereinigt werden soll“, sagte Stadtjugendpfleger Sven Kaulbars auf Rückfrage unserer Zeitung.
Brücke könnte eine Freifläche für jugendliche Sprayer werden
Der Sozialpädagoge will sich jetzt mit den Verantwortlichen beim LBV in Lübeck in Verbindung setzen, damit es zumindest ein kontrolliertes Besprühen der Brücke gibt. Denn in der Vergangenheit hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass Sprayer Freiraum für künstlerische Gestaltung bekommen. Ansonsten werden Stromkästen, Brücken oder andere Flächen einfach hässlich mit so genannten Tags (Buchstabenkombinationen, die Signaturen von Sprayern sind und in der Szene als deren Erkennungsmerkmal dienen) beschmiert. Wenn Graffiti-Aktionen nicht bei Nacht und Nebel illegal stattfinden, sondern gezielt Flächen von Jugendlichen künstlerisch gestaltet werden, kann das eine Bereicherung des Stadtbildes sein.
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Beispiele dafür gibt es vielerorts. Auch die Stromversorger beschreiten diesen Weg und lassen ihre Verteilerkästen professionell von Sprayern mit ausgewählten Kunstwerken gestalten. Der Erfolg gibt Eon & Co. recht: Die Kunstwerke werden von Jugendlichen akzeptiert und nicht mit Tags übersprüht. Auf einen ähnlichen Effekt hofft Kaulbars bei der Freigabe von ohnehin verunzierten Flächen wie der Brücke oder dem Tunnel für Graffiti-Aktionen.