Schwarzenbek. Die nur Hundert Meter lange Straße am Mühlenredder hat ihren kultigen Namen natürlich nicht von der Kindersendung. Aber woher dann?
„Der, die, das. Wer? Wie? Was?“ Seit 50 Jahren singt Deutschland den Titelsong der Sesamstraße und hat dabei gelernt: „Wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Nach diesem Motto machen die Puppen Elmo, Samson und Co. Lust darauf, neugierig zu sein – und selbstbewusst nachzufragen. Die deutsche Sesamstraße begeistert seit ihrem Start am 8. Januar 1973 kleine und große Zuschauerinnen und Zuschauer. Aber nicht nur im Fernsehen, auch in Schwarzenbek gibt es eine Sesamstraße, eine ganz normale Wohnstraße, die zum Kornviertel am Mühlenredder gehört, ein Baugebiet, das Mitte der 1990er-Jahre dort entstanden ist, wo früher Getreidefelder waren.
Kultige Adresse: Es gibt nur fünf Sesamstraßen in Deutschland
So bekannt die Kindersendung auch sein mag, so wenig verbreitet ist die Bezeichnung Sesamstraße in Deutschland. Es gibt in der Bundesrepublik nur fünf Straßen, die den Namen wie die Kultsendung tragen. Eine davon gibt es in Schwarzenbek. Weitere Sesamstraßen in sind Lentföhrden (Schleswig-Holstein, Kreis Segeberg), Reeßum (Niedersachen), Dinklage (Niedersachsen) und Köln (Nordrhein-Westfalen) zu finden.
Genauso wie im Original aus dem Fernsehen sind in der gut Hundert Meter langen Wohnstraße in Schwarzenbek auch Ernie, Bert und Kermit der Frosch zu Hause. Die drei geben sich aber eher wortkarg. Das liegt daran, dass sie gewöhnliche Stoffpuppen sind. Beherbergt wird das Trio im Kinderzimmer der zwölfjährigen Nayla Mewes, die seit ihrer Geburt in der Sesamstraße wohnt und natürlich Fan der Sendung ist.
Anders sieht es mit Elmo aus, der wohnt ebenfalls in der Sesamstraße in Schwarzenbek. Im Gegensatz zu seinem berühmten Namensvetter ist er allerdings nicht rot, sondern schwarz. Wortkarg ist er auch nicht. Bei dem Elmo aus Schwarzenbek handelt es sich nämlich um einen schwarzen Kater, der „seinen“ drei Menschen Bescheid gibt, wann er etwas zu fressen haben möchte und wann ihm der Sinn nach Ausgang steht.
Ernie, Kermit & co. begleiten Katrin Mewes seit frühester Kindheit
Naylas Mutter Katrin Mewes ist mit der Sesamstraße aufgewachsen. „Als ich klein war, haben die Erzieherinnen in meinem Kindergarten die Sendung häufig eingeschaltet. Wir saßen dann alle vor einem Röhrenfernseher mit Schwarz-Weiß-Bildschirm“, erinnert sich die 47-Jährige. „Ich habe die Sendung geliebt. Unsere Verwandten aus den USA haben mir sogar eine Kermit-Puppe geschenkt, die hat heute meine Tochter Nayla.“
Im Dezember 2003 ist sie mit ihrem damaligen Mann in die Sesamstraße gezogen. „Wir fanden den Namen lustig“, erzählt die Schwarzenbekerin. Ausschlaggebend für den Hauskauf war der Name aber natürlich nicht“, sagt die gelernte Erzieherin, die in der Kita St. Elisabeth arbeitet und sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich beim Schwarzenbeker Motorrad-Verein Biker fahren für Kinder“ (BffK) für junge Menschen in Not engagiert.
Kartin Mewes: „Wir passen alle auf uns auf in der Sesamstraße.“
Missen möchte die Erzieherin die kurze Stichstraße nicht mehr. „Hier lebt es sich wirklich schön, jeder passt auf jeden auf. Es ist sehr ruhig, schließlich gibt es ja auch nur vier Häuser. Nayla ist das einzige Kind in der Straße, ihre Schwester ist ja schon fast erwachsen“, sagt Katrin Mewes, die auch Mutter der 17-jährigen Brianna ist. „Meine Lehrer haben es immer witzig gefunden, wenn ich erzählt habe, dass ich in der Sesamstraße wohne. Manche haben es auch gar nicht glauben wollen, weil die Straße selbst in Schwarzenbek kaum bekannt ist“, berichtet Nayla.
„Den Straßennamen kennt aus dem Fernsehen jeder. Manche Leute fragen zwar noch ein zweites Mal nach, ob man wirklich in der Sesamstraße wohnt, aber man muss den Namen jedenfalls nicht buchstabieren“, sagt Katrin Mewes mit einem verschmitzten Lächeln.
Ein Viertel um die alte Windmühle war der Ursprung der kleinen Wohnstraße
Mit der Fernsehsendung hat die Sesamstraße allerdings nicht zu tun, auch wenn die Sendung beim Bau der Straße schon zwei Jahrzehnte lief. In Anlehnung an die Windmühle, die von 1875 bis 1962 am Mühlenweg stand (heute gibt es dort ein Blockheizkraftwerk), wurden die Straßennamen rund um den damaligen Standort nach Getreidesorten benannt.
So gibt es neben dem Weizenweg, den Roggen-, Hafer-, Gersten- und Kornweg, den Mais-, Dinkel-, Emmer- und Hirsestieg. Die Sesamstraße ist in dem um 1995 gebauten Viertel übrigens die einzige Straße, die die Bezeichnung Straße in ihrem Namen trägt. Möglicherweise war der Verantwortliche für die Namensvergaben auch ein Sesamstraßenfan. Wer weiß?
Hintergrund: 50 Jahre Sesamstraße – so ging es los
Die Sesamstraße war die erste US-Sendung, die – abgesehen von Zeichentrickfilmen – ausschließlich für Kinder produziert wurde. Über die amerikanischen TV Geräte flimmerte am 10. November 1969 die erste Folge. Bei uns in Deutschland hielten Ernie, Bert und Co. vier Jahre später Einzug in die Wohnzimmer. Damals allerdings noch als synchronisierte Fassung. Die Vorschulsendung kam so gut an, dass der NDR ab 1978 im Studio Hamburg in Wandsbek die deutsche Variante der Kultsendung produzierte.
Die Charaktere der Sesamstraße dienen als Vorbilder, sie sind wissbegierig, sie machen Quatsch, sie machen Fehler, sie lernen und sie dürfen sein, wie Kinder (und Erwachsene) nun mal sind: Egal, ob frech wie Ernie, aufgeregt wie Elmo, neugierig wie Abby oder auch mal schlecht gelaunt wie Oskar aus der Mülltonne. „Die Sesamstraße ist ein Klassiker des öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehens. Sie bringt – nicht nur – den Jüngsten etwas bei und ist gleichzeitig urkomisch. Die Sesamstraße vermittelt Werte, fördert Fairness und Toleranz, feiert Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Vor allem nimmt die Sesamstraße Kinder ernst und begegnet ihnen auf Augenhöhe“, sagt NDR Programmdirektor Frank Beckmann.