Schwarzenbek. Schwarzenbek. Weil Rückwärtsfahren verboten ist, sollen kleinere Fahrzeuge die Tonnen in Stichstraßen leeren.

Mit einem jährlichen Entgelt in Höhe von 92,64 Euro für eine vierköpfige Familie (80 Liter Restabfall und 240 Liter Papiertonne im vierwöchigen Rhythmus, 80 Liter Bioabfall alle 14 Tage) zählt die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) derzeit zu den günstigsten Entsorgern in Schleswig-Holstein. Das könnte sich ändern, wenn eine Resolution auf fruchtbaren Boden fällt: In einer gemeinsamen Erklärung fordern die fünf in der Schwarzenbeker Stadtverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen den Kreis auf, künftig kleinere „den örtlichen Gegebenheiten“ angepasste Müllfahrzeuge zur verwenden.

Eine Hecke war Schuld

Hintergrund ist ein seit zwei Jahren schwelender Konflikt um die sogenannten Getreidestiege im Mühlenviertel der Stadt. Im Dezember 2016 hatte ein Müllfahrzeug beim Zurücksetzen die Hecke eines Anwohners beschädigt. Als dieser eine Entschädigung verlangte, wurde die Berufsgenossenschaft eingeschaltet. Sie verbot danach generell das Befahren dieser vier Stichstraßen, weil ein Wenden ohne rückwärts zu rangieren dort nicht möglich ist.

Umbau abgelehnt

Ein Vor-Ort-Termin von Berufsgenossenschaft, AWSH und Vertretern der Stadt im vergangenen Jahr brachte zunächst eine Lösung: Die Parkplätze inmitten jedes Wendehammers werden von jeweils zwei Bäume begrenzt. Würden diese gefällt und ein Halteverbot ausgesprochen, könnten die Müllfahrzeuge dort problemlos wenden. Doch Schwarzenbeks Bauaussschuss lehnte diese Lösung ab, denn dafür müsste ein neuer Bebauungsplan für das Gebiet aufgestellt werden: Diese Kosten sollte die Stadt nicht tragen.

„Wo kein Kläger ...“

Die Politiker befürchten aktuell, damit einen Präzedenzfall zu schaffen, denn Dinkel-, Emmer-, Mais- und Hirsestieg seien nicht die einzigen Straßen in Stadt und Kreis, die auf Grund „berufsgenossenschaftlicher Unfallverhütungsvorschriften“ nicht mit dreiachsigen Fahrzeugen befahren werden dürften. Im Moment gilt noch das Prinzip „Wo kein Kläger, da auch kein Richter“ und Fahrverbote spricht die Berufsgenossenschaft nur nach aktenkundig gewordenen Vorfällen aus Daher wurde im Hauptausschuss auch kontrovers über die Resolution diskutiert: Während etwa Calvin Fromm (SPD) keine „schlafenden Hunde“ wecken wollte, fordert FWS-Fraktionschef Bernhard Böttel dazu auf, genau dies zu tun, um eine generelle Lösung des Problems zu erreichen.

Bauliche Versäumnisse

Die Resolution muss noch im Rahmen einer Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden. Die Fraktionen wollen dann Politiker im Kreistag sowie im Aufsichtsrat der AWSH mobilisieren, sich um dieses Problem zu kümmern. Sie sehen den Grund für das Fahrverbot anders als AWSH-Chef Dennis Kissel nicht etwa in baulichen Versäumnissen der 1980er-Jahre, sondern in den immer größer werdenden dreiachsigen Müllfahrzeugen. Die Forderung der Schwarzenbeker: „Wirtschaftlichkeitserwägungen dürfen nicht zu Lasten der Bürger gehen.“

Kreisel seit 70er-Jahren vorgeschrieben

Eine Behauptung, die Kissel zurückweist: „Auch als ich vor 25 Jahren bei der AWSH angefangen habe, gab es dreiachsige Müllfahrzeuge.“ Er sieht den Fehler bei der Stadt, die bei der Erschließung des damaligen Neubaugebiets rechteckige Wendehämmer habe bauen lassen, obwohl Vorschriften seit den 1970er-Jahren Kreisel mit 22 Metern Durchmesser vorschreiben. Die Frage sei, ob die Mehrkosten auf alle AWSH-Kunden oder nur die betroffenen Anwohner umgelegt werden sollen. Oder ob nicht ein Umbau wirtschaftlicher sei, so Kissel. „Sollten wir vom Kreistag den Auftrag bekommen, die Abfuhr mit kleineren Fahrzeugen durchzuführen, setzen wir das natürlich um – und stellen die Kosten in Rechnung.“

Hersteller arbeiten an Lösung

Möglicherweise ist das aber gar nicht notwendig: Auf Nachfrage bestätigte Claudia Schaue vom Müllfahrzeuge-Hersteller Faun aus Osterholz-Scharmbek bei Bremen, dass man versucht, das Problem des Rückwärtsfahrens technisch im Sinne der Berufsgenossenschaft zu lösen: In Süddeutschland ist derzeit ein Rückfahrsicherungssystem (RSS) in der Erprobung. Beim Rangieren kann bei diesem Fahrzeug der Müllwerker auf dem Podest am Heck stehen bleiben. Schaue: „Lässt er den Haltebügel los, stoppt das Fahrzeug sofort automatisch.“