Schwarzenbek. Die neue Förderperiode der Europäischen Union beginnt. Der Start war holprig. Doch jetzt können Anträge gestellt werden.
Bis 2030 fördert die Europäische Union (EU) die 22 Aktivregionen in Schleswig-Holstein mit jeweils 2,5 Millionen Euro. Das Geld gibt es als nicht rückzahlbaren Zuschuss für Projekte in den Bereichen Klimaschutz, Daseinsvorsorge und Bildung sowie neu: regionale Wertschöpfung. Allerdings war wohl noch kein Start einer neuer Förderperiode so holprig wie dieser.
Bis Ende April 2022, so die damalige Vorgabe, hätten die Aktivregionen im Land ihre neue Integrierte Entwicklungsstrategie (IES) erarbeiten und beim Amt für ländliche Räume zur Genehmigung einreichen sollen. Sehr ambitioniert sei dies angesichts der geltenden Kontakteinschränkungen wegen der Corona-Pandemie, erklärte damals Georg Küpper, Regionalmanager der Aktivregion Sachsenwald-Elbe unserer Zeitung. Immerhin 150 Seiten dick war das Strategiepapier, für das Bürger-Workshops per Videokonferenz organisiert wurden. Zur Not, so Küpper, werde er das Papier am 30. April persönlich einwerfen, um die Frist zu wahren.
Holperstart für Aktivregion in die neue Förderperiode
Doch das war nichts gegenüber dem was noch folgen sollte. Statt die Strategiepapiere zu genehmigen, es handelt sich um die dritte Förderperiode im Rahmen des EU-Projekts LEADER, bat das Amt sämtliche Aktivregionen am 15. November zur Tagung. „Dort wurde uns dann erklärt, dass sämtliche Strategiepapiere überarbeitet werden müssen“, so Küpper: „Und das in der Vorweihnachtszeit mit einer einsetzenden Erkältungs- und Grippewelle.“ Neuer Abgabetermin war nun der 20. Januar 2023. Während Klimaschutz, Bildung und Daseinsvorsorge schon immer auf der Agenda standen, war lediglich die regionale Wertschöpfung als neues Förderziel hinzugekommen. Doch dies war im Papier bereits eingearbeitet. Die neuen Forderungen bezogen sich hingegen auf formale Inhalte, forderten von den ehrenamtlichen Mitgliedern jedoch erneut viel Zeit. Am 18. Januar billigten die Mitglieder die überarbeitete Strategie, die jetzt erneut im Amt für ländliche Räume geprüft wird.
Escheburger SV sorgt für Einhaltung der Altersgrenze
So will die EU, dass dem Vorstand, jede der 22 Aktivregionen im Land ist als Verein organisiert, immer eine Person unter 24 Jahre angehört. Eine Herausforderung nicht nur bei der Suche nach so einer Person, sondern auch für das Vereinsrecht: Ein gewähltes Vorstandsmitglied müsste demnach unabhängig von der Amtszeit an seinem 24. Geburtstag seinen Platz räumen. Doch die Aktivregion fand einen Kniff: Dank der Vermittlung von Vorstandsmitglied Jürgen Wirobski, ehemaliger Vorsitzender der Wirtschaftlichen Vereinigung Geesthacht (WVG), ist jetzt der Escheburger Sportverein Mitglied in der Aktivregion und wird als Vertreter immer ein Mitglied entsenden, das jünger als die EU-Altersgrenze ist. Nach der Erfüllung aller neuen Vorgaben könnte die neue Förderperiode nun zum 1. April 2023 an den Start gehen.
Zeit ist Geld: Kredit statt langwierigem Antrag
Doch schon jetzt können Vereine, Firmen, Kommunen und Privatpersonen Anträge stellen sowohl für die neue als auch für die alte Förderperiode. „Landesweit stehen noch etwa 3,2 Millionen Euro an Restmitteln zur Verfügung, die bisher nicht ausgegeben wurden“, sagt Küpper. Das liege zum einen am lange Zeit günstigen Zinsniveau: Statt den zeitaufwendigen Weg eines Förderantrags zu gehen, der zwar am Ende maximal einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von bis zu 100.000 Euro bietet, haben sich viele für die schnellere Variante eines Kredits auf dem Kapitalmarkt entschieden. Andere Projekte seien an Fachkräftemangel, Lieferengpässen und Preissteigerungen gescheitert, weil die Investoren den gestiegenen Eigenanteil nicht mehr aufbringen konnten. Davon können jetzt andere profitieren: „Wer in neue Anlagen investieren will oder eine Anschubfinanzierung für einen neue Stelle braucht, sollte sich bewerben“, sagt Küpper. Entschieden werde letztlich nach dem Windhundprinzip. Wer warten kann: In der neuen Förderperiode steigt der Anteil der möglichen Förderung von bisher maximal 55 auf bis zu 80 Prozent.
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Die Schnelligkeit, die von den Antragstellern erwartet wird, wünscht sich Küpper, der viele Jahren in den Landwirtschaftsministerien in Stuttgart und Schwerin tätig war, auch von der Bürokratie: „Wir brauchen mehr Geschwindigkeit bei der Bewilligung.“ Als Beispiel nennt er die Lauenburger Rudergesellschaft (RGL): Die hatte nach langen, zähen Ringen 2019 einen Zuschuss für die Ausstattung einer Schülerruderriege erhalten. Das Amt für ländliche Räume hatte argumentiert, dass ein Bootsanhänger ja mobil sei und auch anderweitig genutzt werden könne und dies den Förderrichtlinien widerspreche. „Wir fördern aber auch Tablets für den Schulunterricht, die genauso mobil sind“, so Küpper. Zum Glück sei die RGL dran geblieben, erhielt am Ende eine Förderung von 11.396 Euro. Gefördert wurde auch App der Gemeinde Dassendorf, eine Steganlage der Geesthachter Seglergemeinschaft, die Modernisierung des Künstlerhauses in Lauenburg oder eine zusätzliche Stelle in der Festivalorganisation des Kultursommer am Kanal, eine Skateranlage in Lauenburg oder das Klärwerk der Gemeinde Grabau.
Vom Dorfentwicklungsprogramm zur Liaison
Was früher Dorfentwicklung und später Ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse (LSE) hieß, nennt sich seit 2014 LEADER (französisch für: Liaison Entre Actions de Développement de l’Économie Rurale). Übersetzt heißt dies so viel wie Verbindung von Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft. Das Programm wird aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds finanziert und gehört zur sogenannten zweiten Säule, zu der auch Umweltschutz, Investitionen in Landwirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung sowie Dorf- und Regionalentwicklung fallen. In der zweiten Förderperiode von 2014 bis 2022 wurden dafür allein in Deutschland von der EU 8,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Hinzu kamen 4,7 Milliarden Euro von Bund, Ländern und Kommunen.
Aktuell gibt es 321 Aktivregionen in Deutschland. In der neuen Förderperiode wird ihre Zahl auf 370 gestiegen sein. In Schleswig-Holstein sind alle 22 Aktivregionen als Verein organisiert. Die Aktivregion Sachsenwald-Elbe ist einer von fünf Vereinen mit einer regionalen Geschäftsstelle vor Ort. Die anderen Aktivregionen haben externe Agenturen mit der Geschäftsführung beauftragt.