Schwarzenbek. Welchen Aufgaben muss sich Schwarzenbek 2023 und darüber hinaus stellen? Norbert Lütjens gibt Antworten und setzt Prioritäten.

Seit zwei Jahren ist Schwarzenbeks Bürgermeister Norbert Lütjens (52) im Amt. Der ehemalige Stadtjugendpfleger ist seit dem Jahr 2009 in der Europastadt tätig. Als der gelernte Elektriker und studierter Sozialpädagoge mit Master im Bereich Public Administration den Job an der Spitze des Rathauses mit 120 Beschäftigten von seiner Vorgängerin Ute Borchers-Seelig Anfang 2020 übernahm, war die Welt noch in Ordnung.

Die Flüchtlingskrise 2015 war beherrschbar, die Konsolidierung nach der ersten großen Finanzkrise der Stadt beendet. Doch dann kam die Corona-Pandemie, die Raumnot an den Schulen, die fehlenden Kita-Plätze und schließlich der Krieg in der Ukraine verbunden mit zahlreichen Flüchtlingen. Im Interview stellt sich der Verwaltungschef den Fragen, mit denen sich Schwarzenbek in den kommenden Jahren konfrontiert sieht.

Schwarzenbek soll zwei neue Grundschulen bekommen

Sie haben vor zwei Jahren gesagt, der Job macht Spaß. Sehen Sie das immer noch so?

Norbert Lütjens: Unbedingt.

Als Sie noch Stadtjugendpfleger waren, haben Sie viel Musik gemacht, Videoprojekte und neue Formate wie das „Rote Sofa“ mit Interviewgästen in Form einer Talkshow initiiert. Vermissen Sie in Ihrem neuen, eher konservativen Job etwas von dieser Freiheit und Kreativität?

Nein. Alles, was ich bislang gemacht habe – einschließlich meines Studiums mit einem Master im Bereich Public Administration – hat mich auf die neue Aufgabe vorbereitet. Ich kann zugleich schöpferisch, ausgleichend und moderierend wirken. Ich habe Freude an dem, was ich tue. Diesen Schritt habe ich nie bereut.

Wenn Sie hinsichtlich Schwarzenbek einen Wunsch frei hätten, was liegt Ihnen am meisten am Herzen?

Wir haben sehr viele wichtige Themen in der Stadt vor der Brust wie das neue Feuerwehrhaus, die beiden neuen Grundschulen und die Innenstadtplanung, die ich alle gemeinsam mit meinem Rathausteam und den Politikern mit Herzblut bearbeite. Aber ja, der Umbau der alten Realschule in einen zentralen Ort und Ankerpunkt für die Innenstadt ist mir besonders wichtig. Dort kann ein neuer Treffpunkt im Zentrum entstehen. Das Projekt habe ich auch in meinem Wahlkampf um das Bürgermeisteramt im Jahr 2019 in den Fokus gestellt und hoffe, dass es zum Ende meiner ersten Amtszeit zumindest an den Start geht.

Ihre erste Amtszeit endet 2026. Stehen Sie für eine zweite Amtszeit bereit?

Das ist letztendlich eine Entscheidung der Bürger. Aber ich möchte vieles noch zu Ende bringen, und das ist in meiner ersten Amtszeit nicht zu schaffen.

Während der Corona-Pandemie mussten viele gesellschaftliche Begegnungen ausfallen. Was ist mit dem Neujahrsempfang 2023?

Wir werden erstmals seit zwei Jahren wieder einen richtigen Neujahrsempfang haben. Es ist wichtig, dass die Bürger und auch die vielen ehrenamtlich Tätigen in der Stadt eine Gelegenheit zur Begegnung haben. Wir werden am Sonnabend, 21. Januar, im Forum des Gymnasiums mit einem bunten Programm feiern. Alle Schwarzenbeker sind eingeladen und können sich auf diesen Abend freuen. Es gibt eine Band, Unterhaltung und viele Informationen über die Stadt. Mehr möchte ich vorab nicht verraten. Nur so viel: Es wird richtig gut.

Als Ihre Amtszeit begann, gab es viele Flüchtlinge. Dafür wurde auch das seit 2015 geplante Bildungszentrum in der alten Realschule noch von Ihrer Vorgängerin in eine Sammelunterkunft umgewandelt. Wird diese auch in der aktuellen Flüchtlingskrise benötigt?

Ja. Aber die Realschule ist aufgrund der Aufteilung in Klassenräume mit sogenannten Durchgangszimmern nicht für die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen geeignet. Dort können Menschen einige Wochen, vielleicht auch Monate, aber definitiv nicht dauerhaft leben. Wir hatten im Herbst 25 Menschen dort beherbergt, aktuell sind alle Flüchtlinge dezentral untergebracht. Wir haben im Moment alleine aus der Ukraine etwa 300 Flüchtlinge in der Stadt und rechnen mit vielen weiteren Schutzsuchenden aus dem Kriegsgebiet und anderen Regionen der Welt. Deshalb benötigen wir auch die Realschule als Puffer für bis zu 60 Personen. Wir suchen aber auch dringend nach weiterem Wohnraum für Flüchtlinge, weil das sowohl humanitär der Unterbringung dieser Menschen, aber auch dem integrativen Gedanken dient.

Komplett autofreie Innenstadt ist kaum umsetzbar

Aktuell laufen viele große Projekte. Die Politiker haben eine Prioritätenliste aufgestellt, nach der die neue Feuerwehr ganz vorne steht und der Neubau der Schulen gleich folgt. Wie ist der Stand?

Die Planungen für den Neubau der Feuerwehr und für die Grundschule Breslauer Straße laufen. Für die Feuerwache haben wir ein Grundstück, die Bauleitplanung ist in Arbeit. Für die Grundschule an der Breslauer Straße läuft das Verfahren ebenfalls. Dafür müssen wir jetzt auch einen B-Plan aufstellen. Wir haben eine erste Zeichnung für die neue Schule, aber keinen Entwurf. Es muss unter anderem ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden. Hoffentlich kann der Bau der neuen Grundschule noch im Laufe meiner ersten Amtszeit beginnen.

Vor einigen Wochen lief die erste Bürgerbeteiligung für das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Wie geht es damit weiter?

Wir haben uns gefreut, dass mehr als 100 Bürger kamen und ihre Ideen eingebracht haben. Die Planer werden die Vorschläge auswerten. Im März gibt es eine weitere Bürgerbeteiligung, im April werden die Ergebnisse vorgestellt. Aber das ist erst der Anfang. Dann geht es um die Umsetzung.

Es hat bereits in der Vergangenheit eine Zukunftswerkstatt für die Stadt sowie Machbarkeitsstudien für Bahnhof, Schwimmhalle und Realschule gegeben. Viel Geld wurde dafür ausgegeben, die Ergebnisse verschwanden in der Schublade. Was ist diesmal anders?

Es ist uns Ernst damit. Die Bürger und die Politiker stehen hinter der Studie. Wir sammeln Ideen, und Experten helfen uns dabei, Fördermittel zu generieren. So werden Projekte, die wir uns als Stadt niemals allein leisten könnten – wie den Umbau der alten Realschule zu einem Bildungszentrum oder die Verkehrsberuhigung der Lauenburger Straße – möglich. Die Ergebnisse des ISEK werden Handlungs- und Entscheidungsgrundlage für die kommenden Jahre. Es werden nicht alle Ideen umgesetzt werden können, aber das Projekt verschwindet definitiv nicht in der Schublade.

Verkehrsberuhigung und Fußgängerzone waren wichtige Themen in der Öffentlichkeitsbeteiligung des ISEK. Kommt die Fußgängerzone?

Sobald große Teile des Durchgangsverkehrs durch die Umgehungsstraße und den Kreisel an der Feuerwehr aus dem Zentrum herausgenommen werden können, kann es eine Verkehrsberuhigung in der Lauenburger Straße geben. Für eine komplett autofreie Fußgängerzone fehlt mir allerdings die Fantasie. Dafür müsste es weitere Parkplätze und Bypässe für den Autoverkehr geben. Aber wir haben ja Planer an unserer Seite, die uns möglicherweise Lösungen aufzeigen.

Planung für den Kreisverkehr am Ende des Meiereitunnels

Wie sehe denn aus Ihrer Sicht die ideale Innenstadt aus?

Wir alle müssen Innenstadt neu denken. Ich wünsche mir eine Kombination aus Einzelhandel, Wohnen und Gastronomie mit mehr Aufenthaltsqualität im Zentrum. Dafür ist eine Umwandlung von Leerständen in Wohnungen erforderlich. Aber wir brauchen auch Platz für Straßencafés und Raum für Einzelhandel. Ich war gerade in unserer Schweizer Partnerstadt Sierre. Dort funktioniert dieses Konzept.

Im Zusammenhang mit dem ISEK ist von den Bürgern – aber auch von den Planern – der schlechte Zustand des Bahnhofs erwähnt worden. Bekommt die Umgestaltung des Areals neue Impulse?

Das ist schwierig. Die Politiker haben die Umgestaltung des Bahnhofs aus guten Gründen wegen der Kosten hintenan gestellt. Allerdings ist der Bahnhof der erste Eindruck, den viele Besucher von unserer Stadt erhalten. Sollten sich hohe Fördermittel generieren lassen, könnte die Umgestaltung wieder denkbar werden. Eine Planung dafür gibt es ja bereits.

Es geht aber nicht nur um den ganz großen Wurf in Sachen Bahnhof. Es wurde auch die seit Jahren fehlende Beschilderung in die Innenstadt moniert.

Es gibt definitiv Quick Wins (Schnelle, einfache Lösungen, Anm. d. Redaktion), die sich ohne großen Aufwand aus den Ideen und Anregungen der Bürger realisieren lassen. Dazu zählt die Ausschilderung am Bahnhof ebenso wie die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Stadtpark einschließlich der Sanierung der öffentlichen Toiletten in diesem Bereich.

Es gibt jetzt schon fehlende Kita- und Krippen-Plätze in der Stadt. Durch den bevorstehenden Wegfall von zwei weiteren Kitas im Bereich um die Grund- und Gemeinschaftsschule wird sich die Situation verschärfen. Wie geht es weiter?

Wir wissen, dass die Kitas Traumland und Pavillon perspektivisch wegfallen werden. Auch auf dem ursprünglich vorgesehenen Grundstück an der Dreiangel wird sich wirtschaftlich keine Kita bauen lassen. Deshalb brauchen wir Grundstücke für zwei neue Kitas. Es fehlen aktuell 140 Plätze, weitere gut 100 Plätze werden mit dem Schulneubau wegfallen. Wir sind in Gesprächen mit Grundeigentümern. Kitas lassen sich relativ schnell bauen, sodass die Ersatzbauten im Idealfall 2026 stehen könnten.

Es hat sich herausgestellt, dass für den Neubau der Grundschule an der Breslauer Straße nun doch ein Bebauungsplan erforderlich ist. Verzögert das den dringend erforderlichen Neubau?

Nein. Alle weiteren Planungen einschließlich der Ausschreibungen und des Architektenwettbewerbs laufen parallel. Wir haben damit gerechnet, dass wir trotz der bereits bestehenden Bebauung einen B-Plan für einen Neubau benötigen würden.

Es war eine Absprache, dass die Grundschule Breslauer Straße zuerst neu gebaut werden würde, die ebenfalls marode Grundschule Nordost aber nicht „abgehängt“ werden soll. Rektorin Liane Maier hat allerdings mehrfach ausstehende Investitionen in ihre Schule an der Cesenaticostraße angemahnt und bei den Politikern eine Abfuhr kassiert.

Wir stehen zu unserem Wort. Die Diskussionen sind beendet. Im Haushalt für 2023 stehen mehr als 600.000 Euro für Verbesserungen der Situation in Nordost bereit. Wir werden auch nicht warten, bis eine neue Schule an der Breslauer Straße steht, bis wir mit Planungen für Nordost beginnen. Das Verfahren wird zeitverschoben etwa in einem Jahr losgehen, wenn die Planungen für die Breslauer Straße laufen.

Wie sieht es mit der Feuerwehr aus? Sie steht in der Prioritätenliste der Politiker doch ganz oben?

Die Planung läuft. Das Grundstück ist gekauft, die Bodenuntersuchungen sind abgeschlossen und das B-Plan-Verfahren hat begonnen. Auch die Planung für den Kreisverkehr am Ende des Meiereitunnels, an den die neue Wache angeschlossen werden soll, läuft. Mit Daten für den Baubeginn scheue ich mich, weil die Aktualität mich schon mehrfach überholt hat.

Zwei Kitas, zwei Grundschulen, eine Feuerwache und eine Innenstadtplanung. Das ist ganz schön viel Arbeit zeitgleich. Kann die Verwaltung das überhaupt schaffen?

Die Mitarbeiter sind hochmotiviert, und wir optimieren die Prozesse soweit uns das möglich ist. Trotzdem wird die Verwaltung bei der Umsetzung dieser Projekte an ihrem Limit arbeiten. Diskussionen um die Aufstockung von Personal zwischen Politik und Verwaltung sind traditionell von harter Natur. Gleichwohl werden wir in den nächsten Jahren viel Geld investieren und müssen dazu in der Lage sein, bei anstehenden Projekten trotzdem die Oberaufsicht zu behalten.

Im Mai 2023 gibt es eine Kommunalwahl. Erfahrungsgemäß treffen Politiker kurz davor keine Grundsatzentscheidungen mehr. Dann vergeht einige Zeit, bis sich die neuen Mehrheiten sortiert haben, und gleich nach der konstituierenden Sitzung geht es in die Sommerpause. Sorgt das für Verzögerungen bei den Projekten?

Nein, hoffentlich nicht. Für Schulentwicklung und Feuerwehrneubau haben die Politiker alle wesentlichen Entscheidungen getroffen. Auch bei der Stadtentwicklung sind wir dann im laufenden Verfahren. Es könnte aber zum Beispiel sein, dass wir für den Neubau der Kitas eine Entscheidung über einen Grundstückskauf benötigen. Dann bin ich mir aber sicher, dass wir zusammen mit unserer Politik konstruktive Lösungen hinbekommen werden.