Schwarzenbek. Abschied und Neubeginn: „Kleine Zauberkiste“ hat nach 30 Jahren geschlossen. Aber es gibt Ersatz. Die Details.

Die Corona-Pandemie hat sich positiv auf den Spielwarenhandel in Deutschland ausgewirkt. Viele Menschen haben im Lockdown wieder die Lust am Puzzeln oder an Gesellschaftsspielen entdeckt und wollen dieses neue Hobby auch beibehalten. Die Branche verzeichnete im Vorjahr ein Umsatzplus von knapp elf Prozent. Das ergab eine Umfrage des Verbandes der Deutschen Spielwarenindustrie. Allerdings hat trotz der Umsatzzuwächse der Gesamtbranche vor allem der stationäre Handel mit der Konkurrenz durch Online-Anbieter zu kämpfen und ist rückläufig.

Spielwarenhandel in Schwarzenbek mit drei Anbietern

Davon ist in Schwarzenbek indes nichts zu spüren. Drei Geschäfte werben in der Innenstadt um die Gunst der Kunden. Neuester Anbieter ist „Die Spielerei“ von Calvin Streich an der Seestern-Pauly-Straße. Gleichzeitig mit der Schließung der „Kleinen Zauberkiste“ von Ute Reitenbach nach 28 Jahren eröffnete der Möllner sein Geschäft. Weitere Spielwaren-Anbieter sind „Kids World“ an der Lauenburger Straße und in begrenztem Umfang die Buchhandlung LeseZeit am Markt.

Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Das Sprichwort, das auf den französischen Dramatiker Moliére (1622-1673) zurückgeht, traf am Sonnabend in der Innenstadt wörtlich zu. Um 14 Uhr war bei Ute Reitenbach Schluss, vier Stunden vorher hatte Calvin Streich die Türen seines mittlerweile zweiten Spielwarenladens geöffnet. Außer dem Hauptgeschäft in Mölln betreibt der 28-Jährige jetzt „Die Spielerei“ in der Seestern-Pauly-Straße 1.

Bandbreite im Bereich der Spielwaren erhöht sich

Neu- und Altkunden sowie Freunde von Calvin Streich, aber auch Fans der „Zauberkiste“ nahmen sich Zeit zum Stöbern. Nebenbei genossen sie die Leckereien, die ihnen „Opa Peters“ aus seinem Food-Truck anbot, und hörten die Popmusik des Live-Musikers Paddy O’Brien aus Mölln.

In der „Spielerei“ können die Schwarzenbeker von nun an Spielzeug für Kinder bis sechs Jahre sowie Geschenkartikel und Dekorationen kaufen. „Wir legen Wert auf nachhaltige Produkte“, sagte Calvin Streich. In den Regalen des etwa 40 Quadratmeter großen Lädchens gibt es unter anderem Rasseln, Fahrzeuge und Lernspiele aus Holz, Geschirr aus recyceltem Kunststoff und niedliche Puppen aus Stoff zu kaufen.

Viele Produkte werden in der Region gefertigt

In dem kleinen Nebenraum, der durch ein altes Fachwerk vom Spielzeug abgeteilt ist, hält der Laden viele schöne Dinge zum Verschenken und Dekorieren bereit. Dazu gehören handgemachte Seifen, Naturkosmetik, liebevoll gestaltete Dosen, Notizbücher und Karten.

„Viele unserer Produkte werden in der Region angefertigt“, berichtet Calvin Streich. Dazu gehört Holzspielzeug von Gollnest & Kiesel aus Güster und Papeterie mit den humorvollen, unverkennbaren Zeichnungen der Lübecker Künstlerin Karin Tauer. Insgesamt dominieren imAngebot das nordische Design und sanfte, abgetönte Pastellfarben.

Neuer Chef will niemals einen Mitarbeiter entlassen müssen

Calvin Streich firmiert mit seinen beiden Läden als Einzelunternehmer, nicht als GmbH. Er beschäftigt sechs Mitarbeiter. „Mein Anspruch ist, dass ich nie in meinem ganzen Leben jemanden entlassen muss“, sagt der 28-Jährige. „Mein großes Vorbild als Unternehmer ist Wolfgang Grupp“, erläuterte er. Genau wie der Textilunternehmer aus Burladingen (Trigema) betont Calvin Streich die Verantwortung, die ein Geschäftsführer hat. Gleichzeitig ist er felsenfest davon überzeugt, dass der stationäre Einzelhandel eine Chance hat und gebraucht wird.

„Unser Vorteil sind unsere Mitarbeiter mit ihrer Persönlichkeit“, sagt er. „Sie können direkt beraten, und Fragen können persönlich geklärt werden.“

In der etwas abgelegenen Seestern-Pauly-Straße ist Laufkundschaft allerdings noch rar. Das will der gelernte Medientechnologe mit vielen Aktionen, auch zusammen mit dem Schwarzenbeker Unternehmen „Opa Peters“ (Eis und Feinkost) ändern und auf sich aufmerksam machen. Ein ähnliches Konzept fährt auch der Entertainer Andreas Ellermann, dem ein Großteil der Geschäfte in der Passage zwischen Lauenburger Straße und Schmiedestraße gehört.

WVS-Vorsitzende spricht von einem Gewinn für Schwarzenbek

„Das neue Geschäft und Calvin Streich sind ein Gewinn für Schwarzenbek“, sagt die WVS-Vorsitzende Doris Lehmann. Die Seestern-Pauly-Straße werde dadurch belebter.

Abschied mit Humor: Ute Reitenbach (Mitte) und ihre Mitarbeiterinnen Christine Reimers (l.) und Sabine Mittag schmückten sich mit Mädchen-Haarreifen und sagten den Kunden der
Abschied mit Humor: Ute Reitenbach (Mitte) und ihre Mitarbeiterinnen Christine Reimers (l.) und Sabine Mittag schmückten sich mit Mädchen-Haarreifen und sagten den Kunden der "Kleinen Zauberkiste" Lebewohl. © Monika Retzlaff | Monika Retzlaff

Am Sonnabendvormittag war zugleich die letzte Gelegenheit, den Kultladen von Ute Reitenbach zu besuchen. Und die Kunden gaben sich die Klinke in die Hand, um sich mit Spielzeug und Babybekleidung einzudecken. Ute Reitenbach und ihre Mitarbeiterinnen berieten die Kunden bis zur letzten Minute und halfen bei der Auswahl. Die Aufregung stand ihnen ins Gesicht geschrieben, denn die Regale leerten sich rasch als der Abschied nahte. Mittags schlossen sie dann das Geschäft – für immer.

Inzwischen ist der Laden auch schon beinahe leergeräumt, und die Möbel werden abtransportiert. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nimmt Ute Reitenbach Abschied vom Geschäftsleben. „Ich habe nun Zeit, mein Rentnerdasein zu genießen.