Lauenburg. Sägen, hobeln und sich die Hände schmutzig machen – damit haben die Handwerkerinnen kein Problem. Was ihnen aber zu schaffen macht.

Mädchen wollten Friseurin, Krankenschwester oder Verkäuferin werden. Jungs schwärmten für die Feuerwehr, die Polizei oder sie wollten später mal Autos reparieren. Hätte ein Mädchen vor 50 Jahren gesagt, sie wolle Tischlerin werden, wohl die wenigsten Eltern hätten dazu ja gesagt. „Handwerk hat goldenen Boden“ – das galt nur für Jungen. Hat sich inzwischen wirklich viel geändert? Unter den 17 ehemaligen Auszubildenden, die jetzt von der Tischlerinnung des Kreises Herzogtum Lauenburg freigesprochen wurden, sind nur drei junge Frauen. Das entspricht etwa dem Durchschnitt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung beträgt der Anteil von Frauen im Tischlereihandwerk knapp 12 Prozent.

Schreibtische, Vitrinen, kleine Schränke und sogar ein Sofa – der Veranstaltungsraum im Elbschifffahrtsmuseum gleicht derzeit einem Laden für Designermöbel. Die Ausstellung der Gesellenstücke begleitete am Donnerstag (31. August) die Freisprechung in Lauenburg. Genau 100 Arbeitsstunden hatten die jungen Leute Zeit, ihr Gesellenstück nach allen Regeln der Handwerkskunst zu bauen. Schwer zu sagen, ob die Prüfer zuerst auf die Namensschilder oder das Möbelstück geschaut haben. Auch in den Handwerksbetrieben des Kreises sind Tischlerinnen nämlich noch immer die große Ausnahme.

Beruf Tischler: Frauen boxen sich in der Männerdomäne durch

Ermutigt werden Mädchen auch heute kaum, diesen Beruf zu erlernen. Das Institut für Lernsysteme (Ils) wirbt auf seiner Seite für eine Umschulung zum Tischler und streicht heraus, dass dieser Beruf gute Jobchancen biete – mit einer Einschränkung: „Auch wenn selbstverständlich die weibliche Berufsbezeichnung verwendet wird, ist die Tischlerei eine Männerdomäne und weibliche Tischlerinnen sind sehr selten.“

Hannah Bartels mit ihrem Gesellenstück. Den Phonoschrank hat sie in 100 Arbeitsstunden gefertigt
Hannah Bartels mit ihrem Gesellenstück. Den Phonoschrank hat sie in 100 Arbeitsstunden gefertigt © Elke Richel | Elke Richel

Muss man als Frau tatsächlich noch immer etwas besser sein, als die männlichen Handwerker? „In meinem Betrieb zum Glück nicht. Aber ich kenne Tischlerinnen, die werden von ihren Kollegen einfach nicht ernst genommen. Irgendjemand bringt immer einen blöden Spruch“, erzählt Hannah Bartels. Die 24-Jährige hat ihre Ausbildung in einem Meisterbetrieb absolviert. Anerkennend streicht ihr Chef Stefan Schacht über das Holz des Phonoschrankes, den seine ehemalige Auszubildende als Gesellenstück abgeliefert hat. „Die Hannah ist eine gute Handwerkerin. Das Mädel hatte sich bei uns beworben und ich dachte: Warum eigentlich nicht? Das habe ich keinen Tag bereut“, sagt er.

Frauen müssen sich den Respekt der Kollegen oft erst erarbeiten

Für Monika Horstmann ist es keine Frage, dass sie in ihrem Betrieb auch Mädchen eine Ausbildungschance gibt. Seit 2008, als ihr Mann plötzlich verstarb, leitet sie die Tischlerei Horstmann in Lauenburg. Die gelernte Schreinerin hatte auch vorher schon im Betrieb mitgearbeitet, bei der Industrie- und Handelskammer in Hamburg Kurse für Betriebswirtschaftslehre absolviert. Ausgebildet wurde in dem Traditionsbetrieb schon immer. Seit Donnerstag haben die ehemaligen Azubis Pascal Simon, Mattes Millert und Judit Sturm ihre Gesellenbriefe in der Tasche.

Zwei neue Azubis haben gerade ihre Ausbildung in der Tischlerei Horstmann begonnen. Mit Johanna Kemmler ist wieder eine junge Frau dabei. Monika Horstmann kann sich noch gut an ihre eigene Ausbildungszeit erinnern. „Ich musste mir den Respekt bei einigen männlichen Kollegen damals erst erarbeiten“, sagt die 53-Jährige. Das tat die zierliche Frau auch, indem sie sich schwere Arbeiten nicht abnehmen ließ. „Mit gewissen Techniken und technischen Hilfsmitteln kann man auch als kleine Frau alles tragen“, sagt sie.

Tischlermeisterin Monika Horstmann mit ihren ehemaligen Auszubildenden Judit Sturm, Mattes Millert und Pascal Simon (v.l.) 
Tischlermeisterin Monika Horstmann mit ihren ehemaligen Auszubildenden Judit Sturm, Mattes Millert und Pascal Simon (v.l.)  © Elke Richel | Elke Richel

„Keine Mädchen – lieber habe ich keine Azubis“

Dass noch heute viele Handwerksmeister Vorbehalte gegen Frauen in ihrem Betrieb haben, hat Monika Horstmann gerade wieder erfahren. „Mit den zwei neuen habe ich derzeit fünf junge Leute in der Ausbildung. Ich konnte in diesem Jahr aus 16 Bewerbungen aussuchen“, erzählt sie. Weil auch gute Offerten dabei waren, die sie nicht berücksichtigen konnte, wollte sie diese gern weitervermitteln. „Ich wusste von einem Meisterbetrieb, bei dem sich in diesem Jahr niemand beworben hat. Ich sagte ihm, er solle sich die Bewerbungen doch mal anschauen. Seine Antwort war nur: Keine Mädchen, lieber habe ich keine Azubis“, ärgert sie sich.

Auch wenn es bundesweit nicht viele Frauen in den Tischlereibetrieben gibt, sind sie mittlerweile gut vernetzt. Auf der Seite www.tischlerinnen.de tauschen sich viele Handwerkerinnen in Regionalgruppen aus. Oft machen sie in den Foren ihrem Ärger Luft. Da geht es unter anderem um Themen wie Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, sexuelle Belästigung oder fehlende Anerkennung ihrer Leistungen.

Ausbildung zur Tischlerin als Karrieresprungbrett

Hannah Bartels aus Kastorf und Judit Sturm aus Lauenburg hatten vor ihrer Ausbildung jeweils ein Praktikum gemacht. Das hat die beiden Frauen in ihrem Berufswunsch bestätigt. Trotzdem kehrt Judit Sturm der Tischlerei Horstmann in Kürze den Rücken. Aber sie wird das, was sie bei Monika Horstmann gelernt hat, in Zukunft gut gebrauchen können. Die Lauenburgerin beginnt ein Studium auf Lehramt. Ihre künftigen Schüler lernen dann bei ihr das Einmaleins der Holztechnik. Ihre Chefin sieht das mit einem weinenden und einem lachenden Auge. „Natürlich hätte ich Judit gern im Betrieb behalten. Aber gute Lehrer für das Handwerk werden auch gebraucht“, sagt sie.

Auch für Hannah Bartels wird sich nach der Gesellenprüfung einiges ändern. Die Ausbildung sei trotzdem das Beste gewesen, was ihr hätte passieren können. „Ich hatte das Abitur in der Tasche und keine Ahnung, was ich studieren soll“, erzählt Hannah. Ihre Oma hätte sie schließlich bestärkt in dem Wunsch, Tischlerin zu werden. Das Gesellenstück hat sie deshalb ihr gewidmet. Auf dem Phonoschrank steht die grüne Lieblingslampe ihrer Oma. Säge und Hobel wird Hannah Bartels jetzt trotzdem erstmal an den sprichwörtlichen Nagel hängen. Sie beginnt jetzt ein Volontariat bei der Verbandszeitung für das Tischlerhandwerk. Ihr Chef Stefan Schacht läßt sie nur schweren Herzens gehen. „Meine Tür steht jedenfalls offen“, gibt er ihr mit auf den Weg.