Büchen/Lauenburg. Schlechte Stimmung auf dem Bahnhof Büchen: Bis zu einer Stunde warten Pendler häufig auf den Erixx. Kritik wird immer lauter.

Auf der Linie RE83 zwischen Lübeck und Lüneburg hält der Ärger der Bahnnutzer an. Der neue Anbieter Erixx Holstein hat eine Woche nach Übernahme der Verbindung von DB Regio seinen Fahrplan massiv zusammengestrichen, um der Vielzahl an Beschwerden zu begegnen. Doch auch nach den Kürzungen zum Wochenanfang kommt es weiter zu Verspätungen und vereinzelten Zugausfällen. Für manche Kunden ist das Ende der Fahnenstange erreicht, wie Anrufe und Mails an unsere Redaktion und eine Umfrage unter Bahnnutzern am Mittwoch früh in Büchen zeigen.

„Man kommt sich schon ein bisschen veräppelt vor, wenn man jeden Tag wegen Erixx zu spät zur Arbeit kommt“, schimpft eine Pendlerin aus Büchen. Die 35-Jährige stand schon mehr als eine Stunde bei Minusgraden auf dem Bahnsteig. Manchmal habe sie Glück, könne bei Arbeitskollegen oder Freunden im Auto mitfahren.

Massive Kritik an Erixx: Mit neuem Fahrplan Anschlusszug nicht zu erreichen

Ole Krüger fährt täglich aus Lauenburg mit dem RE83 nach Büchen, um in den Regionalexpress nach Hamburg umzusteigen. Doch seit am 11. Dezember der Betreiber des RE83 gewechselt hat, habe sich die Lage extrem verschlechtert. „Ich bin extrem unzufrieden“, sagt der 55-Jährige. „Wenn ich nachmittags nach Hause fahre, habe ich keinen Anschluss, weil laut dem neuen Fahrplan mein Anschlusszug drei Minuten früher abfährt, als ich in Büchen ankomme.“

Häufig wisse er nicht, wie er nach Hause kommen soll. „Wenn das so weitergeht, fahre ich wieder Auto.“ Gerade von den Politikern, die von den Bürgern fordern, dass sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen sollen, sei er enttäuscht: „Immer schön den ÖPNV loben, und am Ende kommt nichts Gutes dabei heraus.“

Vor dem Anbieterwechsel kaum Probleme

Auch eine Grundschullehrerin aus Lüneburg ist verärgert: „In den letzten Wochen gab es echt viele Probleme: Der Zug kommt unangekündigt nicht, die App funktioniert nicht und die Kürzung der Fahrpläne ist auch blöd.“ Vor dem Anbieterwechsel sei alles weitgehend reibungslos verlaufen, sagt die Pendlerin, die in Schwarzenbek unterrichtet.

Ein 50-Jähriger Mann dagegen meint, er habe sich schon auf die neuen Bedingungen eingestellt: „Ich bin Verspätungen gewohnt. Ich ärgere mich eigentlich nur noch so richtig, wenn der Zug komplett ausfällt.“ Zu Zeiten des 9-Euro-Tickets seien die Ausfälle und Verspätungen noch schlimmer gewesen, berichtet er.

Schienenverkehr besser nicht privatisieren

Als die Deutsche Bahn noch die Linien RE83 und RB84 betrieben hat, habe es auch schon Probleme gegeben, sagt der Lauenburger Jan Bertermann. Doch mit Erixx werde eine neue Dimension erreicht. Neben Startproblemen von neuen Betreibern sieht der 17-jährige Gymnasiast die Profitorientierung privater Anbieter als Hauptproblem. Dem könne nur begegnet werden, indem der Schienenverkehr zum „öffentlichen Gut“ werde.

Auch Philipp Maurice Lange leidet unter den Verspätungen: „Ich komme oft wegen der Bahn zu spät zur Schule. Vor ein paar Tagen stand ich fast eine Stunde in der Kälte“. Manchmal müsse er frühzeitig den Unterricht verlassen, um einen Bus nach Hause zu bekommen, da auf die Bahn kein Verlass sei. Der Dalldorfer macht am BBZ in Mölln sein Fachabitur.

Strecke war mal eine „Vorzeigeverbindung“

Dass Erixx bei vorhersehbaren Zugausfällen keinen Ersatzverkehr mit Bussen anbietet, empfinden neben dem 20-Jährigen weitere Kunden als Zumutung. Ebenso den Umstand, dass auch diese Woche nach der Fahrplanumstellung wieder Züge ausgefallen sind. „Ich bin ohne Auto. Ich bin daher beruflich wie privat auf funktionierende Bahnverbindungen angewiesen“, sagt Carola Scholz.

Jeweils mehrfach die Woche nutzt die Lauenburgerin die Bahn zu unterschiedlichen Zeiten, um etwa zum Sport nach Lüneburg zu gelangen beziehungsweise in Büchen in einen Zug nach Schwerin zu steigen. „Montag sind morgens und abends erneut Züge ausgefallen, nachdem Erixx die täglichen Verbindungen schon zusammengestrichen hat“, sagt die 53-Jährige.

In der Vergangenheit war sie auf den in Niedersachsen verkehrenden Metronom angewiesen. „Als ich hörte, dass ein Tochterunternehmen die Strecke Lüneburg - Lübeck übernehmen soll, wusste ich, das kann nur schiefgehen.“ Dabei sei diese Strecke zu Zeiten von DB Regio eine Vorzeigeverbindung gewesen. „Zu 99 Prozent hat das ohne Probleme funktioniert.“

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Zuschlag für 13 Jahre trotz Problemen in Niedersachsen

Carola Scholz sieht die Politik, das Land und die Nahverkehrsgesellschaft Nah.SH in der Mitverantwortung. „Erixx hat ein Ausschreibungsverfahren gewonnen und entsprechend lange Zeit gehabt, sich um Personal und Fahrzeuge zu kümmern. Wie kann ich als Bundesland einer Firma den Zuschlag für 13 Jahre geben, die den regulären Betrieb in einem anderen Bundesland nicht aufrechterhalten kann?“

Ein 20-Jähriger Pendler kommentiert beim Einsteigen in die Bahn: „Seit Erixx übernommen hat, ist Zugfahren ein absoluter Witz geworden“.