Lauenburg. Die Straßenbeleuchtung fehlt, und bei Regen rauscht das Wasser über die Grundstücke. Warum die Erschließung noch immer stockt.

Ein Grundstück im Baugebiet Birnbaumkamp zu ergattern, war für Thomas Kowald wie ein Sechser im Lotto. „Meine Frau und ich wechselten beruflich von Berlin nach Hamburg und erfuhren von dem Baugebiet in Lauenburg. Für das Geld, das wir in Hamburg für die Miete zahlen müssten, konnten wir hier bauen“, erzählt der 58-Jährige. Das Paar hatte Glück und sicherte sich eines von 70 Grundstücken im ersten Bauabschnitt.

Doch dann begann der Ärger: Immer wieder stockten die Erschließungsarbeiten für mehrere Monate – ein Zustand, der bis heute anhält. Zuerst hatte es vertragliche Unstimmigkeiten mit den Stadtbetrieben gegeben. Diese hatten das Ackerland von mehreren Eigentümern erworben. Die 100-prozentige Tochter der Stadt wollte die Fläche aber nicht selbst entwickeln, sondern hat die Aufgabe an einen Erschließungsträger übertragen.

Immobilien: Im Lauenburger Neubaugebiet streiten zwei Firmen

Dann begann der Streit zwischen der Firma Werretal aus Herford als Erschließungsträger und der bauausführenden Firma Born Baubetreuung & Objektverwaltung aus Güster.

Im Dezember vergangenen Jahres haben Michael Kowald und seine Frau ihr Eigenheim endlich bezogen, ein Jahr später als ursprünglich geplant. Doch ihre Freude ist getrübt, so wie die vieler Eigentümer im Birnbaumkamp. „Seit wir hier wohnen, passiert nichts an den Außenanlagen. Es gibt weder befestigte Straßen noch Fußwege, von Straßenbeleuchtung und Entwässerung ganz abgesehen. Wenn es stark regnet, fließen hier Sturzbäche über unsere Grundstücke“, berichtet er.

Werretal: „Benutzung der Straßen und Wege auf eigene Gefahr“

Er und seine Frau haben deshalb an Bürgermeister Andreas Thiede geschrieben. Doch dem sind die Hände gebunden. Denn erst wenn die Firma Werretal die Straßen an die Stadt übergibt, erfolgt deren Widmung als öffentlicher Raum. Geregelt ist das im Erschließungsvertrag.

Dieser Kanaleinlauf hat, wie alle anderen im Birnbaumkamp, keine Funktion. Es gibt keine Öffnung in den Abwasserkanal. Bei Starkregen rauschen Sturzbäche über die Grundstücke der Eigentümer. 
Dieser Kanaleinlauf hat, wie alle anderen im Birnbaumkamp, keine Funktion. Es gibt keine Öffnung in den Abwasserkanal. Bei Starkregen rauschen Sturzbäche über die Grundstücke der Eigentümer.  © Elke Richel | Elke Richel

Auch an Werretal hat Kowald geschrieben und nach dem Stand der Dinge gefragt – insbesondere auch unter Hinweis auf die besondere Gefahrenlage durch Stolperfallen auf den unbefestigten Wegen und die fehlende Straßenbeleuchtung. Die Antwort hat dem Berliner fast die Sprache verschlagen: „Bis zur Übergabe der Straßen an die Gemeinde, nach Abnahme des Endausbaus, handelt es sich bei den Verkehrsflächen um Privatstraßen, die von allen Berechtigten auf eigene Gefahr genutzt werden können.“

Eigentümer am Birnbaumkamp unzufrieden

Dem widerspricht Christian Asboe aus der Lauenburger Verwaltung energisch: „Dem ist keineswegs so. Im Erschließungsvertrag ist eindeutig geregelt, dass Werretal bis zur Übergabe der Straßen eine Verkehrssicherungspflicht hat und im Ernstfall auch haftet“, sagt er.

Dass die Formulierung in dem Antwortschreiben an Micheal Kowald und seine Frau so nicht korrekt ist, räumt auch der Geschäftsführer von Werretal, Udo R. Helling, ein. „Dafür haben wir eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen“, sagt er. Mittlerweile ist diese Standardformulierung in der Antwort auf eine Google-Rezension auch entsprechend abgeschwächt worden. Dort häufen sich die negativen Bewertungen von Eigentümern aus dem Birnbaumkamp.

Bei Werretal bestreitet man, den Eigentümern jemals eine Bauzeit „versprochen“ zu haben. „Die Erschließung eines Wohnbaugebietes ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Eine garantierte Bauzeit kann dabei nicht vorhergesagt werden. Das von uns beauftragte Bauunternehmen gibt uns keinen festen Fertigstellungstermin, wenngleich wir natürlich im Werkvertrag eine strafbewehrte Frist zur Fertigstellung vereinbart haben“, heißt es in der Antwort auf den Beschwerdebrief des Ehepaares.

Baufirma spricht von Streitwert im sechsstelligen Euro-Bereich

Am Ende des Schreibens steht dann aber doch ein Fertigstellungstermin: „Der Endausbau der Straßen inklusive der Straßenbeleuchtung soll 2022 durchgeführt werden. Sie werden sich dann an den neuen Anlagen erfreuen können. Bitte haben Sie bis dahin noch ein wenig Geduld“, heißt es.

Bei der Born Baubetreuung & Objektverwaltung nimmt man diese Aussage mit offensichtlichem Erstaunen zur Kenntnis. „Das könnte ja bedeuten, dass endlich Bewegung in die Sache kommt“, sagt ein Mitglied der Firmenleitung. Mit Verweis auf den noch nicht beigelegten Streit mit der Firma Werretal will der Mann seinen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Bei der Benennung der Probleme ist er allerdings weniger zurückhaltend. Angeblich geht es um einen „mittleren sechsstelligen Betrag“, um den sich die Vertragspartner streiten. Die Rede ist von vertraglich vereinbarten Preissteigerungsklauseln, auf die die Born Baubetreuung & Objektverwaltung jetzt besteht. So würden zum Beispiel allein die Schachtdeckel auf den Straßen rund 27.000 Euro mehr kosten, als ursprünglich kalkuliert. „Wir sind an einer einvernehmlichen Lösung mit Werretal interessiert, damit die Arbeiten im Birnbaumkamp auch im Interesse der Eigentümer weitergehen können“, heißt es vonseiten des Bauunternehmens.

Stadt Lauenburg drängt auf Abschluss der Arbeiten

In der Lauenburger Verwaltung ist man verärgert über die stockenden Erschließungsarbeiten im Birnbaumkamp. „Bald werden die Tage wieder kürzer, und es wird abends früher dunkel. Es kann nicht sein, dass die Bewohner des Birnbaumkamp dann noch immer keine Straßenbeleuchtung haben“, sagt Christian Asboe. Eine rechtliche Handhabe gebe es allerdings nicht.

Michael Kowald bereut es trotz allem nicht, sich auf das Abenteuer Eigenheim eingelassen zu haben. Und auch Lauenburg gefällt ihm. „Irgendwann werden wir hier wohl auch zu Hause sein“, hofft er.