Lauenburg. Entlastungspaket der Bundesregierung soll Autofahrern Umstieg auf Bus und Bahn schmackhaft machen. Was wird aus dem Cityticket?
„In Geesthacht ist man schon einen Schritt weiter“, sagt Bernd Dittmer. Lauenburgs ehemalige Bürgervorsteher, der jetzt Mitglied im Seniorenbeirat ist, hat jetzt die Einwohnerfragestunde der Stadtvertretung genutzt, um auf einen Artikel unserer Redaktion hinzuweisen: Am 17. März hatten wir über einen Antrag der Grünen-Fraktion berichtet, außer dem Stadtticket in Geesthacht auch eine günstige Monats- oder Jahreskarte für Fahrten innerhalb der Stadt anzubieten. „In Lauenburg gibt es so etwas nicht“, sagt Dittmer. Aber bald ein anderes Angebot: Deutschlandweit sollen voraussichtlich ab dem 1. Juni alle Monatskarten nur neun Euro kosten – für drei Monate.
„Wir sind am Cityticket dran“, sagt Reinhard Nieberg, Leiter des Stadtentwicklungsamtes. Bereits im August 2021 hatte die SPD beantragt, die Einführung eines City-Tickets zu prüfen. Innerhalb des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) gibt es 17 Kommunen im Umland der Hansestadt, in denen es das Cityticket gibt. Eine Fahrt innerhalb der jeweiligen Tarifzone kostet dann 1,80 Euro. Außer in Geesthacht gibt es diesen günstigen Tarif, der von den jeweiligen Städten subventioniert wird, auch in Schwarzenbek, Mölln und Ratzeburg – aber nicht in Lauenburg. In der Schifferstadt kostet die Einzelkarte 2,40 Euro.
HVV Lauenburg: Auch neue HVV-App wegen 9-Euro-Monatskarte auf Eis gelegt
Allerdings steht eine endgültige Antwort des HVV noch aus. „Wir wurden gebeten, die Anfrage zurückzustellen, weil der Verkehrsverbund mit einer Änderung seiner Tarifstruktur beschäftigt ist“, so Nieberg. Dabei ging es um das Projekt „Any“, das vom HVV als „Ticketing-Revolution“ beschrieben wird. Beim ITS-Kongress (Intelligent Transport Systems), der im vergangenen Oktober in Hamburg tagte, wurde „hvv Any“ erstmals als Live-Demo vorgestellt.
Mit der App wird die Nutzung von Bussen und Bahnen erleichtert, weil der Nutzer kein Ticket mehr kaufen muss: Erst am Ende des Tages wird ab- und der günstigste Preis berechnet. „Es gibt viele Fahrgäste, die am Tagesbeginn noch nicht wissen, ob sie ein, zwei oder sogar mehrere Fahrten mit Bus und Bahnen machen, und die sich am Ende ärgern, weil ein Tagesticket günstiger als viele Einzeltickets gewesen wäre“, erläutert HVV-Sprecher Rainer Vohl die Vorteile. Any richte sich daher auch nicht an Monatskarten-Inhaber, sondern vielmehr an Gelegenheitsfahrer oder Menschen, die vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen wollen. Knapp 2700 Fahrzeuge und mehr als 50 Stationen sowie alle Fähren im HVV-Gebiet wurden dafür bereits mit sogenannten Beacons ausgerüstet. Die kleinen Sender dienen als ortsgenaue Markierungspunkte und werden vom Smartphone des Fahrgasts erkannt, sofern dieser die Any-App installiert hat.
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HVV: 9-Euro-Monatskarte kommt wohl Anfang Juni
Any sollte eigentlich im Frühjahr im Tarifgebiet starten, ist jedoch wie alle übrigen Projekte des HVV derzeit auf Eis gelegt, so Vohl. Denn ein anderes Projekt hat absoluten Vorrang: das 9-Euro-Monatsticket. Zum 1. Juni sollen alle Bürger im Bereich des HVV-Gesamtnetzes für neun Euro im Monat den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen können. „Dann wird auch der Preis aller bestehenden Zeitkarten im HVV für drei Monate automatisch auf je neun Euro pro Monat reduziert“, so Vohl. Abo-Kundinnen und -Kunden müssten dabei nicht selbst tätig werden. Gleichzeitig entfallen in diesem Zeitraum alle Einzel- und Tageskarten, die mehr als neun Euro kosten. Das 9-Euro-Ticket gilt ohne zeitliche Einschränkung im Gesamtnetz des HVV. Wer noch kein Abo-Kunde ist, erhält das Monatsticket über die HVV-Apps sowie den Onlineshop. Grundlage des Tickets ist das Entlastungspaket, das die Berliner Regierungskoalition im März beschlossen hat. Ziel ist, Autofahrern angesichts der hohen Spritpreise ein Angebot zum Umsteigen zu machen. Nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit soll das verbilligte Ticket am 1. Juni starten.
Verkehrsunternehmen sind von 9-Euro-Monatskarte überrascht worden
Von der Idee des günstigen Tickets seien die Verkehrsunternehmen überrascht worden, sagt der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, in einem Interview. „Wir hätten uns gewünscht, dass man diese Vorschläge mit uns diskutiert, um einen praktikablen Weg zu finden“, so der Verbandspräsident. „Wir versuchen jetzt schlichtweg, das Beste draus zu machen. Denn wir wollen nicht, dass die an sich gute Idee am Ende negativ ankommt.“ Eine wichtige Frage sei auch, wie man die Neukunden nach dem Ablauf der drei Monate halten kann. „Das ist eine große Herausforderung“, bestätigt HVV-Sprecher Vohl. So kostet eine Monatskarte im Abonnement für den Bereich Hamburg AB, der die Innenstadt sowie den Außenbereich von Reinbek bis Wedel umfasst, das Zehnfache – nämlich 93,70 Euro. Wer das gesamte Netz nutzen will, zahlt sogar 214,80 Euro.
Auch für Geesthachter und Lauenburger, die bisher für die Einzelfahrt 1,80 beziehungsweise 2,40 Euro zahlen müssen, lohnt sich das 9-Euro-Monatsticket. Was danach kommt, ist noch offen.
ÖPNV Lauenburg: Cityticket kostet Stadt 10.000 Euro jährlich
Für Geesthacht hat Bürgervorsteher Samuel Walter Bauer (SPD) das Einzonen-Ticket der HVV ins Spiel gebracht: Wer nur in Geesthacht und dem unmittelbaren Umland (Zone 606) fahren will, zahlt für das Monatsticket 44,70 Euro. Reduzierungen gibt es für Senioren (32,10 Euro) sowie Azubis (32,90 Euro) sowie mit Teilzeitkarte (32,70 Euro) für alle, die außerhalb der Hauptverkehrszeiten unterwegs sind. Per Anfrage an den HVV soll nun geklärt werden, ob es diese Monatsticket auf Basis des von der Stadt bezuschussten Citytickets geben kann.
Diese Preise gelten auch für Lauenburg. Die dortige Zone 616 umfasst neben Lauenburg auch Lanze, Krüzen, Schnakenbek und Krukow. Allerdings wird in der Schifferstadt der innerstädtische Tarif nicht bezuschusst. Um das Einzelticket auch für 1,80 Euro anbieten zu können, müsste die Stadt etwa 10.000 Euro jährlich zuschießen.