Lauenburg. Das auf Federn gelagerte Schiff kann schweren Seegang ausgleichen. Das Prinzip des Prototyps ist einfach – und verblüffend.
Hohe Wellen, schwere See – aber an Bord ist davon nichts zu spüren. Nicht nur für Menschen, die leicht seekrank werden, dürfte dies ein schöner Gedanke sein. Auch Lotsen oder Arbeiter auf Bohrinseln oder Offshore-Windkraftanlagen könnten so sicherer zu ihren Arbeitsstätten übersetzen. Im nächsten Jahr soll das weltweit erste federgelagerte Arbeitsschiff zu Wasser gelassen werden. Gebaut wird es auf der Hitzler-Werft in Lauenburg.
Hitzler-Werft in Lauenburg baut Prototypen
Die Wallaby Boats GmbH aus Kappeln hat sich als Produktionspartner für den Bau ihres Prototypen WB-18 für die Werft in Lauenburg entschieden. Das technische Prinzip des Schiffs ist ebenso einfach, wie verblüffend effektiv: Die Rümpfe des Katamarans sind vom Brückendeck, dem sogenannten Chassis, getrennt und über vier Federbeinkonstruktionen mit diesem verbunden.
Vorbild für die Konstruktion waren Offroadfahrzeuge der Automobilindustrie. Dank dieser Technik soll es möglich sein, den Einfluss des Seegangs auf die Personen an Bord um mindestens 40 Prozent zu reduzieren.
Wirtschaftsminister Buchholz bei Vertragsabschluss
Den Kooperationsvertrag unterzeichneten gestern die Geschäftsführer Eike Kristian Höper, und Harald Hübner von der Wallaby Boats GmbH sowie Marek und Kai Klimenko für die Hitzler Werft. Dass auch Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz dafür extra aus Kiel angereist war, zeigt, welche Bedeutung das Land der innovativen Technik zuschreibt. „Das Start-up Wallaby Boats zeigt, wie innovativ und wettbewerbsfähig unser Mittelstand im echten Norden ist. Gerade als Technologieminister freut mich das sehr“, lobt Buchholz. Das Schiffbauunternehmen Wallaby Boats GmbH ist Anfang 2021 eigens für die Entwicklung und den Bau der gefederten Schiffe gegründet worden.
„Wir freuen uns, von der Wallaby Boats GmbH ausgewählt worden zu sein. Das Projekt und die Philosophie des Unternehmens passen sehr gut zu unserem Betrieb und unseren Zielen“ , erklärte der Chef der Werft, Marek Klimenko.
Die Zusammenarbeit der beiden norddeutschen Unternehmen soll keine Eintagsfliege sein. Nach der Fertigstellung des Prototypen will Wallaby Boats die Lauenburger Werft auch mit der Serienfertigung des Katamarans beauftragen. „Der Standort in Lauenburg an der Elbe mit seiner vorhandenen Infrastruktur bietet uns alle Möglichkeiten, diesen innovativen Prototypen zu fertigen, aber auch große Stückzahlen in einer folgenden Serienfertigung zu realisieren“, sagt Eike Kristian Höper.
Firmengründer brauchten zunächst langen Atem
Die beste Idee nutzt nichts, wenn man für seine innovativen Pläne keine Partner an seiner Seite hat, die daran glauben. „Schon 2015 habe ich mit der Arbeit an diesem Projekt begonnen. Mein gesamtes Team engagiert sich für dieses Projekt und wir sind davon überzeugt, dass wir mit der Hitzler Werft in Lauenburg den besten Produktionspartner gefunden haben“, berichtet Harald Hübner, Geschäftsführer und Inhaber der Offcon GmbH, aus der die neue Firma hervorgegangen ist.
Doch der Weg zu diesem entscheidenden Schritt war steinig. Einige Jahre hatte Hübner versucht, über die Offcon GmbH das Projekt mit Industriepartnern zu realisieren. Es gab großes Interesse, aber niemand wollte bereits im Konzeptstadium einsteigen. Schließlich ist es die Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein gewesen, mit deren Hilfe aus dem Konzept ein erster Entwurf entstand.
EnBW sucht nach solchen Lösungen
Mit diesem Fortschritt weckte das Projekt Interesse bei großen Industriepartnern. Der Carbon Trust, eine Stiftung, die sich für erneuerbaren Energien engagiert, wurde aufmerksam. Es begann eine lange Reihe von Vorstellungs- und Entwicklungsrunden, die insgesamt zwei Jahre dauerte. Doch das nutzte alles nicht: Die Stiftungspartner fanden keine Einigung über ein gemeinsames Engagement.
Doch wo eine Tür schließt, tut sich manchmal eine andere auf: Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) suchte nämlich nach genau solchen Lösungen für ihre Windparks in der Ost- und Nordsee sowie für geplante Windparks vor Schottland, auf der Doggerbank und vor den Küsten der USA.
Chartervertrag sichert das Projekt langfristig ab
Glück für die mutigen Unternehmer: Die EnBW ging für den noch nicht existierenden Prototypen einen mehrjährigen Chartervertrag ein und war bereit, einen Teil der Charter bereits während der Bauphase zu leisten.
Auch die Schleswig-Holsteinischen Banken zeigten sich interessiert. Ein Engagement der Förde Sparkasse oder der IBSH (Investitionsbank Schleswig-Holstein) setzte allerdings einen privaten Investor voraus. Diesen fanden Höper und Hübner in Unternehmer Achim Fölster. Damit nahm das Projekt endlich Fahrt auf. Innerhalb weniger Wochen stand die Finanzierung des Projektes und die Arbeit konnte beginnen. „Ich freue mich, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann, dieses innovative Schiffbauprojekt in Schleswig-Holstein umzusetzen und es im internationalen Markt zu platzieren“, sagt Achim Fölster, der als Investor und Mitglied der Baltic Business Angels das Millionenprojekt sowohl finanziell als auch mit Managementerfahrung unterstützt.
Im Juni wurde Planierschiff zu Wasser gelassen
Erst seit Ende April dieses Jahres führt Marek Klimenko gemeinsam mit seinem Sohn Kai Klimenko als Inhaber die Lauenburger Werft. 50 fest angestellte Mitarbeiter arbeiten derzeit auf der Werft. Die beiden Firmenchefs sind sich einig, dass der innovativen Schifffahrt die Zukunft gehört. Im Juni 2021 wurde in der Hitzler-Werft ein Planierschiff zu Wasser gelassen, das die Hamburg Port Authority (HPA) in Lauenburg fertigen ließ.
Das Arbeitsschiff wird derzeit mit einem der modernsten und umweltfreundlichsten Antriebe ausgestattet, die es heutzutage gibt. Das Schiff verfügt über einen Hybridantrieb, kann sowohl mit einem Verbrennungsmotor wie auch elektrisch angetrieben werden. Der federgelagerte Katamaran soll im zweiten Quartal 2022 zu Wasser gelassen werden.