Hamburg. Die beiden Hamburger Firmen zogen wegen Streit um den Bau dreier Plug-in-Hybrid-Fähren vor Gericht. Nun steht der Gewinner fest.
In Hamburgs maritimer Wirtschaft tobt ein sonderbarer Rechtsstreit. Ausgetragen wird er von zwei Unternehmen, deren Dasein eng mit der Stadt verbunden ist und deren Wirken die Hamburger Wirtschaft seit vielen Jahrzehnten prägt.
Der eine Kombattant ist Deutschlands ältester Schiffbaubetrieb, die Pella Sietas Werft in Neuenfelde, der andere die Hadag Seetouristik, seit ihrer Überführung in die staatliche Hand 1921 die Betreiberin aller öffentlichen Fährverbindungen im Hamburger Hafen. Beide Firmen streiten seit Monaten um den Auftrag zum Bau neuer Fähren, und zwar auf eine Art und Weise, die nun auch das Hanseatische Oberlandesgericht zum Eingreifen veranlasst hat.
Hadag steigt in Umstellung auf Elektromobilität ein
Es geht um den Bau dreier Plug-in-Hybrid-Fähren, die sowohl elektrisch als auch mit Verbrennungsmotor fahren können. Mithin geht es aber um wesentlich mehr: denn der Bestellung könnten weitere Orders folgen. Es ist der Einstieg der Hadag in die Umstellung ihrer Flotte auf Elektromobilität. Ein lukrativer Auftrag, um den sich neben anderen Schiffbauern auch Hamburgs Traditionswerft Pella Sietas beworben hat.
Diese rechnete sich gute Chancen aus, zumal sie zuletzt die Überholung und den Neubau einiger bestehender Hafenfähren übernommen hatte und damit schon fast als Heimatwerft der Hafenfähren gelten darf. Doch die Ausschreibung endete für die ambitionierten Schiffbauer mit einer herben Enttäuschung. Nicht nur, dass die Hadag dem Gebot der Pella Sietas das eines Konkurrenzbetriebs aus Tangermünde vorzog. Ein Nachprüfungsantrag der Werft vor der Vergabekammer blieb erfolglos. Mehr noch: Die Hadag schloss die Hamburger Werft vom Verfahren aus.
Traditionswerft Pella Sietas zog vor Oberlandesgericht
Die völlig konsternierten Schiffbauer bei Pella Sietas zogen dagegen vor das Hanseatische Oberlandesgericht, und das hat jetzt die Entscheidung der Vergabekammer gekippt und der Hadag eine empfindliche Niederlage zugefügt. Zwar stören sich die Richter nicht daran, dass der Auftrag an den Konkurrenten, die SET Schiffbau- und Entwicklungsgesellschaft Tangermünde, vergeben wurde. Deren Angebot war etwas günstiger.
Die Richter bemängeln vielmehr, wie mit der Pella Sietas Werft in dem Verfahren umgegangen wurde. Insbesondere die Kriterien, die zum Ausschluss der Hamburger Werft geführt haben, sind dem Gericht suspekt. Unter anderem sticht den Juristen eine Forderung ins Auge, wonach das Gebot auf die Hadag zugeschnitten sein müsse: „Soweit ein Zuschnitt auf die Hadag gefordert wird, konnte ein Bieter ohne nähere Erläuterung wohl nur rätseln, was damit gemeint sein könnte“, lautet es im Urteil, das dem Abendblatt vorliegt.
Kryptische Forderungen der Hadag
Gleiches gilt für die Forderung der Hadag zur „Vermeidung eines administrativen Aufwandes“ durch das Gebot. „Es bleibt völlig unklar, inwieweit der Bieter – ohne Kenntnisse der internen Abläufe der Antragsgegnerin – es in der Hand hätte, durch die Gestaltung seines Angebotes Einfluss darauf zu nehmen, welcher administrative Aufwand bei der Antragsgegnerin anfällt“, so die Richter.
Lesen Sie auch:
- Neues Duo an der Spitze: Vater und Sohn führen Hitzler-Werft
- Thomas Kunadt: Hamburgs größter Schiffskenner hört auf
- Deutsche Werften in der Krise – aber Lichtblicke in Hamburg
Mit deutlichen Worten weisen diese zudem die Argumente zurück, mit denen die Hadag die Pella Sietas Werft von dem Verfahren ausgeschlossen hat. Denn das öffentliche Fährunternehmen hat die Befähigung der Werft infrage gestellt, einen solchen Auftrag überhaupt ausführen zu können. Das ist umso erstaunlicher, als die Hadag mit dem Bau ihrer jüngsten Fähren der Baureihe 2020 noch Pella Sietas beauftragt hatte.
Gericht weist Hadags Argumente zurück
Nun verwies die Hadag auf Zeitungsartikel, in denen der Werft vorgeworfen wird, durch „schuldhaftes Verhalten“ bei anderen Bauprojekten Liefertermine nicht eingehalten zu haben. Das Gericht weist die Vorwürfe zurück.
Auch heimliche Recherchen der Hadag bei Lieferanten der Werft, die eine Strafanzeige wegen ungerechtfertigter Lieferungen gestellt haben wollen, lassen die Richter nicht gelten. Es sei auszuschließen, dass der Hadag, „die jedenfalls in Hamburg allgemeinkundige Tatsache verborgen geblieben sein könnte, dass die Werftbranche insgesamt und speziell auch die Antragstellerin sich in wirtschaftlich schwieriger Lage befindet“, meint das Gericht.
Keine Auskunft von Hadag und Pella Sietas
Doch woher kommt die plötzliche Abneigung der Hadag gegenüber der Pella Sietas Werft? Der zur Hamburger Hochbahn gehörende Fährbetreiber will dazu nichts sagen. Vorstand Tobias Haack, dessen Vertrag vor Kurzem vorzeitig um weitere fünf Jahre verlängert wurde, sagte lediglich: „Die Hadag wird das Urteil intern prüfen und beizeiten über die weiteren Schritte im Beschaffungsprozess entscheiden.“
Auch die Werft gibt sich wortkarg: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir den Beschluss und das Verfahren öffentlich nicht kommentieren können. Das Einzige, was ich sagen kann: Wir sind natürlich weiterhin der Meinung, dass Schiffe, die in Hamburg fahren sollen, auch in Hamburg gebaut werden sollen“, sagt Pella-Sietas-Direktorin Natallia Dean.
Urteil zugunsten der Hamburger Werft Pella Sietas
Deutlich wird dafür der Rechtsberater der Neuenfelder Werft, Daniel Soudry: „Das Gericht hat die Wertungskriterien, nach denen die Angebote bewertet wurden, für vergaberechtswidrig erklärt. Diese seien unklar und damit für die Bieter nicht nachvollziehbar gewesen. Das Gericht hat zweitens die Hadag als Auftraggeberin dafür gerügt, dass sie erstmals im Nachprüfungsverfahren versucht hat, die Pella Sietas Werft mangels Eignung von der Auftragsvergabe auszuschließen. Hierfür gab es keinen sachlichen Grund, das war rein verfahrenstaktisch begründet.“ Das Gericht habe dazu sehr deutliche Worte gefunden.
Für Pella Sietas sei das Urteil ein voller Erfolg, so Soudry. „Die Hadag muss nun ihre Vergabekriterien überarbeiten und den Bietern die Möglichkeit geben, neue Angebote abzugeben. Zudem trägt sie die Kosten des Verfahrens.“