Lauenburg. Seit vier Jahren ist Sara Burghoff Pastorin in Lauenburg und setzte in der Schifferstadt Zeichen. Wohin es die 37-Jährige zieht.

Sara Burghoff hat zwei neue Ohrstecker, gekauft im Altstadt-Atelier Flitter & Tand. Auf den ersten Blick sehen die aus wie silberfarbene Himbeeren. Doch die Künstlerin Daniela Toebelmann hatte bei dem Motiv etwas ganz anderes im Sinn.

„Ich habe das Kopfsteinpflaster der Elbstraße an den Ohren. Hier habe ich schließlich laufen gelernt“, erklärt die Pastorin der evangelischen Kirchengemeinde lachend. Vielleicht gerade deshalb zieht es sie nun weiter. Um im Bild zu bleiben: Sara Burghoff tauscht das spröde Lauenburger Pflaster gegen feinsandigen Strand. Sie hat sich auf eine ausgeschriebene Pastorenstelle in Flensburg beworben – und wurde angenommen.

Pastorin Sara Burghoff nimmt Abschied von Lauenburg

Dass die heute 37-Jährige in Lauenburg, die 2017 in der Schifferstadt begann, ihre ersten Schritte machte, ist übrigens nicht wörtlich gemeint. Aufgewachsen ist sie nämlich in Berlin und eigentlich wurde ihr das Thema Kirche überhaupt nicht in die Wiege gelegt. „Ehrlich gesagt, war meine erste Zuwendung zur Religion eine Art pubertäres Aufbegehren. Das änderte sich dann aber schnell, weil ich einen tollen Religionslehrer hatte. Von ihm habe ich gelernt, dass das Christsein vor allem bedeutet, Fragen zu stellen.

Fragen stellen, Zweifel zulassen und sich selbst hinterfragen – für die junge Pastorin sind das keine Tabuthemen. Besonders in den Sozialen Netzwerken scheut sie sich nicht davor, ihre persönlichen Gedanken mitzuteilen. Selbst, wenn sie zweifelt, für ihren dreieinhalbjährigen Sohn eine perfekte Mutter zu sein, teilt sie diese Gedanken offen mit anderen.

Aktiv und offen in den Sozialen Medien, kritisch gegenüber der Kirche

Auch mit ihrer Kirche geht sie nicht unkritisch um. „Sich hin und wieder updaten. Kontinuierlich verändern, um dranzubleiben an dem, was die Menschen bewegt. Ich glaube ja, dass das in Gottes Sinne ist. Denn der war schon immer mehr Prozessbegleiter statt zu sagen: So ist es. So bleibt es“ schreibt sie auf ihrem Facebook-Profil.

Eckt man mit dieser Einstellung in einem traditionellen Städtchen nicht eher an? „Martin Luther zum Beispiel war ja auch ein krasser Zweifler. Daran möchte ich mich orientieren. Das schließt ein, der Kirche immer wieder Fragen zu stellen. Nur das bringt uns ja nach vorn“, ist sie überzeugt.

Kreatives Potenzial wecken, gerade auch in der Corona-Krise

Lauenburg hat viele Facetten für die junge Pastorin. „Ganz viele Menschen versuchen hier Neues. Scheitern auch, und fangen wieder von vorn an“, sagt sie. Sie selbst hat als umtriebige Pastorin mit vielen neuen Ideen zum Beispiel den Literaturgottesdienst erfunden: Sie liest aus einem Buch, dass sie berührt. Der biblische Bezug findet sich, ohne sich aufzudrängen. „Erst kamen nur wenige Menschen, später dann sogar solche, die mit Kirche bisher nichts am Hut hatten“, erzählt sie.

Was sie an der Lauenburger Gemeinde besonders mag? „Es gibt ganz viele Möglichkeiten und niemand legt Steine in den Weg. Für die digitalen Gottesdienste zum Beispiel haben wir wunderbare technische Möglichkeiten. Davon können andere Gemeinden nur träumen“, schwärmt sie.

Mit neuen Angeboten Menschen erreichen, die sonst nie die Kirche aufsuchen

„Wir erreichen damit Menschen, die eine Kirche sonst wohl nie aufsuchen würden“, hat sie festgestellt. Sie will andere mitziehen – bei den Kochabenden zum Beispiel, die sie auch schon virtuell angeboten hat. „Es macht mir Spaß, kreatives Potenzial zu wecken, gerade auch in der Krise“, sagt sie. Sara Burghoff ist keine, die mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält. Das polarisiert.

Wenn es sein muss, ist sie in Lauenburg mit der Rasierklinge unterwegs, um rechte Parolen von Laternenmasten zu kratzen, und sie scheut sich auch nicht, bei der Polizei auf der Matte zu stehen, um die Schmierer anzuzeigen.

Wochenend-Ehe mit ihrem Mann wird im hohen Norden ein Ende finden

„Nicht schreiben, dass ich Lauenburg verlasse“, bittet Sara Burghoff. Sie gehe den Weg nur einfach weiter. In Flensburg wird sie mit zwei Kolleginnen arbeiten. „Ich glaube, wir werden ein gutes Team sein“, sagt sie.

Ihr Mann habe in der Nähe einen Job gefunden, die Wochenend-Ehe damit endlich ein Ende. Lauenburg nimmt sie mit – nicht nur das spröde Kopfsteinpflaster, aus dem ihre Ohrstecker sind.