Lauenburg. Mit den Flaggen vor dem Schifferhaus will Sönke Ellerbrock Mut in der Corona-Krise machen. Den Maibockanstich gibt’s digital.

Vom anderen Elbufer aus betrachtet, könnte man meinen in Lauenburg werden gerade Entscheidungen von internationaler Bedeutung getroffen. Weithin sichtbar ist der zwölf Meter hohe Mast vor dem Alten Schifferhausmit Flaggen aus aller Herren Länder. Zugegeben, das ist ein bisschen übertrieben, aber wer genau hinschaut, erkennt neben der deutschen Fahne, die der meisten Bundesländer. Außerdem die skandinavischen Nationalflaggen und noch so einige, die man nicht sofort zuordnen kann.

Nicht alle finden auf dem Hauptmast Platz. Ringsrum gibt es weitere Masten und auch das Schifferhaus selbst ist geschmückt.

Lauenburger Flaggenparade als Mutmacher für kriselnde Gastronomie

Wo welche Flagge weht, das überlässt Wirt Sönke Ellerbrock keineswegs dem Zufall. „Ganz oben auf dem großen Mast weht immer die wichtigste“, erklärt er die Familientradition. Da müssen die Lauenburger diesmal ganz schön schlucken: An der Spitze des Mastes weht nämlich nicht etwa die schwarz-gelbe der alten Schifferstadt, sondern die aus der niedersächsischen Gemeinde Echem.

„Ja, ist ein bisschen schief gelaufen in diesem Jahr“, sagt der Schifferhaus-Wirt lachend. Tradition sei es nämlich eigentlich, dass der Lauenburger Bürgermeister zu Saisonbeginn eine Stadtfahne spendiert. „In der Verwaltung hatte man in diesem Jahr den Kopf wohl voll, da ist das untergegangen“, vermutet Ellerbrock. Eingesprungen ist der ehemalige Lauenburger Bürgermeister Harald Heuer, der zwar in Echem wohnt, aber immer noch einen besonderen Draht zu den Wirten in der Schifferstadt hat.

Mit den Flaggen erwacht Lauenburg aus dem touristischen Winterschlaf

Die Tradition der Flaggenparade stammt von Rudolf Ellerbrock, der 1968 mit seiner Frau Hannelore das Restaurant „Zum alten Schifferhaus“ gepachtet hatte. Zwar stammte das Ehepaar ursprünglich aus Georgswerder, aber bald war das Wirtspaar in Lauenburg eine feste Institution: Stammtische gründeten sich, der örtliche Schifferverein fand dort sein Vereinslokal – und wer einmal die deftige Hausmannskost von Hannelore probiert hatte, kam immer wieder.

Wenn der Wirt des Schifferhauses im Frühjahr die Stühle auf die Terrasse stellte, erwachte Lauenburg aus dem Winterschlaf. „Bald kamen die Stammgäste von überall her. Manche brachten ihre Fahne mit. Irgendwann wurden es immer mehr und ein großer Mast musste her“, erinnert sich Sönke Ellerbrock, der damals noch ein Teenager war. „Wenn mein Vater seinen Mast geflaggt hatte, begann die Saison des Schifferhauses. Und der Fremdenverkehr in der Stadt ging auch wieder los“, erzählt er.

Warum die große Mühe im geschlossenen Betrieb? „Jetzt erst recht!“

1988 hat Sönke Ellerbrock das Schifferhaus von seinen Eltern übernommen – und damit auch die Tradition. Mittlerweile sind einige Stoffe dazugekommen. „Meine Gäste freuen sich, wenn sie die Flagge ihres Bundeslandes oder gar ihres Landes sehen“, sagt er.

Selbst im vergangenen Jahr hat Sönke Ellerbrock die Tradition nicht ausfallen lassen. Der eigentliche Saisonstart fiel mitten in den ersten Lockdown, von Gästen war weit und breit nichts zu sehen. Und auch in diesem Jahr macht ihm Corona einen Strich durch die Rechnung. Aber auch wenn ihm – wie allen Gastronomen – das Wasser bis zum Hals steht, hält er an der Tradition fest. „Manche Leute haben mich gefragt, warum ich mir die Mühe mache. Denen sage ich: ,Jetzt erst recht!’“

Fangemeinde wächst: Der singende Wirt gibt kleine Onlinekonzerte

Wenn die Flaggen vor dem Schifferhaus wehen, dann denkt Sönke Ellerbrock oft an seinen Vater. Für den sei aufgeben nie eine Option gewesen. „Er hat mir ein Lebensmotto mit auf Weg gegeben: Kopf hoch, Mütze gerade rücken, weitermachen!“, erzählt der Schifferhaus-Wirt. Mit den Flaggen, die in Lauenburg weithin zu sehen sind, will er nicht nur sich selbst Mut machen. „Mir ist wichtig zu zeigen, wir sind noch da“, sagt er.

Wann die Saison in diesem Jahr beginnt, steht für Sönke Ellerbrock noch in den Sternen. Bis dahin legt er die Hände aber nicht in den Schoß. Das übrigens im wahrsten Sinne des Wortes. Mehrmals in der Woche haut der singende Wirt in die Tasten. Seine kleinen Onlinekonzerte haben mittlerweile eine riesige Fangemeinde.

An diesem Sonntag gibt es erstmals einen virtuellen Maibockanstich

Und weil der traditionelle Mai­bockanstich auch in diesem Jahr ausfallen muss, hat er sich etwas Besonderes ausgedacht: Am kommenden Sonntag, 2. Mai, ab 12 Uhr, gibt es den ersten virtuellen Mai­bockanstich. Stimmungsvoll wie immer, nur das Bier muss sich jeder selbst besorgen. Den Link dazu gibt es dann auf der Facebook-Seite des Schifferhauses und auf der Webseite www.schifferhaus.de.

Dort gibt es auch alle Informationen, welche Speisen das Schifferhaus auf Vorbestellung zum Mitnehmen anbietet.