Lauenburg/Witzeeze. Die Schleusen am Elbe-Lübeck-Kanal arbeiten ohne Fremdenergie. Jetzt sollen sie modernen Neubauten weichen. Aus welchem Grund?

Es ist ein Idyll und Anziehungspunkt für Touristen sowie Liebhaber alter Bauten und Technik: die Schleusenanlage in Witzeeze samt der Stahlbrücke über den Elbe-Lübeck-Kanal . „Ein wahres Schmuckstück“, findet Dr. Heinz Klöser, Kanalexperte beim BUND Herzogtum Lauenburg. Umso unverständlicher sei es, dass ein großer Teil des Ensembles – wie alle weiteren fünf Schleusen zwischen Lauenburg und Lübeck – i m Zuge des Kanalausbaus abgerissen und durch einen „gesichtslosen Neubau“ ersetzt werden soll . Dabei seien die Schleusen allesamt im Grunde Industriedenkmäler, die es zu erhalten gelte, befindet er.

Klöser begründet das mit der einzigartigen energiesparenden Technik der sogenannten Hotoppschen Schleusen, benannt nach ihrem Erfinder, Friedrich August Hotopp. Der Wasserbauingenieur entwarf Ende des 19. Jahrhunderts die Betriebseinrichtungen aller Schleusen am Elbe-Lübeck-Kanal. Anfangs waren es sieben Bauten inklusive der Lauenburger Schleuse, die jedoch bereits 2006 durch einen Neubau ersetzt worden ist.

Hotoppschen Schleusen werden im Zuge des Kanalausbaus abgerissen

Entlang des Elbe-Lübeck-Kanals gab es zur Zeit des Kanalbaus im Jahr 1895 noch keine Stromversorgung. Aus dem Grund hat Hotopp ein mechanisches System entwickelt, das ohne Fremdenenergie wie Strom oder Dampfkraft auskommt. Die Schleusenkammern werden allein durch das Ausnutzen der Wasserstandsdifferenz gefüllt und entleert. Ebenso wird das Öffnen und schließen der Schleusentore auf rein pneumatisch-hydraulischem Weg durch Druckluft bewerkstelligt. In Zeiten des Klimawandels ein laut Experten energetisch hochinteressantes Verfahren.

„Der Abriss der Schleusen ist eine Schande“, kritisiert Kanalexperte Klöser. „Das ganze Ensemble in Witzeeze ist erhaltenswert – allein schon wegen der ausgefeilten Technik.“

Weltweit existieren nur acht Hotoppsche Schleusen

Werner Hinsch ist Archivleiter des Lauenburger Elbschifffahrtsarchivs und Schleusenexperte.
Werner Hinsch ist Archivleiter des Lauenburger Elbschifffahrtsarchivs und Schleusenexperte. © BGZ | Frauke Maaß (FMG)

Das bestätigt Werner Hinsch, Leiter des Elbschifffahrtsarchivs in Lauenburg. Der 81 Jahre alte gelernte Schiffbauer und spätere Bauleiter bei der Hitzler-Werft in Lauenburg kennt sich mit Schleusen aus. Mit großen ebenso wie mit kleinen. „Die Hotoppschen Schleusen sind einmalig, es sind nur sehr wenige Schleusen nach dem Prinzip gebaut worden“, weiß er. Laut Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt existieren weltweit acht Hotoppsche Schleusen, sechs noch am Elbe-Lübeck-Kanal, eine am Oder-Spree-Kanal und eine in Kanada. Dass sich die Technik nicht durchgesetzt hat, wundert Hinsch.

Die Pläne der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die Schleusen im Zuge des Kanalausbaus zu ersetzen, seien absurd. „Ich sehe keinen akuten Anlass für Neubauten“, sagt Hinsch. Immerhin würden die Schleusen seit Jahrzehnten einwandfrei funktionieren, und die Größe der Schleusenkammern sei mit 80 mal zwölf Metern ausreichend für die wenigen Schiffe, die den Kanal noch als Transportweg nutzten.

Die Zahlen aus 2019 mit nur 1086 Frachtern, die die Lauenburger Schleuse passiert haben, und als Tiefpunkt in der Geschichte des Elbe-Lübeck-Kanals gelten, hätten die Tendenz aufgezeigt. Hinsch: „Kritisch könnte es nur werden, wenn die jetzige Flotte durch neue, längere Schiffe ersetzt wird.“

  • Denkmal oder nicht?

Wie Bastian Müller vom Denkmalschutzamt in Kiel verriet, gibt es erste, aber noch inoffizielle Überlegungen, eine der Hotoppschen Schleuse zum Industriedenkmal zu deklarieren. Witzeeze stehe durchaus zur Debatte. Aber es sei zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt, ob damit ein Abriss noch verhindert werden könnte. Das käme auf den aktuellen Planungsstand des Kanalausbaus an.

Wie berichtet , ist der Neubau der alten Schleusen ein wesentlicher Teil des Kanalausbaus. Im Bundeshaushalt für das kommende Jahr sind 13 Millionen Euro für Planungen und Vorarbeiten eingestellt. Zu den ersten Arbeiten gehören Umweltgutachten und Bodenproben, die für das Planfeststellungsverfahren notwendig sind.