Hamburg. Die Mini-Ritterburg an der Poppenbütteler Schleuse versinkt im Gestrüpp von Vorschriften und politischem Gerede.

Ein Nein ist eine klare Sache. Jeder weiß, woran er ist, und es in der Regel offensichtlich, was man tun müsste, um es vielleicht doch noch in ein Ja zu verwandeln. Bei einer weichen Mauer aus Wohlwollen ist das völlig anders. Es gibt keine Reibungsflächen und keine Ansatzpunkte. Alle lächeln und stehen fest auf der Bremse.

Das Poppenbütteler Alsterschlösschen Burg Henneberg ist der kulturelle Mittelpunkt des Dorfs an der Schleuse und kann sich vor Wohlwollen kaum retten. Deshalb droht ihm der Untergang. Nach vier Jahren Zuspruch von Kommunalpolitik und Bezirksverwaltung, Kulturbehörde und Finanzsenator hat sich nichts bewegt.

Burg Henneberg steht vor dem Aus

Die 1887 errichtete denkmalgeschützte Burg ist ein Miniaturnachbau des aus dem 11. Jahrhundert stammenden thüringischen Familienstammsitzes der Hennebergs im Maßstab 1:4. Der Alstertaler Zweig um Clanchef Albrecht Henneberg, der sich um 1850 im großen Stil Ländereien zum „Marienhof“ zusammengekauft hatte, brauchte einen Höhepunkt für seinen englischen Garten.

Am Alsterlauf ließ er den Hügel Henneberg aufschütten und das Kleinod bauen, gerade mal 43 Quadratmeter groß. 2013 kauften Miram und Jens Helge Hager das heruntergekommene Gemäuer mitsamt dem 3000 Quadratmeter großen Parkgrundstück, bewahrten es vor dem Abriss und richteten es als Ort für Kulturveranstaltungen her.

500 Konzerten, Liederabenden und Lesungen seit 2014

Die Menschen dankten es und kamen seit 2014 zu gut 500 Konzerten, Liederabenden und Lesungen etc. in die magische Burg mit dem bis zu 50 Plätze großen „Rittersaal“ und zahlten dafür - nichts. Denn Einnahmen dürfen die Burgherren nicht generieren. Das verbieten grundbuchliche Einschränkungen. Nur Spenden an die „Stiftung Burg Henneberg“ sind erlaubt. Ein Graubereich auf rechtlich dünnem Eis.

Zum steuerlichen Risiko kommen jetzt noch coronabedingte Einschränkungen. Zu viele. Der Betrieb ruht derzeit. Die Hagers wollen nach vier Jahren Bittstellerei das wachsende wirtschaftliche Risiko nicht mehr tragen und die Verbote im Grundbuch gestrichen sehen. Wohnen und insbesondere Gewerbe soll auf der Burg wieder zugelassen werden. Begünstigte im Grundbuch ist die Stadt und damit letztlich die Finanzbehörde. Ihr Senator Andreas Dressel (SPD) will dem Anliegen der Hagers entsprechen. Aber bisher wirkte er eher im Hintergrund, und er ist nicht der einzige Akteur.

Regionalausschuss Alstertal soll über Zukunft der Ritterburg entscheiden

Offiziell entscheiden soll der Regionalausschuss Alstertal. Ein Unterausschuss der formal bloß beratenden Bezirksversammlung. Ein Gremium, das im Normalfall froh sein kann, wenn die Verwaltung ihm Anfragen vollständig beantwortet, soll jetzt sagen, was die mächtige Behörde tun soll. Verzichten?

Im Regionalausschuss sind fast alle dafür und voll des Lobes für das erfolgreiche Kulturschlösschen. Das ist die offizielle Version. Doch nach langem Hin und Her ermittelten die Feierabend-Politiker, dass nach der Löschung der hinderlichen Einträge im Grundbuch ja immer noch gefragt werden kann, ob es nicht noch andere Regeln gibt, die eine gewerbliche Nutzung der Burg verhindern. Was privatrechtlich erlaubt ist, kann nach öffentlichem Recht immer noch unzulässig sein. Die AfD erhob gar europarechtliche Bedenken.

„Wir haben keinen Bock mehr“

Mittlerweile überwiegt der Frust. „Wir haben keinen Bock mehr“, hieß es hinter vorgehaltener Hand aus der Kommunalpolitik. „Es dreht sich alles im Kreis. Wir wollen ja, dass die Burg überlebt. Aber wir sind am Ende bei einer rechtlichen Frage angelangt und haben nicht die Expertise, sie zu beantworten. Das muss das Bezirksamt tun.“

Letztlich sei es die Verwaltung, die eine gewerbliche Nutzung der Burg neben dem Restaurant an der Poppenbütteler Schleuse erlauben oder eben dagegen vorgehen müsse. Kein Politiker dürfe beschließen, ob jemand das Recht einhalte oder übertrete.

Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) erklärte, dass das derzeit für das Grundstück der Burg geltende Baurecht keine gewerbliche Nutzung zulasse. Die von Hagers seit einem Jahr beantragte Streichung der grundbuchlichen Einschränkungen allein würde praktisch nichts ändern. Warum eine Reform des Baurechts nicht angedacht bzw. verworfen wurde, sagte er nicht. Er verwies auf den Regionalausschuss, der im Dezember erneut zum Thema beraten werde.

Wunsch: Limitierung der Veranstaltungen auf 80 pro Jahr

Die Politiker des Regionalausschusses haben einen „Wunschzettel“ erarbeitet, der die Burg als Kulturstätte sichern soll und zu dem parteiübergreifend alle Ausschussmitglieder etwas beisteuern durften.

Im Kern ist eine Limitierung der Veranstaltungen auf 80 im Jahr mit je maximal 50 Personen gewünscht. Damit würden die Freiluftevents gegenüber dem Status Quo deutlich eingeschränkt. Des Weiteren gibt es diverse Ideen zur verbindlichen Garten- und Landschaftspflege durch die Hagers, Vorschriften zu erhaltenden baulichen Maßnahmen am Gebäude, zur öffentlichen Zugänglichkeit des (privaten) Grundstücks und zur Vermeidung größerer Wertzuwächse, die sich aus der Aufhebung der Nutzungsbeschränkungen ergeben könnten. Laut Bezirksamt ist das Grundstück noch nicht einmal bebaubar.

Sammelsurium von Ansprüchen und Einschränkungen

Zur einfachen Eingangsfrage nach einer Erlaubnis für gewerbliche Veranstaltungen kommt damit neben der erforderlichen Änderung des Baurechts noch ein Sammelsurium von Ansprüchen und Einschränkungen hinzu, deren wasserdichte Formulierung in einem Regelwerk, z.B. einem städtebaulichen Vertrag, auch gewieften Juristen die Schweißperlen auf die Stirn treiben kann. „Da ist ein erheblicher Schuss Missgunst im Spiel“, so einer der Beteiligten, der namentlich nicht genannt werden will.

Den öffentlichen Hilferuf der Hagers an die zahlreichen Besucher ihrer Konzerte im „Alsterschlösschen“ quittierte die Fangemeinde mit einer Flut an Mails an den Bezirkschef Ritzenhoff und bestürmte ihn mit teils hoch emotionalen Äußerungen, das Schauspiel im Sinne des Erhalts der Burg zu beenden. Die Hagers blieben nüchtern. „Wir werden jede Entscheidung der Stadt akzeptieren und unsere Konsequenzen ziehen“, sagte Miriam Hager. „Aber wir wollen eine Entscheidung.“

Burg sei einzige ihrer Art im ganzen Norden

Die Position der Denkmalschützer ist klar. In einem dem Abendblatt vorliegenden Schreiben heißt es, dass der Erhalt der Burg, die einzige ihrer Art im ganzen Norden, überaus wünschenswert, aber unter den derzeitigen Bedingungen „wirtschaftlich nicht zumutbar“ sei. „Daher begrüßt das Denkmalschutzamt die Aufhebung der bestehenden Bau-/ Nutzungsverbote, da anders die Erhaltung des wertvollen Objekts nicht gewährleistet werden kann. Bereits 1988 wurde ein Abbruch der Burg erwogen, er konnte durch den Verkauf noch einmal abgewendet werden.“

Die Moderation fällt offenbar Senator Dressel zu.: „Ich hoffe weiterhin sehr, dass mit der Kommunalpolitik ein Kompromiss gelingt, der es den Eigentümern ermöglicht, im wesentlichen aus eigener Kraft für den Erhalt dieses wertvollen Denkmals am Alstertal zu sorgen“, sagte er dem Abendblatt. „Auf Seiten der beteiligten Behörden, Bezirk, Liegenschaft und Denkmalschutzamt, wollen wir das dazu Notwendige tun. Und wir setzen darauf, dass die Kommunalpolitiker vor Ort dazu auch einen Beitrag leisten. Dazu sind wir weiter im Gespräch.“