Geesthacht. Kurz bevor die Gemeinde einen Aufstellungsbeschluss fassen wollte, haben SPD-Vertreter das umstrittene Projekt ins Wanken gebracht.
Fünf Jahre lang haben die Gemeindevertreter von Hamwarde über die Parteigrenzen hinweg versucht, einvernehmlich das Beste für die rund 850 Einwohner der Gemeinde im Amt Hohe Elbgeest herauszuholen. Die SPD stellt dort sechs Mitglieder, darunter Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Richard, und die CDU fünf. Wenige Tage vor der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein am Sonntag, 14. Mai, hat die heile Welt Risse bekommen. Auslöser ist die Ansiedlung einer großen Photovoltaik-Anlage am Ortsrand zu Geesthacht. Den Standort der PV-Anlage am Jetmoorweg hinterfragen sechs betroffene Anwohner.
Kurz bevor die Gemeinde einen Aufstellungsbeschluss fassen wollte, dieser leitet ein komplexes Plan- und Genehmigungsverfahren ein, haben ausgerechnet einige SPD-Vertreter das Projekt mit einem Änderungsantrag im Bauausschuss ins Wanken gebracht. Pikant: Der Bürgermeister hatte davon keine Kenntnis. Nun soll, anders als im Dezember 2022 einstimmig beschlossen, erst ein Gesamtkonzept für Hamwarde zur PV-Nutzung erstellt werden. Auch damit es zu keiner Kampfabstimmung kommt, wurde das Thema zur Enttäuschung der 20 anwesenden Bürger kurzerhand von der Tagesordnung der Gemeindevertretersitzung gestrichen.
PV-Anlage in Hamwarde sorgt für Zwist vor Kommunalwahl
Der entscheidende Unterschied: Mit einem Aufstellungsbeschluss hätte der Investor alle Planungs- und Genehmigungskosten gezahlt und das Risiko tragen müssen, das alles für die Katz ist, wenn sich die Gemeinde dennoch gegen das Projekt entscheidet. Nun aber müsste Hamwarde selbst rund 20.000 Euro in die Hand nehmen, um zu ergründen, welcher Standort für eine PV-Anlage in Frage kommt. „Und hinterher muss ein Investor das Verfahren trotzdem noch einmal durchlaufen“, betont Friedrich-Wilhelm, genannt „Fiete“, Richard.
Der Eindruck, dass nicht alle Anwesenden – auch ehrenamtliche Kommunalpolitiker – den Ablauf eines Genehmigungsverfahrens kennen, war nach Besuch der Sitzung nicht von der Hand zu weisen. Aber in einem Dorf, wo solche Dinge anders als im benachbarten Geesthacht nicht alltäglich sind, ist das auch verständlich. „Die Bürger sind nicht ausreichend mitgenommen worden“, argumentiert indes Anwohnerin Regina Haese.
Welche Schritt ein Bauvorhaben durchläuft
Ihre Sorgen konnte ihnen auch nicht Katrin Haralambous vom Bauamt des Amts Hohe Elbgeest nehmen. Sie hatte den Prozess in der Gemeindevertretersitzung detailliert dargelegt. Etwa, dass nach einem Aufstellungsbeschluss der Investor zunächst einen Vorentwurf erstellt. Anschließend werden die Öffentlichkeit sowie alle sogenannten Träger öffentlicher Belange und Behörden informiert. Deren Einwände müssen berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Wahl eines anderen Standortes. „Das Risiko trägt immer der Investor. Die Gemeinde ist der Entscheidungsträger“, betonte Haralambous.
Dazu kommt: Der Gemeinde gehören die 15 Hektar, das entspricht etwa 14 Fußballfeldern, nicht. Und die Eigentürmer – mehrere Privatpersonen – sind zur Verpachtung bereit. Ein Teil der Fläche am Jetmoorweg wird im Altlasten-Kataster der Bodenschutzbehörde vom Kreis Herzogtum Lauenburg als „altlastverdächtige Fläche“ geführt.
Fläche war früher eine Sand- und Kiesgrube
„Es handelt sich um eine frühere Sand- und Kiesgrube, die nach und nach mit Aushubboden, Bauschutt und mit Haus- und Sperrmüll verfüllt wurde“, teilt ein Sprecher der Kreisverwaltung mit. Aus bodenschutzrechtlicher Sicht bestünden keine Bedenken, sofern gewisse Untersuchungen zur Tragfähigkeit im Vorwege angestellt werden. Laut Kreis wurde die Grube etwa zwischen 1971 und 1985 genutzt. „Aus naturschutzfachlicher Sicht könnten allerdings Belange entgegenstehen. Da aber noch kein Bauantrag vorliegt, gab es dazu bisher auch noch keine Prüfung“, so der Sprecher weiter.
Friedrich-Wilhelm Richard hatte die Bürger erstmals auf dem Neujahrsempfang über die Pläne zur Ansiedlung einer PV-Anlage informiert. Zuvor hatten die Gemeindevertreter am 6. Dezember 2022 mit 9:0-Stimmen in einem Grundsatzbeschluss festgelegt, dass nicht sie das gesamte Gemeindegebiet nach geeigneten Flächen untersuchen lassen, sondern dies im Bedarfsfall dem Betreiber überlassen.
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Zudem hätte die Gemeinde aus der EEG-Umlage, die der Investor gezahlt hätte (0,2 Cent pro Kilowattstunde, insgesamt circa 29.000 Euro) eingenommen. 50 Prozent der Summe sollten zur Verbesserung der Straßen und Wege in Hamwarde dienen.
Hamwarder SPD macht Kehrtwende
„Wir wollen hier einen enkelsicheren Beschluss“, sagte Wolfgang Gruse, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, und erntete damit Applaus der anwesenden Besucher. Auch Alexander Timm (SPD) ging die Entscheidung jetzt „zu schnell“. Dagegen hielt Matthias Bartsch (CDU): „Fünf Jahre arbeiten wir Hand in Hand und kurz vor der Wahl fangt ihr damit an.“ Und der CDU-Fraktionsvorsitzende Rüdiger Knoop fand: „Es sind immer Kompromisse nötig. Man kann es nicht allen recht machen.“ In die gleiche Kerbe schlug von anderer Seite Anwohner Klaus Bibow. „Von uns ist keiner gegen PV-Anlagen. Es geht ausschließlich um die Wahl des Standortes“, sagte er.
Richard zeigte sich enttäuscht, dass er von seinen Genossen nicht über deren Sinneswandel informiert war. Seit 2008 ist er ehrenamtlicher Bürgermeister von Hamwarde. Für die neue Wahlperiode kandidiert er nicht mehr. Das stand aber schon lange vor diesem Affront fest.