Geesthacht. Dr. Lars Wilhelm vom LADR-Zentrallabor in Geesthacht beurteilt legales Kiffen kritisch. Was aus seiner Sicht beachtet werden muss.

Dr. Lars Wilhelm ist Toxikologeam LADR-Zentrallabor in Geesthacht. Er ist Experte für den Ge- und Missbrauch von Cannabis. Eine Legalisierung des Kiffens, wie im Programm der Ampel-Regierung vorgesehen, sieht er zwiespältig. „Zu sagen, eine Legalisierung von Cannabis löst alle Probleme, ist blauäugig. Man muss zuerst die Ziele definieren“, mahnt Lars Wilhelm.

Seine Expertise ist auf Fachtagungen gefragt und hat er in der Schrift „Gefahren durch Cannabis-Abusus – klinisch toxikologischer Blickwinkel“ zusammengefasst. Drei große Themenfelder gebe es zu bedenken: Kriminalität und Schwarzmarkt, Qualität und THC-Gehalt sowie Jugendkonsum.

Cannabis freigeben: Das plant die Ampel

Dr. Lars Wilhelm, Toxikologe am LADR-Labor Geesthacht, beschäftigt sich mit der Legalisierung von Cannabis.
Dr. Lars Wilhelm, Toxikologe am LADR-Labor Geesthacht, beschäftigt sich mit der Legalisierung von Cannabis. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Mitte August im Kabinett auf den Weg gebracht werden könnte und dann noch von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden muss. Der Plan sieht vor, dass über 18-Jährige bis zu 25 Gramm und maximal drei Pflanzen für den Eigenbedarf besitzen dürfen.

In „Cannabis-Clubs“ soll Marihuana zudem gemeinschaftlich angebaut und abgegeben werden dürfen – allerdings nur unter strengen Vorgaben. Unter anderem sollen nur Vereinsmitglieder Gras erhalten, die im Umkreis von 200 Metern zum Club nicht konsumieren dürfen. Suchtbeauftragte müssen die Qualität und den Wirkstoffgehalt kontrollieren. Auf dem Schwarzmarkt wird der Stoff oft mit Sand oder Haarspray gestreckt.

Fast ein Drittel der Erwachsenen hat gekifft

In unserer Gesellschaft ist Cannabiskonsum weit verbreitet. Dem LADR zufolge haben über 30 Prozent der Erwachsenen schon einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert. Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren konsumieren fast 8,1 Prozent Cannabis, was über dem Nikotinkonsum mit 7,2 Prozent liegt (Stand 2019).

Zudem betreiben Polizei und Justizbehörden einen enormen Aufwand bei der Verfolgung von Kiffern. Der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums geht von Einsparungen von über einer Milliarde Euro aus. Allein bei der Polizei ließen sich demzufolge 800 Millionen einsparen. Laut cannabisfakten.de richteten sich 2019 knapp 83 Prozent der Strafverfahren (konkret über 186.000 Fälle) gegen einfache Konsumenten.

Vorbild Portugal? Keine Strafverfolgung bei geringen Mengen

Dazu gibt Lars Wilhelm zu bedenken, dass in anderen Ländern – ohne Legalisierung – andere Strategien gefahren werden. In Portugal etwa werden Haschischraucher schon seit 2001 strafrechtlich nicht mehr verfolgt, wenn sie mit kleinen Mengen erwischt werden.

Das Gesundheitsministerium geht zudem weiter davon aus, dass sich an Gerichten 220 Millionen Euro und in Justizvollzugsbehörden 35 Millionen Euro einsparen ließe. Nicht zu vergessen etwaige Steuereinnahmen durch den legalen Verkauf von Cannabis.

Kann staatliches Gras mit Schwarzmarktpreisen mithalten

„Die Frage ist dann aber, zu welchem Preis verkauft wird und ob man bei den Kosten mit dem Schwarzmarkt mithalten kann und der Konsument nicht weiter bei seinem Dealer kauft?“ so Lars Wilhelm. Dazu gehört auch, ob der regulierte THC-Gehalt noch den Kundenwünschen entspricht. Hintergrund: Vor 30 Jahren lag der Wirkstoffgehalt noch unter zehn Prozent, inzwischen ist er auf über 20 Prozent „hochgezüchtet“.

Ob die Gründung von Cannabis-Clubs, in denen nur gekauft und nicht geraucht werden darf, praktikabel ist, stellt Wilhelm zur Diskussion. Besser seien aus seiner Sicht zunächst Modellprojekte, in denen es ausprobiert würde. Kritiker bemängeln zudem, wie sicher ihre Mitgliedsdaten im Verein sind und ob nicht etwa die Polizei dann anhand des Nummernschilds potenzielle Kiffer doch wieder auf ihre Fahrtauglichkeit kontrolliere. Die aktuell geltenden Grenzwerte sind so, dass Konsumenten noch nach Tagen über dem erlaubten Wert liegen, selbst wenn der Rausch längst verflogen ist.

Marihuana als Einstiegsdroge: Lars Wilhelm differenziert

Ein weiterer Punkt, den Lars Wilhelm zu bedenken gibt, sind die sozialen Fragen: „Wie gehen Eltern, die Cannabis im Garten züchten, mit ihren Kindern um? Was sagen sie denen? Alkohol ist hier ganz anders etabliert, wobei in dem Maß, wie wir ihn konsumieren das schon problematisch ist und zu schweren Organschäden führen kann“, sagt der LADR-Toxikologe.

Gleichermaßen sei bei Menschen, die im Teenageralter regelmäßig kiffen, damit zu rechnen, dass der Lernerfolg in der Schule beeinträchtigt wird und es auch zu kognitiven Schäden kommen kann. In Europa ist zudem die Co-Abhängigkeit von Tabak verbreitet.

Eigenbau zu erlauben, als ersten Schritt

Cannabis steht zudem im Verdacht, Einstiegsdroge zu sein. Dazu schreibt Lars Wilhelm in seiner Fachschrift: „Es ist zu berücksichtigen, dass hier der frühe Alkohol- und Tabakkonsum im Vordergrund steht. Cannabis unterscheidet sich allerdings im Vertriebsweg über den illegalen Schwarzmarkt, der zum Teil eng mit dem für harten Drogen verknüpft ist.“

Eine abschließende Bewertung zur Legalisierung möchte Lars Wilhelm aktuell nicht vornehmen. „Gesetze mit der heißen Nadel zu schreiben, hilft aber niemandem. Ich plädiere dafür, dass es mit Bedacht und schrittweise geschieht. Wenn man etwa zunächst nur den Eigenanbau erlauben würde, hätte man gewisse Probleme mit dem Schwarzmarkt und der Qualität gelöst.“

Indes sei, was die freie Abgabe von Haschisch angeht, inzwischen ein weiterer Punkt erreicht, der sich in der breiten Öffentlichkeit noch gar nicht herumgesprochen habe. Während das sogenannte CBD, also Cannabis weitgehend ohne Wirkung, aber mit medizinischen Effekten, frei in Drogerien erhältlich ist, gibt es inzwischen schon einen neuen Trend: das teilweise synthetisch hergestellte HHC. „Das ist in etwa halb so effizient wie THC und im Internet frei verfügbar“, sagt Wilhelm.

Während die medizinischen Folgen von HHC-Konsum noch nicht erforscht sind, hat das LADR zumindest eine Möglichkeit entwickelt, um HHC nachzuweisen. Auf der Homepage ladr.de wird die Entwicklung auf dem Drogenmarkt regelmäßig veröffentlicht.