Moorfleet. Psychiaterin Dr. Angelika Freund leitet die Fachklinik mit ihrem Therapieangebot für Drogenabhängige. Was Patienten dort lernen.
Kokain, Cannabis und Amphetamine sowie synthetische Opioide (starke Schmerzmittel) wie Oxycodon sind Drogen, die von den jungen Patienten der Fachklinik Come In! konsumiert wurden. Die meisten der 15- bis 19-Jährigen, die aktuell im Moorfleeter Deich 341 therapiert werden, sind von mehreren Suchtmitteln abhängig.
Erschwerend kommt hinzu, dass sie neben ihren Drogenabhängigkeit oft auch unter anderen psychischen Störungen leiden. Häufig sind es Angst- oder Persönlichkeitsstörungen, aber auch Traumatisierungen, die nicht selten zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Ärzte, Therapeuten und Pädagogen bemühen sich Tag und Nacht darum, den jungen Menschen wieder ein normales, selbstbestimmtes Leben ermöglichen zu können.
Leiterin des Come In!: Abhängigkeit von Drogen keine Frage des Willens
An der Spitze des Come-In!-Personals steht seit einigen Wochen Dr. Angelika Freund. Die 58 Jahre alte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus Langenhorn hat die ärztliche und die allgemeine Leitung der Fachklinik übernommen. Tatkräftig unterstützt wird sie von Lisa Joester, die seit etwa eineinhalb Jahren den Therapiebereich leitet.
Lisa Joester ist auch für die sogenannte zweite Phase, die Reintegration, zuständig, die in einem Nebengebäude angeboten wird. Sie ist auch für die Dienstplanung für alle Therapeuten und Pädagogen der Klinik zuständig.
Die Menschen lernen, sich in festen Strukturen zu bewegen
Angelika Freund hingegen ist in der zweiten Phase lediglich als Urlaubsvertretung von Lisa Joester gefragt, oder um in Krisensituationen zu intervenieren. „Es gibt immer mal wieder akute Probleme, etwa bei Konflikten innerhalb der Gruppe.“ Dann gehe es beispielsweise darum, dass der betreffende Bewohner Aggressionen abbaut oder Suizidgedanken verwirft. Neben solchen Notfalleinsätzen kümmert sich die Psychiaterin auch um Bereiche wie Verwaltung und Haustechnik.
Während die erste Phase, die Rehabilitation im Haupthaus, meist acht bis zwölf Monate dauert, zieht sich die Reintegration über ein bis eineinhalb Jahre hin, „manchmal auch deutlich länger“. Die Patienten müssten erst wieder lernen, sich in festen Strukturen zu bewegen, seien außerdem oft lange mit der Suche nach einer eigenen Wohnung beschäftigt. „Allerdings muss nicht jeder Patient nach Phase eins auch Phase zwei durchlaufen. Einige Patienten brauchen weniger Struktur von außen. Sie können ihren Tag selbst strukturieren und den Haushalt eigenständig führen.“
Patienten werden in einer hauseigenen Schule unterrichtet
Dort, bei den „Fortgeschrittenen“, ist, anders als im Haupthaus, nachts kein Personal vor Ort. Die Pädagogen kümmern sich nachmittags und abends um die Bewohner, die tagsüber in die Schule gehen, ein Praktikum oder eine Lehre machen. Im Haupthaus unterbreiten Suchttherapeuten, Psychologen und Pädagogen den jungen Menschen eine ganze Reihe von Beschäftigungsmöglichkeiten – vom Inlineskaten über das Musizieren bis zur Selbstverteidigung für Mädchen und weitere Sportarten.
Die Phase-eins-Patienten werden in einer hauseigenen Schule unterrichtet, Mitarbeiter des Sozialdienstes helfen ihnen bei der Berufsorientierung. „Sie haben die Chance, trotz ihrer Probleme einen guten Job zu bekommen“, sagt die Psychiaterin. „Und sie haben eine gute Chance, in die Gesellschaft wieder integriert zu werden.“ Durch ihre Rehabilitation verringern sich die Folgekosten zu Lasten der Gemeinschaft.
Es gibt in Moorfleet die Möglichkeit, Folgeschäden auszubremsen
Eine wichtige Rolle spielen die Therapeuten, betont die Klinikleiterin: „Sie bieten die wichtigen gruppentherapeutischen Angebote einschließlich Entspannungsübungen und Einzeltherapien an, um den Jugendlichen zu ermöglichen, ihre innerpsychischen Ursachen der Suchtentwicklung zu erkennen.“
Im Come In! sind junge Menschen zwischen zwölf und 18 Jahren willkommen, in Ausnahmefällen dürfen sie bis zu 21 Jahre jung sein. Das derzeitige Durchschnittsalter liege bei 17 Jahren, berichtet die Klinikleiterin. „Das ist hier der Vorteil: Unsere Klienten sind noch sehr jung. Wir haben die Möglichkeit, Folgeschäden auszubremsen“, sagt Angelika Freund. Von den 26 zur Verfügung stehenden Plätzen im Haupthaus sind derzeit 20 belegt von 14 männlichen und sechs weiblichen Patienten, berichtet die Leiterin. „In der zweiten Phase sind alle zwölf Plätze belegt“, sagt Angelika Freund.
Patienten kommen aus ganz Deutschland nach Moorfleet
Dass im Haupthaus noch Betten frei sind, liege allerdings nicht an geringer Nachfrage, betont die Fachärztin: „Die ist sehr groß. Die Patienten kommen aus ganz Deutschland zu uns.“ Leerstände seien eher eine organisatorische Angelegenheit und abhängig vom Vorankommen der Finanzierung einer Therapie.
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Gemeinsam mit der Beratungsstelle des Trägers, der Therapiehilfe gGmbH, werde derzeit ein Konzept erarbeitet, um auch transsexuelle Menschen betreuen zu können. Seminare für Angehörige der Klinikpatienten, etwa zum Umgang mit Süchtigen, seien längst Standard.
Kein zuverlässige Auskunft zur Zahl der „Wiederholungstäter“
Jährlich bekommen frühere Patienten Post von der Einrichtung. In den Schreiben werden sie unter anderem gefragt, ob sie noch clean seien. „Wir erhalten von rund einem Drittel der Befragten Rückmeldungen“, sagt Angelika Freund. Insofern könne sie keine zuverlässige Auskunft zur Zahl der Rückfälle geben, „aber wir haben viele ,Wiederholungstäter’“.
Oft werde behauptet, dass Abhängigkeit von Drogen nur eine Frage des Willens sei, betont die Psychiaterin. „Das stimmt aber nicht. Entscheidend sind Kontrollmechanismen des Frontalhirns. Bei einigen Menschen sind sie nicht so ausgebildet wie es eigentlich notwendig wäre.“ Der Wille, mit dem Drogenkonsum aufzuhören, sei bei allen Patienten extrem, „aber es scheinen viele bio-chemische Prozesse im Gehirn eine Rolle zu spielen“.