Geesthacht. Claus Ruhe Madsen kam extra aus Kiel angereist. Wo die Daten des Helmholtz-Zentrums live zu sehen sind.

Im Juli wurde sie festgemacht, und in Betrieb ist sie auch schon, aber nun hat die neue Hereon-Forschungsplattform am Anleger in Tesperhude auch die Weihen der Landesregierung bekommen. Bei der offiziellen Einweihung am Freitagnachmittag, 18. November, war Claus Ruhe Madsen zu Gast, der Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein. Er sei ein großer Freund der Wissenschaften, berichtete er den Gästen. „Denn Wissenschaft schafft Wirtschaft.“

Später schnitt er zusammen mit Iris Ulrich aus der Hereon-Geschäftsführung und Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze ein über den Steg geknüpftes rotes Band durch. Er habe sich sagen lassen, dies sei eine besonders geeignete Stelle für die Messplattform, führte Claus Ruhe Madsen unterhalb der Kulisse von Tesperhude aus. „Es ist wichtig, dass wir wie hier Merkmale haben, die besonders sind für Schleswig-Holstein“, betonte er.

Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (Mitte) auf Glatteis: Der Steg musste wegen seiner Vereisung abgestreut werden. Volker Dzaak (l.) vom Hereon hat den Bau der Plattform federführend begleitet, links folgen Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, Iris Ulrich (Prokuristin Hereon) und Petra Burmeister (SPD-Fraktionsvorsitzende) auf dem Weg zu Besichtigung.
Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (Mitte) auf Glatteis: Der Steg musste wegen seiner Vereisung abgestreut werden. Volker Dzaak (l.) vom Hereon hat den Bau der Plattform federführend begleitet, links folgen Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, Iris Ulrich (Prokuristin Hereon) und Petra Burmeister (SPD-Fraktionsvorsitzende) auf dem Weg zu Besichtigung. © Dirk Palapies

Die erfassten Stoffe gelangen mit dem Strom weiter in die Tideelbe

Die Plattform versorgt von ihrem Container aus die Wissenschaftler kontinuierlich mit hochaufgelösten, zeitnahen Daten zum Wasser der Elbe. Die Aktualisierung der Daten der Ferry-Box erfolgt alle 20 Minuten. Die erfassten Stoffe gelangen mit dem Strom weiter in die Tideelbe und sind so auch relevant für den Hamburger Hafen und den gesamten Wasserweg bis zur Nordsee. „Wir können Schadstoffe nachweisen, die es noch gar nicht gibt, weil sie noch nicht klassifiziert wurden“, sagte Hereon-Sprecher Torsten Fischer. Er verwies darauf, dass immer wieder neuartige Schadstoffe entstehen würden. Es gehe auch darum, gewonnenes Wissen so zu übersetzen, dass Politiker die Informationen nutzen können. „Wir beraten und geben Entscheidungshilfen“, meinte Torsten Fischer.

Mit der Einweihung nimmt die Forschungsplattform ihren vollen Betrieb auf: Sie misst permanent Daten im Wasser, etwa Abfluss und Strömungen, Nährstoffe, Schwebstoffe, Mikroalgen, Treibhausgase und ausgewählte Schadstoffe. Das Fluss-Meer-System der Elbe ist ständigen Veränderungen unterworfen und wird stark durch menschliche Aktivitäten und die Auswirkungen des Klimawandels beeinflusst.

Immer rein in die gute Stube: Hereon-Wissenschaftler Daniel Pröfrock (mit Zopf) erklärt Minister Claus Ruhe Madsen und allen Interessierten die Geräte auf der Plattform.
Immer rein in die gute Stube: Hereon-Wissenschaftler Daniel Pröfrock (mit Zopf) erklärt Minister Claus Ruhe Madsen und allen Interessierten die Geräte auf der Plattform. © Dirk Palapies

Im Mittellauf der Elbe kommt es immer wieder zu einem Wachstum von Mikroalgen

Wesentliche Veränderungen sind zum Beispiel die Menge und Zusammensetzung von Schwebstoffen, die die Messung der schiffbaren Tiefe beeinflussen oder die zu einem Sauerstoffmangel und infolgedessen zu Fischsterben führen können. Besonders im Mittellauf der Elbe kommt es immer wieder zu einem Wachstum von Mikroalgen. In der Tideelbe sterben sie dann ab, und ihre Reste werden von Bakterien abgebaut, wobei viel Sauerstoff verbraucht wird. Um diese und weitere Veränderungen vorauszusehen und frühzeitig reagieren zu können, wollen die Forschenden diese Systeme besser verstehen.

Die Daten sind öffentlich einsehbar. Über die Seite Link www.hereon.de/tesperhude gelangen Interessierte direkt zu den Daten der Plattform am Anleger. Die Analyse für Freitag, 18. November, 17.30 Uhr, lautet: Lufttemperatur 0,1 Grad, Sauerstoffsättigung 81 Prozent, Salzgehalt 0,5, Silikat 5,6 ppb, pH-Wert 8,2, Wassertemperatur 6,4 Grad, CDOM Fluoreszenz 3,3 Mikrogramm/Liter, Chlorophyll a Fluoreszenz 2.3 Mikrogramm/Liter.

Silikate sind für Menschen unbedenklich, sorgen aber für Wachstum von Kieselalgen

Der Gelbstoff CDOM zählt hierbei als wichtigster Faktor für die Verteilung von Licht im Meer, die Abkürzung bedeutet „Colored Dissolved Organic Matter“. Zu Deutsch: gefärbte, gelöste organische Materie, begründet in den Stoffwechsel- und Abbauprodukten von Pflanzen und Tieren. CDOM absorbiert auch ultraviolette Strahlung und schützt auf diese Weise Organismen vor negativen Effekten des Sonnenlichts. Chlorophyll-a wiederum kommt im Mikrophytoplankton vor.

Anhand seines Wertes lässt sich als zentrales Pigment der Photosynthese die Konzentration von Mikroalgen und Cyanobakterien im Wasser beurteilen. Silikate schließlich sind zwar für Menschen unbedenklich, sorgen aber ab einer Konzentration ab 0,2 mg/l für ein verstärktes Wachstum von Kieselalgen. Was auch für Aquariumbesitzer ein bekanntes Problem ist.

Daten zu Schwermetallen werden erst nach Aufarbeitung öffentlich gemacht

Eine weitere Teststation befindet sich in Cuxhaven beim Fähranleger, auch hier sind die Daten einsehbar. Zum Vergleich: Der CDOM-Wert etwa lag dort zeitgleich mit der Anlage in Tesperhude bei 31,7 Mikrogramm/Liter, Chlorophyll a Fluoreszenz bei 1.3 Mikrogramm/Liter und der Salzgehalt, bedingt durch die Meeresnähe, bei 20,4.

Es handelt sich hierbei in Cuxhaven wie auch in Tesperhude nur um die Daten aus der Ferry-Box, betont Volker Dzaak, der Abteilungsleiter für Logistik und Organisation am Helmholtz-Zentrum. Er hat den Bau der Plattform von Hereon-Seite aus federführend begleitet. Andere Daten, wie zum Beispiel die Analyse von Schwermetallen im Elbwasser, würden auch öffentlich gemacht, aber erst nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Die ersten Zahlen, die über die Hereon-Webseite publik gemacht werden sollen, werden zum Frühjahr erwartet.

Für die Forscher am Hereon ist die Eröffnung ein lang herbeigesehnter Moment

„Mit der Forschungsplattform Tesperhude können wir die Elbe besser verstehen und auf Veränderungen wie etwa Extremwetterereignisse schneller reagieren. Das ist nicht nur gut für die Wissenschaft und den Standort Geesthacht, sondern zukunftsweisend für die gesamte Region im Süden von Schleswig-Holstein“, meinte Claus Ruhe Madsen bei der Einweihung. Denn solcher Art überwacht und ausgewertet kann ein differenziertes Bild der Elbe und ihres Sediments als eine der wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands gezeichnet werden.

Für die Forscher am Hereon ist die Eröffnung ein lang herbeigesehnter Moment. „Die Plattform ist technisch ausgefeilt und kann jetzt noch mehr als das, was wir in der ersten Planungsphase vorgesehen hatten. Sie ist eine Weiterentwicklung unserer Forschung und wird wichtige Hinweise über den Transport von Substanzen – wie etwa Nähr- und Schadstoffe – in der Elbe liefern“, ergänzt Volker Dzaak.

Jury am Helmholtz-Zentrum stimmt über den richtigen Namen des Schiffes ab

Die gesammelten Daten sind unter anderem von Interesse, um vorausschauend planen und handeln zu können. Sie werden im „Helmholtz Coastal Data Center“ (HCDC) gespeichert und sind schnell verfügbar, was insbesondere bei Extremereignissen wie Hoch- oder Niedrigwasser besonders wichtig ist. Interessierte aus Wissenschaft und Wirtschaft können sowohl die Daten nutzen als auch die Forschungsplattform selbst, um etwa neue Methoden zur Wasseruntersuchung oder andere Technologien zu testen bzw. weiterzuentwickeln.

Der Aufbau der Forschungsplattform für 1,5 Millionen Euro wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, des Landes Schleswig-Holstein, der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren und des Helmholtz-Zentrums Hereon gefördert. Ausführende Werft für den Schwimmponton war die Hitzler-Werft in Lauenburg, wo derzeit auch das neue Hereon-Forschungsschiff, die Ludwig Prandtl II, gebaut wird. Dieser vorläufige Arbeitsname könnte sich in der kommenden Woche überholt haben. Dann stimmt die Jury am Helmholtz-Zentrum nach einem Ideen-Findungswettbewerb über den richtigen Namen des Schiffes ab.