Geesthacht/Irak. Schlechte Straßen, alter Prunk und kleine Oasen: Geesthachter Familie Pietzko in einem Land, das lange von Krieg beherrscht war.
Der ehemalige Palast von Saddam Hussein in Nadschaf ist seit Jahren verlassen. Jana Pietzko, zweijährige Tochter unserer Weltreisenden aus Geesthacht mit dem rosa-farbenen Expeditionsmobil „Heidi“, steht vor dem heute fenster- und türlosen Bau und blickt auf die riesige Terrasse und die dahinterliegende Weite. Überall ist Marmor, der frühere Prunk trotz der unzähligen Graffiti spürbar. „Eigentlich viel zu schade, dass hier niemand drin wohnt“, bemerkt Mama Jessica Pietzko beiläufig. Seit Montag, 8. Mai machen sie auf ihrer Weltreise mit „Heidi“ Urlaub im Irak.
Es ist ein Land, das Europäer gemeinhin mit Krieg verbinden. Unter Diktator Saddam Hussein führte das Land Kriege mit dem Iran (1980-88) und Kuwait (1990-91). 2003 wurde der Diktator von einer US-geführten Allianz gestürzt, das Land versank anschließend in bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen, kämpfte unter anderem gegen die IS-Miliz. Laut Reisewarnungen des Auswärtigem Amts ist die Lage im Land volatil (schwankend). Doch in einem langen Vorab-Telefonat hatte ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft der Geesthachter Familie versichert: „Der Krieg ist lange vorbei.“
Weltreisende machen Urlaub im Irak
„Generell fühlen wir uns hier auch sehr sicher“, sagt Jessica Pietzko. Sie reisen gemeinsam mit einem weiteren deutschen Paar, alle paar Kilometer müssen sie einen Checkpoint passieren. Das dient dazu, dass die örtlichen Sicherheitskräfte über den Aufenthalt der Touristen informiert sind. Auch dürfen sie nicht einfach wild irgendwo übernachten.
Ansonsten sind die Deutschen im Irak, noch mehr als auf ihren früheren Stationen auf der arabischen Halbinsel, die Stars. Alle wollen Selfies und Videos aufnehmen und die blonden Ausländer anfassen. Auch ist die Hilfsbereitschaft hier ähnlich groß. Etwa, als ihr Expeditionsmobil „Heidi“ den irakischen Straßen Tribut zollen musste. Mitten auf einer belebtem Autobrücke brach der Kugelkopf der Kupplung.
„Innerhalb von zwei Stunden war das repariert. Der zehnte Passant der anhielt, sprach ein paar Brocken englisch und holte einen Mechaniker aus dem nächsten Ort – ein Wahnsinn“, so Jessica Pietzko. „Der Irak toppt alles, was schlechte Straßen angeht. Wie Löcher im Käse“, ergänzt Ehemann Jonas Pietzko. Auch die metallene Kiste an „Heidis“ Heck sowie Bett und Tisch sind durch die Erschütterung kaputtgegangen.
Die Pietzkos waren auch schon im biblischen Garten Eden und haben nicht vom (vertrockneten) Baum der Erkenntnis genascht. Sie haben Wasserbüffel bei einer Bootstour durch Sümpfe im Südirak gesehen und zufällig eine Mädchenschule besucht, wo sie wieder viele Selfies mit Irakis machen mussten.
Derzeit sind sie zwischen Euphrat und Tigris in einer kleinen Oase, die für Sohn Jano (9) „wie im Paradies“ aussieht. Er war ganz heiß darauf, vier Kilogramm schwere Fische zu angeln, die es dort geben soll. Auf Angeln oder Baden verzichtet Jessica Pietzko.
„Das ist Frauen nicht erlaubt. Ich durfte auch nicht auf einem Campingplatz alleine am Billardtisch mit den unverheirateten Männern stehen“, sagt Jessica Pietzko, die die örtlichen Gegebenheiten respektiert. „Wobei es hier, anders als in Saudi-Arabien, mehr Frauen gibt, die zwar ein Kopftuch tragen, dazu aber enges Shirt und Hose. Und auch die Haare gucken raus.“
Seit 8. Februar 2022 auf Weltreise
Mitunter aber wird auch den Pietzkos klar, dass die Sicherheitslage anders als in Deutschland ist. Jonas und Jano Pietzko hatten sich erst gefreut, als sie zwei Humvees sahen – ein gängiges Militärfahrzeug, auch als Hummer bekannt. „Wir stehen auf sowas“, so Jonas Pietzko.
Doch als sie die mit Maschinengewehren bewaffneten Männer auf der Ladefläche entdeckten und die Männer sich anschickten, ein Haus am Wegesrand zu stürmen, suchte Familie Pietzko auf der Weltreise mit „Heidi“ lieber das Weite. Es ist halt doch ein ungewöhnliches Land für einen Urlaub.
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Am 8. Februar 2022 waren die Pietzkos in Geesthacht gestartet. Zuvor hatten sie alles aufgegeben: Haus, Auto, Wohnmobil sowie fast ihren kompletten Besitz. Nur noch ein paar Kisten mit Erinnerungen lagern noch auf Omas Dachboden. Seitdem nutzen sie ihre Elternzeit, um die Welt zu bereisen. Vor Januar 2024 wollen sie nicht zurück sein. Wir begleiten sie auf ihrer Reise, die sie nach dem Irak wahrscheinlich nach Armenien und Georgien führen wird.