Geesthacht. Grundstück an der Leibnitzstraße liegt weiter brach. Politiker will wissen, ob Geesthacht, WFL und Investor überhaupt noch verhandeln.

Zwei Jahre lang war es ruhig um die in der Geesthachter Politik heftig umstrittene Ansiedlung einer Radiologe an der Leibnizstraße im Gewerbegebiet Nord II. Viel zu ruhig nach dem Geschmack von Ali Demirhan. Der Fraktionsvorsitzende der Geesthachter Grünen, einer der größten Kritiker des Projektes, wollte per Anfrage im Hauptausschuss von der Stadtverwaltung wissen, wann es denn den letzten Austausch mit dem Investor gegeben habe.

Viel ist es nicht, was die Stadtverwaltung mitgeteilt hat. Und doch sorgt die Antwort für reichlich Turbulenzen. Sie lässt sich für Ali Demirhan so interpretieren, dass das Projekt einer „Firma für Röntgentechnik“, so die offizielle Bezeichnung, vom Tisch ist.

Neue Radiologie in Geesthacht – ist das Projekt gescheitert?

„Der letzte Kontakt mit dem Investor liegt circa ein Jahr zurück“, ist in dem Schriftstück zu lesen. „Diese Mitteilung hätte die Verwaltung längst schon mal geben können. Sie ist sehr, sehr sparsam mit Informationen. So viel Aufwand, und dann ist das Ergebnis gleich Null“, ärgert sich der Grünen-Politiker. Er sieht die lange Gesprächspause als Zeichen dafür, dass das Projekt gescheitert ist.

Das letzte Mal, dass die Politik sich dem Thema widmete und mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP grünes Licht für das Vorhaben gab, war im Ausschuss für Stadtplanung und Verkehr am 9. März 2021. „Ich war damals davon ausgegangen, dass sechs bis sieben Wochen später die Beurkundung stattfinden wird“, sagt Ali Demirhan. Stattdessen ist die Fläche immer noch nicht verkauft: „Nr. 1a, 3100 qm, verbindlich reserviert“, ist auf der Seite der Wirtschaftsförderung Herzogtum Lauenburg (WFL) weiterhin zu lesen.

Die Fläche an der Geesthachter Leibnizstraße, auf der die umstrittene Radiologie entstehen soll, liegt immer noch brach.
Die Fläche an der Geesthachter Leibnizstraße, auf der die umstrittene Radiologie entstehen soll, liegt immer noch brach. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Die weiteren Fragen von Ali Demirhan: „Wann wird die Beurkundung des Grundstücksvertrages sein?“. Antwort: „Unbekannt, derzeit liegt kein Entwurf vor“; „Wann wird die Radiologie angesiedelt? „-Ist der Verwaltung nicht bekannt“; „Gibt es inzwischen Bedenken der Verwaltung hinsichtlich der Ansiedlung?“ „-Derzeit liegt keine neue Beschlussfassung der Situation nach der Diskussion und Beschlussfassung im Ausschuss für Stadt und Verkehrsplanung am 9. März 2021 vor“.

Neue Radiologie: Die WFL telefoniert regelmäßig mit dem Investor

Bürgermeister Olaf Schulze tritt dem vermuteten vorzeitigen Projekttod entgegen. Er findet die lange Pause des gemeinsamen Austausches auch nicht außergewöhnlich. Gefragt worden sei ja nur nach dem letzten Kontakt der Stadtverwaltung zum Investor, erklärt er. „Aber das Grundstück gehört der WFL, die verhandeln mit dem Investor, und die sind es ja auch die, die es verkaufen“, sagt Olaf Schulze. Er gehe davon aus, dass die WFL weiterhin regelmäßig Kontakt gehabt habe.

So sei es, bestätigt WFL-Geschäftsführerin Michaela Bierschwall. „Der Kontakt ist nach wie vor gut“, sagt sie und spricht von einem engen Austausch mit dem Investor. „Wir telefonieren etwa alle vier bis sechs Wochen, wie der Stand ist. Es ist keine Sache, die man mal eben so macht. Man muss Geduld mitbringen.“ Eine Zeitvorgabe für eine Finalisierung gebe es nicht. Michaela Bierschwall sieht das Vorhaben, sollte es realisiert werde, als Gewinn für Geesthacht. Auch Projektentwickler Clemens Rohling bejaht, dass das Vorhaben weiterhin am Leben sei. Auch er will aber keine Angaben über Zeitvorgaben machen oder über parallele Planungen für andere Standorte. Gerüchte, wonach es in Schwarzenbek eine Alternative geben solle, verneint er.

Neue Radiologie: Grüne sehen eine „Rechtsbeugung“

An dem Projekt schieden sich von Beginn an die politischen Geister in Geesthacht. Mehrfach hatte sich der Stadtplanungsausschuss in öffentlicher und nichtöffentlicher Sitzung mit dem Thema befasst. Während sich SPD, CDU und FDP am Ende für die Ansiedlung aussprachen, hielten Grüne, BfG und Linke unerschütterlich dagegen, sprachen von der Etablierung einer Zwei-Klassen-Medizin. Denn: Nach Aussage der Kassenärztlichen Vereinigung würde die Radiologie keinen Kassenarztsitz bekommen, weil die radiologische Versorgung bereits durch Conradia im Johanniter-Krankenhaus gedeckt sei. Kassenpatienten wären somit von der Behandlung ausgeschlossen – oder müssten als Selbstzahler auftreten. Auch die Absicht von Selektiv-Verträgen mit Kassen seitens des Investors wurde von Experten kritisch gesehen.

Eine bedeutender Zankapfel war, was der B-Plan für das Gebiet hergibt. Und laut dem sind Anlagen für sportliche, kirchliche, kulturelle, soziale und eben auch gesundheitliche Zwecke unzulässig. Die Aushebelung dieser ursprünglichen Absicht per Paragraf 13 BauNVO, der die Bereitstellung von Räumen für freie Berufe wie Ärzte regelt, ohne den B-Plan zu ändern, kommt für Ali Demirhan einer Rechtsbeugung gleich. „Die Betreiberin der radiologischen Praxis ist eine gewerblich agierende Investmentgesellschaft“, argumentiert die Grünen-Fraktion in einem Schreiben an die Stadt. Der Paragraf könne hier ergo nicht zur Anwendung kommen.

Neue Radiologie: Kommunalaufsicht des Kreises soll eingeschaltet werden

Die Grünen wollen, sobald eine Baugenehmigung für die Radiologie vorliegt, erneut die Kommunalaufsicht des Kreises einschalten. „Ich verstehe überhaupt nicht den Druck von der Stadtverwaltung damals. Mitten in der Corona-Zeit wurden wir mehrmals zum Ausschuss zusammengeholt, und jetzt liegt das Grundstück immer noch brach. Ich fühle mich als Politiker veräppelt. Das Ganze sieht für uns nicht seriös aus“, meint Ali Demirhan.

An Käufer zu vergeben im Gewerbegebiet an der Leibnizstraße sind übrigens noch zwei Grundstücke. Fläche Nr. 9 weist 3.600 qm auf und liegt im südlichen Teil des Gebietes. Das größte Stück des ganzen Areals liegt gegenüber der Fläche, die für die Radiologie reserviert ist, flankiert von Leibnizstraße im Westen und Mercatorstraße im Norden. Für die 17.500 qm der Fläche Nr. 4 hätte es gerade eine Anfrage gegeben, sagt Michaela Bierschwall. Die Nachfrage sei trotz der schwierigen Gesamtsituation da, berichtet die WFL-Geschäftsführerin. Bedingt durch die Pandemie gebe es einen Investitionsstau bei Unternehmen.