Geesthacht. Ex-Archivar Dr. William Boehart hat sein zweites Buch veröffentlicht – über Sex, Drugs, Rock‘n’Roll und ein übermaltes Hakenkreuz.

Viele Jahrzehnte hat sie gehalten, doch jetzt blättert die Farbe vom Giebel des Hauses und legt ein Hakenkreuz frei. Der gebürtige US-Amerikaner und Ex-Stadtarchivar Dr. William Boehart hat mit „Der Klang der blauen Gitarre“ einen Roman geschrieben, der autobiografische Züge hat und von den wilden Sixties mit Drogen, Sex, Rock’n Roll und Antikriegs-Protesten in den USA den Bogen zu einer norddeutschen Kleinstadt spinnt, wo die Vergangenheit nur notdürftig übertüncht wurde.

Das Haus mit dem Hakenkreuz hat es wirklich gegeben. Es tauchte vor 30 Jahren unter abblätternder Farbe an der Wand eines Hauses in Mölln auf, das früher ein SA-Lokal gewesen war. Boehart verlegt das Hakenkreuz in seinem Roman noch einmal 20 Jahre zurück: In den 1970er-Jahren ist es der Grund für Boeharts Romanheld Joseph „Moon“ Harris, der als Journalist in Berlin arbeitet, in die norddeutsche Kleinstadt zu kommen.

„Der Klang der blauen Gitarre“ heißt der zweite Roman von Ex-Archivar William Boehart.
„Der Klang der blauen Gitarre“ heißt der zweite Roman von Ex-Archivar William Boehart. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Dort lernt er Hildegard kennen, die eigentlich Miriam heißt und an ihrer Lebensgeschichte verzweifelt: Ihre Mutter, eine Jüdin, starb 1950 im Kindbett, nachdem zuvor Nazis ihren Vater, einen Archivar ermordet hatten.

Wenn die Farbe bröckelt: Geschichte lässt sich nicht übertünchen

Dass die Übertünchung der Geschichte nicht funktioniert, weiß der ehemalige Archivar aus eigener Erfahrung: 1985 konzipierte er in Schwarzenbek die erste Ausstellung zur NS-Zeit im Kreis Herzogtum Lauenburg. „Es war die Zeit der Weizsäcker-Rede, dennoch waren nicht alle mit der Ausstellung einverstanden“, erinnert sich Boehart.

Bundespräsident Friedrich von Weizsäcker hatte in seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 als erster von einem „Tag der Befreiung“ gesprochen. Sieben Jahre später, als auch das Hakenkreuz wieder sichtbar wurde, steckten zwei Neo-Nazis in Mölln Häuser in Brand, in denen türkischstämmige Familien lebten. Drei Menschen starben in den Flammen.

Romanheld Joseph schaut auf sein Leben zurück

Doch in Boeharts Roman geht es nicht um die deutsche Vergangenheitsbewältigung. „Es ist eine Odyssee durch die 1960er- und 1970er-Jahre“, sagt der Autor, der 1947 in Woodstock im US-Bundesstaat Illinois geboren wurde.

Seinen Romanheld Joseph „Moon“ Harris lässt Boehart ebenfalls in Woodstock auf sein Leben zurückblicken – allerdings liegt Harris Geburtsort im US-Bundesstaat Vermont. Das legendäre Woodstock-Festival fand hingegen im gleichnamigen Ort im Bundesstaat New York statt. Diese Stimmung der wilden Sixties mit „Sex, Drugs and Rock’n Roll“ lässt Boehart seinen Protagonisten Harris ebenso durchleben wie die Proteste gegen den Vietnam-Krieg.

Die wilden 60er-Jahre: Anti-Vietnamproteste, Sex und Drogen

Boehart war 1969 Student in den USA, als er den Einberufungsbescheid erhielt. „Ich hatte Freunde, die sind damals nach Kanada gegangen. Das stand aber unter Strafe und wäre der endgültige Bruch mit meinen Heimatland gewesen“, erinnert sich der in Mölln lebende US-Amerikaner.

Boehart folgte damals der Einberufung, verweigerte aber ein Jahr später, als er nach Vietnam geschickt werden sollte, aus Gewissensgründen den Einsatz und wurde zu seiner Überraschung aus der US-Army wieder entlassen. Harris wählt im Roman einen anderen Weg: Er flüchtet wie mehr als 200.000 andere junge Männer nach Kanada. „Es gibt darüber jede Menge Literatur, in die ich mich eingelesen habe“, so Boehart.

Rückblende auf das Leben in 400 Seiten

Harris schreibt sich 1969 am Rochdale College in Toronto ein – einem alternativen Bildungsprojekt, das 1975 schon wieder endete. „Es war typisch für Ideen der 1960er- und 70er-Jahre, alles neu und anders zu machen“, sagt Boehart und fügt lakonisch hinzu: „Letztlich war es in dieser Zeit der größte Drogenumschlagplatz Nordamerikas und Harris macht alles mit.“

Boehart lässt in seinem fast 400 Seiten starken Roman seinen Protagonisten in Rückblenden auf sein Leben zurückschauen: Harris ist nach 40 Jahren in Deutschland in seinen Geburtsort zurückgekehrt und hat ein Haus am Waldrand bezogen, um in Ruhe schreiben zu können. Eigentlich, um über seine Erlebnisse in der norddeutschen Kleinstadt schreiben zu können, doch die Begegnung mit dem Enkel eines ehemaligen Schulkameraden verändert den Fokus seiner Erinnerungen.

Boehart: „Die unauslotbare Strahlkraft des Lebens“

Die blaue Gitarre, die dem Roman den Titel gibt, verweist auf ein Gedicht des amerikanischen Lyrikers Wallace Stevens (1879-1955) mit dem Titel „The man with the blue guitar“ sowie auf das Picasso-Gemälde „Der alte Gitarrenspieler“ aus der blauen Periode des Künstlers und steht für das eigentliche Thema des Romans: Wer bin ich und warum bin ich auf dieser Welt? Die Gitarre dient im Roman als Synonym für Kunst und Kultur. Boehart: „Sie ist die Hefe im Teig der Geschichte.“

Boehart stellt sein Buch über die „unauslotbare Strahlkraft des Lebens“ in allen fünf Städten des Kreises vor: Start ist am Donnerstag, 9. März, um 19 Uhr im Möllner Stadthauptmannshof (Hauptstraße 150). Am Donnerstag, 16. März, liest der Autor um 19.30 Uhr in Schwarzenbek (Buchhandlung LeseZeit, Markt 3), am 23. März im Lauenburger Elbschifffahrtsmuseum (Elbstraße 59, Uhrzeit steht noch nicht fest), am 28. März im Refektorium des Ratzeburger Doms (19 Uhr, Domhof 18) und am 30. März um 19 Uhr im Krügerschen Haus (Bergedorfer Straße 28) in Geesthacht.

Am Donnerstag, 30. März, liest William Boehart im Krügerschen Haus in Geesthacht aus seinem zweiten Roman.
Am Donnerstag, 30. März, liest William Boehart im Krügerschen Haus in Geesthacht aus seinem zweiten Roman. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Der Autor Dr. William Boehart

Nach seinem Studium der Geschichte, Literatur und Philosophie in Chicago, die er mit dem Magister abschloss, kam Boehart 1975 nach Deutschland und promovierte an der Uni Hamburg über den Dichter und Philosoph Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781). 1983, mittlerweile mit der Möllner Rechtsanwältin und SPD-Politiker Claudia Preuß-Boehart verheiratet, war er bis zur Pensionierung im Jahr 2012 zunächst Archivar der Stadt Schwarzenbek und seit 1985 der Archivgemeinschaft, die von Schwarzenbek, Lauenburg, Büchen, Wentorf und Geesthacht gegründet wurde und mittlerweile aus Schwarzenbek, Lauenburg, Wentorf und dem Amt Hohe Elbgeest besteht.

Als Archivar veröffentlichte Boehart mehr als 100 Aufsätze, Broschüren, Bücher und Kalender. Legendär sind seine Fahrradtouren zur Ortsgeschichte. 2018 erschien sein erster Roman „Das Judaskreuz“, dem die historische Figur des Möllner Advokaten Friedrich Sprewitz als Vorbild diente. „Der Klang der blauen Gitarre“ ist ebenfalls im Möllner Osburg-Verlag erschienen und kostet 24 Euro.