Geesthacht. Beim Stadtfriseur in Geesthacht ist der Salonbesuch besonders nachhaltig. Nicht nur eine haarige Idee trägt dazu bei.

Graue Haare, blonde Haare, braune Haare, schwarze Haare – in nur einem Monat ist bei Metehan Doglali ein ganz schöner Berg Haare zusammengekommen. Seit Anfang Februar sammelt der Inhaber vom Stadtfriseur in Geesthacht die abgeschnitten Haare seiner Kunden in einer großen Papiertüte, um damit die Weltmeere zu retten.

Doglali übernahm den Salon in der Bergedorfer Straße 23 zu Jahresbeginn von seinem Schwiegervater Israfil Cetin und wollte, dass sein Betrieb nachhaltiger wird. Er ist auf diesem Gebiet nun Vorreiter in der Region. Der Stadtfriseur liefert unter anderem sein Kundenhaar, das sonst im Müll gelandet ist, fortan an das Start-up-Unternehmen „Hair help the Oceans“ aus Bückeburg.

Weltmeere retten mit abgeschnittenem Haar der Kunden

Dieses stellt daraus Haarfilter her. Diese Filzrollen treiben auf der Wasseroberfläche und sollen helfen, Meere, Flüsse und Seen zu reinigen. Denn unabhängig davon, ob es natürlich oder gefärbt ist, eignet sich das menschliche Haar besonders gut, um viel Fett aufzusaugen. Das gilt auch im geschnittenen Zustand.

„Hair help the Oceans“ will mit seinen Haarfiltern Öl, Benzin und Reste von Sonnenmilch von der Wasseroberfläche aufsaugen. Ein Kilogramm Haare kann dabei bis acht Kilogramm Öl aus dem Wasser filtern. Nach dem Gebrauch lässt es sich reinigen und bis zu achtmal wieder verwenden.

„Hair help the Oceans“: Idee für Haarfilter stammt aus Frankreich

Vorbild für die Bückeburger war der französische Verein „Coiffeure Justes“ (Faire Friseure), die Haare in alte Nylonstrümpfe füllen, aneinanderreihen und mit diesen Haarfiltern 2019 vor Mauritius im indischen Ozean einsetzte, nachdem dort ein Frachter auf Grund gelaufen war und Tausende Tonnen Öl verloren hatte. Der TV-Sender „arte“ hat über klimarettende Friseure in einer halbstündigen Reportage mit dem Titel „Waschen, schneiden, Meere retten“ berichtet. Sie ist noch in der Mediathek abrufbar.

„Ich bin durch eine Kundin darauf angesprochen worden, habe abends gegoogelt und sofort zugeschlagen“, sagt Friseur Doglali. Dem Stadtfriseur ist das sogar eine monatliche Gebühr von 25 Euro für die Logistik des Start-ups wert. In rund einem Monat wird die erste Ladung Haare bei ihm abgeholt.

Stadtfriseur in Geesthacht recycelt auch das Aluminium

Es ist aber nicht die einzige Maßnahme in Sachen Nachhaltigkeit beim Stadtfriseur. „Wir müssen eigentlich nur noch Pappe und Papier bei uns entsorgen“, sagt Doglali. Ein großer Berg an Müll stellt regelmäßig die Aluminium-Folie dar, die zum Färben von Haaren verwendet wird. „Teilweise können das bis zu 100 Folien pro Dame sein. Jetzt müssen sie kein schlechtes Gewissen mehr, wenn der ganze Kopf voll Alu-Folie ist“, meint der Coiffeur.

Metehan Doglali vom Stadtfriseur mit dem Müll eines Monats, der nun wieder verwendet wird.
Metehan Doglali vom Stadtfriseur mit dem Müll eines Monats, der nun wieder verwendet wird. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Schließlich wird auch die gebrauchte Folie nun gesammelt und an „First Foils“ geliefert, der das Aluminium recycelt und zurück an seine Abnehmer liefert. Außer dem Stadtfriseur aus Geesthacht beteiligt sich daran auch Innungsfriseurin Leila-Astrid Riewesell aus Schwarzenbek (Haargalerie, Lauenburger Straße 37). Beim Sammeln der Haare machen Ricardo Spiegel & Friends aus Glinde mit (Markt 4).

Kundinnen des Stadtfriseurs können sich überdies ihre leeren Shampoo-Flaschen und andere Haarpflegeprodukte neu befüllen lassen. Diese Aktion läuft zusammen mit der Firma Milbon, die exklusiv Friseursalons beliefert. Aus der Region ist er der einzige, der sich daran beteiligt. Ansonsten kennt Doglali nur drei Friseure in Hamburg.

Kurios: In einem Friseurstuhl starb ein New Yorker Mafioso

Stadtfriseur Geesthacht: Dieser Stuhl stand in dem Friseursalon, in dem Mafia-Boss Albert Anastasia starb. 
Stadtfriseur Geesthacht: Dieser Stuhl stand in dem Friseursalon, in dem Mafia-Boss Albert Anastasia starb.  © Dirk Schulz | Dirk Schulz

„Und einige kleine Sachen machen wir auch noch“, ergänzt Doglali. So nutzt er inzwischen Treuekarten auch in digitaler Form über eine App. „Ältere Kunden wollen immer gern noch was zum Anfassen haben, aber Jüngere finden es cool. Die sagen, die Karte fliegt eh nur immer irgendwo herum“, hat er beobachtet. Auch auf Krepppapier für den Nacken verzichtet er und setzt stattdessen auf abwischbare Halskrausen aus Silikon.

Und vielleicht sitzt der Kunde auch in einem Stuhl mit einer besonderen Geschichte. Der vorherige Besitzer und Doglalis Schwiegervater Israfil Cetin hatte 2015 einen Friseurstuhl gekauft, der früher mit zwei gleichen Sitzen dieser Art im „Eagle Barber Shop“ in New York stand.

In einem von diesen ist 1957 der Mafioso Albert Anastasia erschossen worden, der zur sogenannten „Murder, Inc.“ (Mord AG) gehörte. Der Vorbesitzer des Stuhls lieferte Nachweise zur Herkunft mit. Die Kunden des Stadtfriseur lieben diese Geschichte – und die, wieso ein original Bank-Tresor im Kundenraum steht. Hintergrund: Von 1932 bis 1962 war in dem Gebäude eine Bank.