Geesthacht. „Stadtfriseur“ Israfil Cetin aus Geesthacht besitzt einen besonderen Stuhl, der eine gruselige Vorgeschichte hat.

Al Capone, der berühmteste Mafiaboss seiner Zeit, dürfte so ziemlich jedem ein Begriff sein. Während Capone Chicago beherrschte, stieg in etwa zur gleichen Zeit ein Gangster namens Albert Anastasia zu einem führenden Kopf der New Yorker Unterwelt auf.

Der 1902 geborene Italiener avancierte in den 1930er-Jahren zu einem der führenden Köpfe der Verbrecherorganisation Cosa Nostra und war Mitglied in der von der Presse „Murder, Inc.“ (Mord AG) genannten Gruppierung, auf deren Konto Hunderte Morde gehen sollen.

Tod im Friseursalon fasziniert die Kunden

Die kriminelle Karriere Anastasias endete am 25. Oktober 1957, als der Mafiaboss gerade im „Eagle Barber Shop“ zum Friseur war und er von zwei Männern erschossen wurde. Die Geschichte ist auch kleiner Bestandteil im Spielfilm „The Irishman“ mit Robert de Niro aus dem Jahr 2019. Was hat diese Räuberpistole aber mit Geesthacht zu tun?

Gangsterboss Albert Anastasia auf einem Foto der New Yorker Polizei. 
Gangsterboss Albert Anastasia auf einem Foto der New Yorker Polizei.  © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Wenn sie sich beim „Stadtfriseur“ die Haare schneiden lassen, kann es passieren, dass sie dabei in dem Stuhl sitzen, in dem Albert Anastasia der Garaus gemacht wurde. Als Inhaber Israfil Cetin in seinem Geschäft 2015 eine Barber-Shop-Ecke einrichtete, um dem Trend zu Bärten zu würdigen, ist er auf den Stuhl mit der bewegten Geschichte gestoßen.

Fotos sollen die Herkunft des Stuhl belegen

Ein Sammler aus München verkaufte das gusseiserne Gestell mit dem Emaillefuß, das stolze 120 Kilogramm schwer ist, für 4300 Euro und lieferte Belege über die Herkunft gleich mit. Demnach soll er einer von dreien sein, die im „Eagle Barber Shop“ gestanden haben. In seinem Keller hat Cetin auch seine Collage mit Bildern von dem Vorfall, die er vom Sammler bekommen hat. Daher stammen auch die beiden historischen Aufnahmen dieses Artikels. Cetins Kunden lieben jedenfalls die Räubergeschichte über den Friseurstuhl, erklärt der zufriedene Besitzer.

Es ist übrigens nicht das einzige ungewöhnliche Accessoire im dem Geschäft in der Bergedorfer Straße 23. Denn auch einen massiven Tresor können die Kunden bestaunen. Früher war im Gebäude nämlich eine Bank.

Massiver Tresor dokumentiert die Geschichte des Ladens

Die Hamburger Sparkasse errichtete 1932 den Neubau im Bauhaus-Stil. 1943 übernahm die Kreissparkasse das Haus und nutzte es bis 1962 als Hauptfiliale, wie der Heimatbund und Geschichtsverein Geesthacht in seiner Reihe „Spurensuche“ zusammengefasst hat. Später hatte Budnikowsky dort eine Niederlassung, seit 1996 ist der Stadtfriseur dort beheimatet.

Schlüssel für den Tresor hatte Israfil Cetin keine. Erst vor einigen Jahren hat er den Tresor von einem Spezialisten öffnen lassen und in mühsamer Handarbeit die heutige Metalloptik gegeben. „Geld war keines mehr drin. Ich wollte eigentlich einen Verkaufsschrank daraus machen, bin dazu aber nicht gekommen. Aber falls jemand interessiert ist, seine Wertsachen hier zu deponieren – die Schließfächer funktionieren fast alle noch“, scherzt Cetin.

Historische Fliesen hinter Putz während des Lockdowns entdeckt

Auf eine weitere historische Hinterlassenschaft ist der „Stadtfriseur“ erst während Renovierungsarbeiten im Corona-Lockdown gestoßen: alte Fliesen, die unter dem Putz an der Wand hinter der Kasse verborgen waren. „Ich habe einen Experten gefragt. Die Fliesen sind alle handgefertigt“, sagt Cetin.

Auf einer ist das Geesthacht-Wappen zu sehen. Aus 15 anderen Fliesen setzt sich das Hamburg-Wappen zusammen. Dabei dürfte es sich um eine Reminiszenz aus der Zeit handeln, als Geesthacht noch zu Hamburg gehörte (bis 1937).