Hamburg. Reiselust ist zurück: 102.000 Menschen besuchten in Hamburg die Messe „Reisen und Caravaning“ und erfuhren neue Trends.

Wer hier in Urlaubsstimmung kommen wollte, der hatte es – zunächst jedenfalls – nicht einfach. Im Hamburger Dunkelgrau mit tiefhängenden Wolken und Nieselregen steckten viele der anreisenden Messebesucher erst einmal im Verkehr fest. Am Sonnabendvormittag ging rund um das Messegelände bisweilen nichts mehr. Und auch am Sonntag fuhren die Busse zum Teil noch Umleitungen.

Wer es aber auf die „Reisen und Caravaning“ geschafft hat, der konnte sich der Urlaubssehnsucht hingeben, träumen, Pläne schmieden, Informationen sammeln, einfach zum Spaß mal in ein XXL-Luxuswohnmobil steigen oder erleben, wie aus eine Quatschidee vielleicht doch Ernst wird, weil das Probeliegen in einem dieser Autodachzelte viel gemütlicher war als gedacht.

„Reisen und Caravaning“ in Hamburg: Händler sind zufrieden

Das Interesse der Besucher und am Ende auch die Bereitschaft zu investieren war nach Angaben von Händlern und Herstellern vor Ort jedenfalls groß. Und das Angebot war es auch: Auf mehreren Fachmessen konnten sich die Besucherinnen und Besucher zu den Themen Caravaning, Reisen, Rad, Kreuzfahrten, Kulinarik, Tauchen, Motorrad und Fotografie informieren.

Viel los war überall – keine Frage. Besonders viel zu gucken aber gab es im Caravan- und Campingbereich, der sich auf drei Hallen erstreckte. Die Modelle, die hier ausgestellt wurden, zeigten, dass Campen heute anders aussieht als noch vor 30 Jahren.

In den Hallen der Reisemesse konnten Besucher sich zahlreiche Wohnmobile angucken.
In den Hallen der Reisemesse konnten Besucher sich zahlreiche Wohnmobile angucken. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Da sind zum Beispiel diese Autodachzelte, die fast ein bisschen futuristisch aussehen und die innerhalb kürzester Zeit mit nur wenigen Handgriffen aufgebaut werden können. Bei Familie Benjamin Harney mit Frau Melanie Kutzner und Tochter Anni war das Interesse so groß, dass sie sich bei dem Aussteller „CampWerk“ direkt ein Angebot hat machen lassen. Allerdings nicht für das Dachzelt, sondern für den Zeltanhänger desselben Anbieters, der aufgebaut eine Wohnfläche von 23 Quadratmetern bietet.

BAT-Analyse: 2023 könnte ein Rekordreisejahr werden

Die Familie ist extra aus Hannover nach Hamburg angereist, um sich vor Ort ein Bild von den Zelten zu machen. Wie funktioniert das? Wie sehen die in echt aus? Ist das was für uns? Und jetzt wirken sie überzeugt davon, dass der Zeltanhänger das Richtige für sie ist. „Vorher waren wir eher klassisch zelten“, erzählen sie. Aber nun sei Zeit für ein „Upgrade“. „Wir haben hier alle genug Platz und können komfortabel schlafen. Aber am wichtigsten ist, dass wir weiterhin flexibel bleiben und einfach fahren können, wohin wir wollen.“ Die nächsten Ziele? „Erst mal wollen wir damit Norddeutschland erkunden, dann geht es weiter nach Österreich und nach Italien.“

Mit konkreten Plänen dieser Art ist die Familie aus Hannover nicht allein. Wie aus der jüngsten Tourismusanalyse der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hervorgegangen ist, könnte das Jahr 2023 zu einem Rekordreisejahr werden – trotz der hohen Energiepreise und der Inflation.

Demnach hätten bereits jetzt etwa 60 Prozent der Menschen in Deutschland eine mindestens fünftägige Urlaubsreise geplant. 20 Prozent seien sicher, in diesem Jahr nicht zu verreisen, weitere 20 Prozent seien noch unentschlossen. Bei den Reisezielen gibt es der BAT-Studie zufolge im Vergleich zu den von Corona-Beschränkungen geprägten Vorjahren einige Verschiebungen. Deutschland bleibe zwar mit Abstand das beliebteste Ferienland – so wollten 28 Prozent der Reisewilligen zwischen Nord- und Ostsee und den Bergen urlauben. Allerdings verliere der heimische Reisemarkt an Anteilen.

Spanien und Italien profitieren von der neuen Reiselust

Profitieren werden hiervon laut Untersuchung die mediterranen Länder, insbesondere Spanien und Italien. Österreich müsse dagegen aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren. Generell groß sei das Interesse an Fernreisen – sofern sie denn bezahlbar seien. Nach knapp drei Jahren mit der Corona-Pandemie, mit Auflagen und Bestimmungen, die das Reisen erschwert haben, ist die Reiselust jedenfalls offenbar wieder zurück.

Das bestätigt auch Annett Brockmann von Brockmann Reisemobile, die hier diverse Wohnmobile und Camper aller Art ausstellt und zum Kauf oder zur Vermietung anbietet. Vom vergleichsweise kleinen Kastenwagen mit Aufstelldach bis hin zum vollintegrierten Luxusmobil für rund 100.000 Euro. „Das Interesse am individuellen Urlaub ist durch Corona noch mal gewachsen.

Viele Leute wollen heute einfach autark unterwegs sein“, erzählt die Händlerin. „Derzeit kommt noch dazu, dass Flug- und Hotelpreise für viele unerschwinglich geworden sind.“ Was die Kunden derzeit besonders interessiere? Brockmann zieht die Augenbrauen hoch und sagt, fast etwas entschuldigend: „Der Preis.“ Der sei auch bei den Wohnmobilen spürbar gestiegen. Das Interesse sei dennoch da. Man habe auf der laufenden Messe bereits mehrere Verkäufe erzielt.

Familie Sieveke aus Mölln – Vater Lars, Mutter Katja und zwei Kinder – wollen die Investition trotzdem wagen. „Wir hatten jahrelang einen Wohnwagen, aber damit ist man nicht so flexibel, dass man spontan übers Wochenende wegfährt“, sagt Lars Sieveke. „Und wir waren in der Corona-Zeit so viel zu Hause, dass wir die Wochenenden jetzt nutzen wollen.“ Auf der „Reisen und Caravaning Hamburg“ haben sie sich besonders genau die Campervans angeschaut.

Mike Bitthöfer (r.) hat Interesse an einem E-Bike und lässt sich von Verkäufer Dieter Groß beraten.
Mike Bitthöfer (r.) hat Interesse an einem E-Bike und lässt sich von Verkäufer Dieter Groß beraten. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

E-Bikes sollen das Auto überflüssig machen

Angetan hat es ihnen ein Modell für rund 70.000 Euro. „Das hätte vor fünf Jahren noch 50.000 Euro gekostet“, glaubt der Familienvater. Langfristig sei das Modell mit Faltdach aber die richtige Entscheidung. Besonders, weil es kompakt sei und auch im Alltag genutzt werden könne. Außerdem sei das Verreisen mit dem Camper einfach die „unproblematischste Art zu Reisen“.

Während der Van bei Familie Sieveke langfristig das Zweitauto ersetzen soll, denkt Messebesucher Mike Bitthöfer aus der Region Lüneburg eher daran, den eigenen Pkw überflüssig zu machen. Der 57-Jährige ist auf die Messe gekommen, um sich nach E-Bikes umzusehen. Er selbst pendelt jeden Tag 20 Kilometer zur Arbeit, bei seiner Frau seien es 50. „Langfristig wollen wir das beide mit dem E-Bike machen, sodass wir das Auto gar nicht mehr oder nur noch selten brauchen“, sagt er.

Gelandet ist er an einem Trekking-E-Bike-Stand der Firma HNF und hat direkt eine Probefahrt gemacht. Die Räder des Herstellers kosten ab 5900 Euro und liegen damit im Premium-Bereich. „Der ganz große Hype mag vielleicht vorbei sein“, sagt ein Mitarbeiter am Stand. „Aber das Interesse an hochwertigen Rädern ist nach wie vor vorhanden.“