Geesthacht. Hans-Joachim Totzek aus Dassendorf ist Deutschlands bester Bienenzüchter. Jetzt klopfte auch die Bundesregierung bei ihm an.

Beim ersten Kontakt ging es noch vorsichtig zu – sehr, sehr vorsichtig. Es war im Mai 1979, und Hans-Joachim Totzek junger Feuerwehrmann der Wache in Bergedorf. Dann gab es einen Einsatz, der sein Leben bis heute beeinflusst: Ein umherfliegendes Bienenvolk ließ sich bei einem Kindergarten in Lohbrügge nieder. Und Hans-Joachim Totzek sollte es einsammeln. „Meine lieben Kollegen hatten keine Lust darauf. Ich war vorher Feldwebel bei der Bundeswehr. ,Freiwilliger vor’, hieß es. Die sind aber alle einen Schritt zurückgegangen“, erinnert sich Hans-Joachim Totzek.

Es gab damals eine Notausstattung bei der Feuerwehr für solche Fälle. Angetan mit Blouson und Schleier über dem Gesicht rückte Hans-Joachim Totzek der pulsierenden, stachelbewehrten Insektenheerschar zu Leibe. „Es gab eine riesige Zuschauerkulisse“, erzählt der spätere Leiter der Bergedorfer Wache. Was fehlte, war eine weiche Bürste zum Abstreifen der Insekten. Schließlich brachten die Kita-Kinder einen grünen Handfeger, am Ende des Tages war der ganze Schwarm im Pappkarton versammelt und wurde zur Wache gefahren. August Rathje, der damalige Leiter der Feuerwache, war Hobbyimker in Ochsenwerder und ein gefragter Experte. Er versorgte Hans-Joachim Totzek mit einer bienengerechte Kiste nebst vielen Ratschlägen. So ausgestattet nahm der den Schwarm mit nach Hause, in einem Anbauschuppen fanden die Bienen eine neue Heimat.

Dassendorf: Hans-Joachim Totzek ist bester Bienenzüchter in Deutschland

So kam Hans-Joachim Totzek zu seinem ersten Volk. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. 44 Jahre später gilt Hans-Joachim Totzek offiziell als bester Bienenzüchter in Deutschland. Der Dassendorfer wurde im November mit dem Zeidler-Preis geehrt, der höchsten Auszeichnung, die der Deutsche Imkerbund (DIB) nur alle Jubeljahre verleiht. Den Zeidler habe er für einen ganzen Strauß an Vorzeige-Aktivitäten bekommen. „Weil ich jährlich immer zu den besten Züchtern gehöre, für die große Zuchtanlage auf Sylt, für die Vereinsgründung, die große Internetseite und weil ich auch polnischer Preisträger bin“, sagt er. Von östlich der Oder gab es die „Bienenkönigin in Bernstein“.

„Imker Oscar“ für einen Dassendorfer: Hans-Joachim Totzek (l.) erhält im November den Zeidler-Preis des Deutschen Imkerbundes von Torsten Ellmann und Edda Gebel.
„Imker Oscar“ für einen Dassendorfer: Hans-Joachim Totzek (l.) erhält im November den Zeidler-Preis des Deutschen Imkerbundes von Torsten Ellmann und Edda Gebel. © Imkerverband Hamburg | Imkerverband Hamburg

Die hohe Ehrung mit dem „Imker Oscar“ verschafft ihm viel Aufmerksamkeit. „Der Deutsche Imkerbund hat darüber eine Veröffentlichung in Deutschland und alle deutschsprachigen Nachbarländer gestartet. Über die Fachzeitung D.I.B. Aktuell ging die Meldung aus der Lauenburgischen Landeszeitung an alle Imkerinnen und Imker – jetzt habe ich ein Problem, alle wollen von mir Zuchtstoff oder Reinzuchtköniginnen. Wahnsinn!“, meint der Dassendorfer zum Boom.

„200 Anfragen musste ich schon abbügeln“, verrät er. Allein im vergangenen Jahr reisten 2000 Imker an mit vorbereiteten Zellen für die Umlarvung. Hierbei werden Arbeiterinnen Zellen entnommen und in sogenannte Weiselnäpfchen eingesetzt. Da diese Zellen größer sind als normale Arbeiterzellen, werden die darin befindlichen Larven zu Königinnen herangezogen. Die Nachfrage dürfte womöglich deutlich größer sein, aber die Zucht ist ein Saisongeschäft über nur zweieinhalb Monate.

Fördermittel von der Bundesregierung für Bienenzucht, die gegen die Varroamilbe hilft

„Grundsätzlich verstehe ich mich nicht als normaler Imker, sondern als Manager, Vermittler und Dienstleister. Mein Schwerpunkt lieg in der Erhaltung und züchterischen Auslese unserer heimischen Carnica-Bienenrasse“, stellt er klar. „Ich bin jetzt bei 80 Völkern und ständig am Selektieren und Ausprobieren“. Dass es in der Zucht einiges zu verbessern gäbe, sei ihm schnell bewusst geworden, berichtet er. „Ich hatte meine ersten Bienenköniginnen bei einem Züchter in Itzehoe gekauft. Die kannst Du auch selbst züchten“, dachte er sich dann.

Hans-Joachim Totzek hält ein Plättchen mit gesammelten Bienenflügeln gegen das Licht. Anhand der Struktur der Adern im Vorderflügel lässt sich die Rassereinheit erkennen.
Hans-Joachim Totzek hält ein Plättchen mit gesammelten Bienenflügeln gegen das Licht. Anhand der Struktur der Adern im Vorderflügel lässt sich die Rassereinheit erkennen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies
Mit unbewaffnetem Auge lässt sich die Struktur der Äderchen auf dem Vorderflügel der Bienen nicht gut vergleichen. Zur Standardausrüstung des Züchters Hans-Joachim Totzek gehört ein Mikroskop.
Mit unbewaffnetem Auge lässt sich die Struktur der Äderchen auf dem Vorderflügel der Bienen nicht gut vergleichen. Zur Standardausrüstung des Züchters Hans-Joachim Totzek gehört ein Mikroskop. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Dass er gut ist, sprach sich herum in Imkerkreisen. Die Leute kommen aus dem Harz hierher, aus Nordrhein-Westfalen und Süddeutschland. „Die Nachfrage ist gewaltig“, sagt er. Sein Fachwissen gibt er immer wieder auch bei Lehrgängen im Multifunktionssaal in Dassendorf weiter. Für das Frühjahr organisiert er hier zwei große Veranstaltungen über die Körung für Züchter. Und auch die Bundesregierung ist an seiner Expertise interessiert. Für die Zucht einer gegen die Varroamilbe resistenten Biene soll es Fördermittel geben. Nach welchen Kriterien die Gelder verteilt werden, soll nun ein Expertengremium ermitteln.

Rückgang bestäubender Insekten kaum noch reparierbar

Die Zucht sei deutlich mehr als nur Liebhaberei, betont Hans-Joachim Totzek. Es ist sein Lebenswerk. „Die Bienen finden 18 Prozent weniger Pollen als noch vor ein paar Jahren. Der ständige Rückgang der bestäubenden Insekten ist schon jetzt kaum reparierbar. Deshalb versuche ich mit meiner gegründeten Norddeutschen Peschetz Zuchtgemeinschaft e.V. die Bienenzucht wissenschaftlich zu begleiten. Es ist mittlerweile die größte Zuchtvereinigung in Norddeutschland“, sagt er.

Auf der Inselbelegstelle Puan Klent der Norddeutschen Peschetz Zuchtgemeinschaft auf Sylt stehen 400 Schutzhäuschen für die Bienenköniginnen. Jedes Häuschen hat jeweils zwei Fluglöcher für die Wand an Wand wohnenden Bienen.
Auf der Inselbelegstelle Puan Klent der Norddeutschen Peschetz Zuchtgemeinschaft auf Sylt stehen 400 Schutzhäuschen für die Bienenköniginnen. Jedes Häuschen hat jeweils zwei Fluglöcher für die Wand an Wand wohnenden Bienen. © NPZ | NPZ

Die züchterische Auslese über kontrollierte Anpaarung erfolgt auf der Inselbelegstelle Puan Klent auf Sylt. Mitte Mai werden 400 Schutzhäuschchen aufgestellt. Sie funktionieren wie ein Doppelhaus. Zur linken Seite fliegt eine Biene ein und aus und zur rechten Seite ebenfalls. „Die Anlage habe ich zu einer der größten und renommiertesten Inselbelegstellen für die Königinnenzucht ausgebaut“, sagt Hans-Joachim Totzek. 12.000 Quadratmeter stehen zur Verfügung. Insellagen sind beliebt bei Züchtern, weil fremde Bienen es in der Regel nicht übers Meer schaffen und es so kaum zu unkontrollierten Verpaarungen zwischen Königin und wilder Drohne kommen kann.

Wie schnell schaffen Arbeiterbienen tote Maden aus dem Stock?

Die Züchter testen jährlich ihre jungen Völker auf festgelegte Wertungskriterien. Die Daten werden in die Datenbank Beebreed eingepflegt. Die Leistungen in Sachen Honigleistung, Sanftmut, Winterfestigkeit und Wabenständigkeit fließen zu jeweils 15 Prozent in die Wertung ein. Am Wichtigsten jedoch ist die Varroa-Toleranz (40 Prozent). Die Milbe sorgt bei Befall für etwa 20 Prozent Ausfall im Stock während den Winters.

„Die Biene muss den Parasiten erkennen können“, erklärt Hans-Joachim Totzek. Für den Test werden 50 Larven mit einer Art Spezialkamm angestochen. Eine Verletzung, wie sie ähnlich durch die Milbe entsteht. Gestoppt wird nun, welche Zeit die Arbeiterbienen benötigen, um die toten Maden zu erkennen und herauszuziehen. Gute Völker schaffen in sechs Stunden 98 Prozent, andere schaffen nur 24 Prozent.

Vor wenigen Tagen wurde aufgrund der Zahlen von 2022 eine neue Bestenliste aufgestellt, das Ranking wird jeweils für die Bundesländer gewertet. „Die Völker sind von 2021, aber erst jetzt nach einem Jahr gefestigt“, erklärt Hans-Joachim Totzek. Die ersten sechs Plätze für Hamburg und Schleswig-Holstein werden alle von seinen „Peschetzern“ belegt. Quasi neuer „Landesmeister“ im Norden ist Michael Plagemann vom Imkerverein Geesthacht mit der besten Wertung von 124 Prozent. „Ein Traumergebnis. Deshalb bin ich schon wieder in Sektlaune“, freut sich Hans-Joachim Totzek.