Lütjensee/Rethwisch. Der 15 Jahre alte Nils Roos aus Lütjensee betreut mit seinem Vater Christian 15 Bienenvölker in Stormarn.

Vorsichtig zieht Nils Roos einen der Wabenrahmen aus der oberen Zarge der mehrstöckigen Bienenbehausung – auch Beute genannt. Aufmerksam gleitet sein Blick über die Oberfläche des Holzrahmens. Er sucht Antworten auf Fragen, wie zum Beispiel: Legt die Königin genügend Eier? Haben die Bienen ausreichend Futter? Wurden Pollen eingetragen?

Auf dem Holzrahmen wimmelt es von fleißigen Arbeiterbienen. Das Brutbild unter ihnen ist geschlossen, die Anzahl an Leerzellen gering. Die Zelldeckel sind weder eingesunken noch perforiert und die Maden nicht verfärbt, deren Segmentringe deutlich erkennbar. Der Teenager überprüft stichprobenartig weitere Holzrahmen, er ist beruhigt. „Die Bienen sind gesund, das Volk intakt, die Königin erledigt weiterhin ihren Job“, sagt er.

Als 13-Jähriger entdeckte er seine Leidenschaft für das Imkern

Mit 15 Jahren zählt Nils zu den jüngsten Imkern landesweit. Schon als 13-Jähriger entdeckte er die Leidenschaft für das Imkern und legte beim Landesverband Schleswig-Holsteinischer und Hamburger Imker die entsprechende Eignungsprüfung ab. Die Faszination für die Bienen erklärt er folgendermaßen: „Bei der Eigendynamik eines Bienenvolkes gibt es den einen Plan einfach nicht“, sagt er. „Um ein Bienenvolk am Leben zu erhalten, muss ich es regelmäßig beobachten und immer wieder neue Entscheidungen treffen.“

Ein Bienenvolk besteht aus 30.000 bis 50.000 Bienen

Die Bienen schwirren aus, um Nektar und Pollen zu suchen.
Die Bienen schwirren aus, um Nektar und Pollen zu suchen. © HA | Henrik Bagdassarian

Ein Bienenvolk besteht in der Regel aus 30.000 bis 50.000 Bienen, jede von ihnen mit einer entsprechenden Aufgabe. In der Mehrzahl sind die weiblichen Arbeitsbienen, dazu gesellen sich mehrere Hundert männliche Drohnen und eine Bienenkönigin. Ausschließlich Letztgenannte legt bei den Honigbienen die Eier.

Gemeinsam mit seinem Vater Christian Roos betreut Nils 15 Bienenvölker – verteilt auf die Standorte Lütjensee und Rethwisch. Mutter Stefanie besitzt ebenfalls den Imkerschein. Sie hilft bei Bedarf mit, betreut die Social-Media-Accounts der kleinen Familienimkerei und kümmert sich mit um die Vermarktung des Honigs und der Honigprodukte. Der ältere Bruder Björn gestaltete den Internetauftritt.

Nils ist auch Landesmeister im Säbelfechten

Nicht nur beim Imkern ist Nils mit viel Herzblut bei der Sache. Der 15-Jährige startet für den FC Lütjensee im Säbelfechten, ist amtierender Landesmeister in den Altersklassen U17 und U20 und belegt in der Deutschen U17-Rangliste Rang 26. „Auch beim Fechten kommt es darauf an, Situationen schnell zu erfassen und angemessen zu reagieren“, sagt Nils Roos und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Ich stehe einfach auf Hobbys, bei denen man weiße Sachen trägt und durch ein Gitternetz schaut.“

In Deutschland gibt es laut Verband 152.000 Bienenzüchter

Ebenso wie der Fechtsport bleibt die Imkerei oftmals ein reines Hobby, das mehr Geld verschlingt als einbringt. „Ein 500 Gramm Glas echter Imkerhonig müsste mindestens das Doppelte kosten, um die laufenden Kosten zu decken, die investierte Zeit nicht eingerechnet“, sagt Christian Roos. Die Zahl der Bienenzüchter bundesweit gibt der Deutsche Imkerbund mit etwa 152.000 an. Weniger als ein Prozent davon betreibt die Imkerei erwerbsmäßig. Rund eine Million Bienenvölker sorgen für eine jährliche Ernte von 15.000 bis 25.000 Tonnen Honig pro Jahr. Das entspricht etwa 20 Prozent des Verbrauchs in Deutschland.

80 Prozent des in Deutschland verzehrten Honigs wird importiert

Eine Jungbiene schlüpft, eine andere hilft ihr beim Verlassen der Wabe.
Eine Jungbiene schlüpft, eine andere hilft ihr beim Verlassen der Wabe. © HA | Henrik Bagdassarian

„Rund 80 Prozent des Honigs wird importiert. Woher er kommt, wird häufig nicht einmal erwähnt“, sagt Christian Roos. „Stattdessen steht auf den Etiketten: ,Mischung von Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern’“. Verbraucherschützer fordern schon länger konkretere Angaben, denn Importhonig zählt zu den Lebensmitteln, bei denen nicht selten industriell getrickst wird.

Größter Feind der Bienenvölker ist die Varroa-Milbe. Diese entwickelt und vermehrt sich in der verdeckelten Brut eines Bienenstockes. Durch laufende Kontrolle und Zählung der pro Tag auf den Boden der Bienenbeute abgefallenen toten Milben kann der Imker die Befallsstärke abschätzen und entsprechend entgegenwirken. „Bewährt haben sich sowohl Behandlungen mit speziellen tierärztlich zugelassenen Medikamenten als auch biologische Eingriffe, bei denen den Milben die Ernährungsgrundlage genommen wird“, sagt Christian Roos.

Jetzt beginnt für den Jung-Imker die ruhigere Zeit des Jahres

Für ein Bienenvolk zur Gefahr werden kann aber auch der mangelnde Sachverstand des Halters. Christian Krug ist Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holsteiner und Hamburger Imker. Er sagt: „Leider gibt es immer noch mehr Bienenhalter als Imker.“ Das sieht auch Nils Roos so. „In Deutschland kann jeder ohne Imkerschein Bienenvölker halten“, sagt der 15-Jährige. „Sich den nötigen Sachverstand lediglich durch das Anschauen von ein paar YouTube-Videos anzueignen, ist sicherlich nicht der richtige Weg.“

Für den Zwölftklässler des Gymnasiums Trittau beginnt nun als Jung-Imker die ruhigere Zeit. Seine Bienenvölker bereiten sich auf den Winter vor. Die Sommerbienen haben ausreichend Nahrung gesammelt, den Rest füttert der Imker zu. Die frisch geschlüpften Jungbienen dichten den Stock ab und bilden eine Traube um die Königin, um sie zu wärmen. Nils Roos ist bewusst: Seine Bienenvölker haben ihre Arbeit getan. Für ein 500-Gramm-Glas Honig mussten Arbeitsbienen rund 40.000 mal ausfliegen und legten dabei rund 120.000 Kilometer zurück.