Hamburg. Welche Arten besonders bedroht sind, zeigt ein Abendblatt-Report. Dabei braucht es nicht viel, den wichtigsten Bestäubern zu helfen.

Es lag nicht allein an den Spritzmitteln. Auch die Varroamilbe, ein winziger Parasit, der die Bienen angriff, trug eine Mitschuld. Hinzu kamen die extremen Wetterlagen. Ab dem Jahr 2000 ging es immer schneller. Trockene, warme Sommer ohne Blüten und Nektar töteten die Bienen. Harte Winter töteten die Bienen. Und Regen. Wenn es regnete, hielten sich die Bienen genau wie der Mensch lieber drinnen auf. Nasse Sommer bedeuteten einen langsamen Tod. Ein weiterer Faktor war die Monokultur. Für die Bienen war die Erde eine grüne Wüste. Der Mensch entwickelte sich rasant, und die Bienen kamen nicht hinterher.“ (Aus: „Die Geschichte der Bienen“, Maja Lunde)

Und doch ist ein Teil der Hoffnung von Menschenhand gemacht: außen Edelstahl, innen Eichenholz. Zwei Meter ragt die graue Metallstele in Planten un Blomen in die Höhe, gekrönt vom Schriftzug „Hotel Wildbiene“. Als Manuel Pützstück nach der Zimmerbelegung sehen will, bricht gerade einer der ersten warmen Tage des Jahres an. Einige Hummeln brummen schon durch den Park, während Pützstück einen der 15 Klötze aus dem Pfeiler zieht und im Schatten des Congress Centrums den Staub vom Holz wischt. Er betrachtet die kleinen Löcher. Tod und Verderben sieht er nicht.

Aber das Bienensterben ist aktuell. In der EU, im Bund, in den Ländern, in den Medien, auf den Bauernhöfen und nicht zuletzt in Städten wie Hamburg. Überall wollen Menschen den Bienen helfen. Der jüngste Erfolg des bayerischen Volksbegehrens „Schutz der Artenvielfalt“, an dem sich so viele Einwohner beteiligt haben wie nie zuvor, konnte jedenfalls nur Menschen überraschen, die den Insektenerhalt immer noch für ein Nischenthema selten ans Tageslicht gehender Wissenschaftler halten. Denn Unterstützung kommt inzwischen aus allen Teilen der Gesellschaft, auch durch eine Abendblatt-Aktion. Aber reicht das alles schon?

Imkerei in der Stadt boomt

Bei Planten un Blomen blickt Manuel Pützstück, ein bärtiger Umweltwissenschaftler mit Kapuzenpulli und Wanderschuhen, in 156 Bohrlöcher. 156 mögliche Nisthöhlen für die Tiere, an deren Erhalt die ganze Welt interessiert scheint. Sind die wenigen Millimeter kleinen Öffnungen verschlossen, ist das für den Experten der Deutschen Wildtier Stiftung ein gutes Zeichen. Einige Arten überwintern in der Hülle eines Kokons.

In Hamburg zu Hause, aber selten geworden: Bombus distinguendus – die Deichhummel.
In Hamburg zu Hause, aber selten geworden: Bombus distinguendus – die Deichhummel. © Alamy Stock Photo

Die Imkerei in der Stadt boomt, der Wildbienenschutz ist Konsens, weitere Initiativen ähnlich der bayerischen formieren sich. In Hamburg kümmert sich ein Bündnis unter Federführung der Deutschen Wildtier Stiftung um die Nützlinge. Mit einem Monitoring von Wildtier Stiftung, Umweltbehörde und dem Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität wird die Grundlage für ein bienenwürdiges Leben in der Großstadt angestrebt. Wildbienenwürdig.

Von großer Bedeutung ist dabei das erstmalige Erstellen einer Roten Liste für Wildbienen in Hamburg. Denn während die domestizierte Honigbiene der Imker stetig zulegt, ist ihre wilde Verwandte arg bedroht. „Die Rückgänge sind bereits dramatisch“, sagt Insektenexperte Pützstück. Bis 2020 zählt der 32-Jährige mit Kollegen noch und geht den Fragen nach. Wer summt durch die Stadt? Wer ist bedroht? Und wie kann man wo Verbesserungen herbeiführen?

Anders als im literarischen Endzeitszenario aus Maja Lundes Bestseller „Die Geschichte der Bienen“ sind sich Wissenschaftler und Naturschützer einig: Die Zeiten für die wilde Bestäubergemeinschaft waren sicher schon besser. Aber es gibt Grund zur Hoffnung, auch in der Großstadt. Gerade in der Großstadt.

Mimikrykünstler wie die Wespenbiene täuschen etwas vor, was sie nicht sind: gefährliche Räuber.
Mimikrykünstler wie die Wespenbiene täuschen etwas vor, was sie nicht sind: gefährliche Räuber. © picture alliance

„Wichtige Rückzugsorte für Wildbienen“ nennt Martin Husemann, Chef der Insektenforschung am CeNak der Universität, die deutschen Großstädte. Trotz versiegelter Fläche und hoher Schadstoffbelastung fänden die Tiere im urbanen Raum oft, was sie brauchen. Sandige Böden, pflanzliche Vielfalt, in den Naturschutzgebieten sogar Totholz und Wildwuchs. Große, bewusst natürlich belassene Gärten seien innerorts verbreitet. „Auch auf Brachflächen findet man immer wieder seltene Arten.“ Verglichen mit eintönigen, ländlichen Agrarflächen seien Großstädte aus Wildbienensicht abwechslungsreiche Habitate.

Im Gegensatz zur Westlichen Honigbiene, die von Imkern verwendet wird, aktuell sehr gut zurechtkommt und als Generalist fast alles bestäubt, gelten viele der etwa 590 in Deutschland lebenden Wildbienenarten als gefährdet: Nahrungs- und Lebensraumspezialisten wie Mauerbienen, Sandbienen oder die 40 Hummelgattungen – zu denen auch norddeutsche Vertreter wie Deich- und Mooshummel zählen.

Als Teil der bestäubenden Insektenfamilie sind alle Bienen für die Befruchtung vieler Nutz- und Wildpflanzen verantwortlich. Ihr Anteil am Ernteertrag von Erdbeeren, Äpfeln, Beeren, Raps oder Sonnenblumen wird mit 20 bis 40 Prozent angegeben. Nicht grundlos konstatierte der EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis nach dem europaweiten Verbot der Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam: „Die Gesundheit der Bienen bleibt für mich von größter Bedeutung, weil sie Artenvielfalt, Lebensmittelproduktion und Umwelt betrifft.“

Pestizidverbote reichen nicht aus

Aber das große Ganze beginnt immer im Kleinen. So wie im Hamburger Wildbienenhotel. Manuel Pützstück betrachtet dort die verschlossenen Brutkammern der Insekten. Die Bienen haben sie mit Holzmörtel und Pflanzenresten abgedichtet, um ihren Nachwuchs zu schützen. Die Eingänge der Kammern sind unterschiedlich groß – zwei bis neun Millimeter, je nach Wildbienenart. Platz genug bietet der vor zwei Jahren errichtete Hotel-Turm für Wildbienen mit seinen 59 Stockwerken und 2970 Zimmern. Der Biologe ist zufrieden. Die Tiere nehmen das Angebot an. Der Plan, Lebensräume in der Stadt zu schaffen, geht auf. „Es funktioniert.“

Diese Erkenntnis wird auch an der Universität mit Interesse zur Kenntnis genommen. Das Bienen-Projekt nebst Monitoring, Roter Liste und Artenforschung ist dort Chefsache. Martin Husemann kümmert sich darum. Der 36 Jahre alte Entomologe könnte in seiner Arbeitskleidung auch skaten gehen, forscht nach dem Studium in den USA und Deutschland aber lieber an Insekten. „Head of Entomology“ steht unter seinen E-Mails. Bienen, ihre Parasiten und Krankheiten, aber auch andere Insekten wie Heuschrecken und Ameisen – das ist seine Welt.

Eine Welt, die sich mit allgemeingültigen Aussagen ohne belastbare Grundlage schwertut. Klar sei nach Ansicht der Wissenschaft aber, dass europaweite Pestizidverbote allein nicht ausreichen, um die Wildbienen zu retten. Denn auf sie folgen andere, neuere Pestizide. Um Bienen nachhaltig zu schützen, sagt Husemann, müssten Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion grundsätzlich umgestellt werden. Denn gerade die spezialisierten Wildbienen leiden an landwirtschaftlichen Monokulturen.

Die Furchenbiene heißt wegen der Beschaffenheit ihrer Beine so. Sie kommt in Hamburg vor.
Die Furchenbiene heißt wegen der Beschaffenheit ihrer Beine so. Sie kommt in Hamburg vor. © picture alliance

„Wichtig sind Korridore, also zusammenhängende, vernetzte, naturbelassene und für die Tiere erreichbare Habitate“, sagt Husemann. Oder sonnige Pionierstandorte, an denen sich Arten erstmals niederlassen können. Die in kleinen Verbünden oder einzeln lebenden Insekten benötigen abwechslungsreiche Nahrungs- und Nistgründe. Den Bestand an Wildbienenarten in Hamburg schätzt Husemann auf 100 bis 150.

Momentan erwachen die kleinsten Geschöpfe der Großstadt. Die aktive Zeit der Wildbienen beginnt. Die jungen Hummel-Königinnen spüren, dass der Frühling kommt. Sobald die Temperaturen über den Gefrierpunkt klettern und die Sonne das Leben langsam auftaut, krabbeln die Tiere aus ihren Winterquartieren. Sie überwintern gern in hohlen Pflanzenstängeln, selbst gegrabenen Erdgängen oder in Totholz. „Dort bringen sie in Brutzellen die nächste Generation durch, gut versorgt mit Nektar und Pollen“, sagt Manuel Pützstück in Planten un Blomen. Hat sich die Larve verpuppt, ruht sie faul und fast unbeweglich im Nest, bis sie als Wildbiene schlüpft.

Der Experte der Deutschen Wildtier Stiftung ist einer, der lieber anpackt statt redet. Vor allem wenn es um seine Leidenschaft, die Wildbienen, geht. „Die sind total spannend, weil sie so viele unterschiedliche Lebensweisen haben, das erwartet man gar nicht bei uns in Deutschland. Und diese Exoten fliegen direkt vor unserer Nase.“ Er hat auch Lieblingsarten, wie die Schneckenhausmauerbiene. Sie legt ihre Eier in leere Schneckenhäuser und tarnt diese mit Pflanzenmaterial. Oder die Blattschneidebiene, die Pflanzenteile zerkleinert und damit die Brutkammer tapeziert.

Deichhummeln neben Killerbienen

Erstaunliche Fähigkeiten sind im Wildbienenreich weit verbreitet. Etliche Exemplare lagern in einem schmucklosen Flachbau im Stadtteil Rotherbaum, im Gedächtnis der Hamburger Bienenforschung. Durch die langen Gänge wabert der Duft von Konservierungsmitteln, hinter braunem Holz schlummern mehr als 100 Jahre alte Tiere der Apoidea-Familie: einst für die Wissenschaft gefangen und für die Nachwelt präpariert. In der Trockensammlung des Centrums für Naturkunde, einem Labyrinth aus hohen Regalen, haben Bienen und Hummeln neben Schmetterlingen oder Käfern aus aller Welt eine eigene Abteilung.

„Das hier ist eine Kuckuckshummel“, sagt Insektenforscher Husemann, während er einen gläsernen Schaukasten dreht und wendet. Ihren Namen hat sie, weil sie sich in ein fremdes Nest setzt, um ihre Nachkommen vom gekaperten Hofstaat füttern und großziehen zu lassen. Neben den gefürchteten Killerbienen, übrigens eine Kreuzung des Menschen, finden sich dort auch die hamburgtypischen Vertreter wie Deichhummeln und ihre nahen Verwandten, die Mooshummeln, die ebenfalls auf den Halligen zu finden ist. Über einigen Tieren steht bereits „Rote Liste“.

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Schlägt es schon 13 für die Wildbienen? „Mag sein“, sagt Husemann. Aber ein Wende sei möglich, auf dem Land wie in der Stadt. „In Hamburg gibt es viele geeignete Nischenhabitate, etwa Parks und Botanische Gärten“, so der Experte. „Viele Gartenbesitzer achten auf eine bewusste Gestaltung und eine Blühfolge für Wildbienen, damit im Frühling und Sommer genügend Futter vorhanden ist.“ Manchen Arten reiche schon sandiger Grund für ihre Höhlen.

Obwohl Wissenschaftler weltweit die Mischung aus Chemikalien, Lärm, Strahlung, Luftverschmutzung und Verkehr als „deadly cocktail“ für Bienen bezeichnen, spendet das Zwischenergebnis des Hamburger Wildbienenmonitorings Hoffnung: Die Forscher, betreut vom Berliner Wildbienenexperten Christian Schmid-Egger, streifen seit 2016 an trockenen, warmen Tagen zwischen April und August durchs Grün, fangen Wildbienen und haben dabei eine große Vielfalt und rare Arten aufgestöbert. So wie eine Furchenbiene, die als sehr selten gilt und an fünf Standorten nachgewiesen werden konnte (siehe Karte).

Mag die Nisthilfe vom Abendblatt: die Rote Mauerbiene, Insekt des  Jahres 2019 in der Schweiz.
Mag die Nisthilfe vom Abendblatt: die Rote Mauerbiene, Insekt des Jahres 2019 in der Schweiz. © picture alliance

Als erste Vertreter der Wildbienen sind aber immer die Hummeln unterwegs. Bis Mitte April müssen sie ihre Nester gebaut haben, um darin viele Hundert Eier abzulegen. Mithilfe einer kleinen Honigblase im Körperinneren schaffen es die Insekten, die ersten Stunden in den kühlen Februar-Tagen zu überleben, ohne zu verhungern. „Doch dann brauchen sie schnellstens gehaltvolle Kraftnahrung“, sagt Manuel Pützstück. Diese besteht – wie bei Profisportlern – aus viel Proteinen und Kohlen­hydraten. Gartenbesitzer können mit Krokussen, Schneeglöckchen, Märzenbecher und Weidenkätzchen die Suche nach Pollen und Nektar erleichtern.

Manchmal sei solche Hege sinnvoll, das Anbringen von Nistmöglichkeiten auch. Aber viel wichtiger ist, sagt Wissenschaftler Husemann, dass das Thema ins Bewusstsein der Menschen sickert und man die Tiere und ihren Lebensraum in Ruhe lässt. Insektenbestände regulierten sich weitgehend selbst. Ein Blühstreifen im Garten kann schon helfen. Denn: „Sind die Bienen happy, sind alle happy – die meisten anderen Insekten und die Menschen.“

Ermutigende Lichtblicke

Hamburger Funde wie die jüngst entdeckten Heidekraut-Bienenarten sind da ermutigende Lichtblicke. Alle Arten sind in Sandgebieten zu finden, bundesweit verbreitet, doch nirgends häufig. Gleiches gilt für das großstädtische Untersuchungsgebiet, alle Arten wurden nur an wenigen Standorten nachgewiesen. Hamburgs Wildbienen bevorzugen trockenwarme Lebensräume wie die Rissener Kiesgrube oder das Naturschutzgebiet Fischbeker Heide, aber auch auf dem Hamburger Flughafen oder dem baumreichen Ohlsdorfer Friedhof finden sie ansprechenden Lebensraum.

Wildbienenexperte Manuel Pützstück kümmert sich ums Insektenhotel in  Planten un Blomen.
Wildbienenexperte Manuel Pützstück kümmert sich ums Insektenhotel in Planten un Blomen. © HA | Marcelo Hernandez

Fast 40 Arten sind bundesweit trotzdem bereits ausgestorben, weitere 100 sind vom Aussterben bedroht oder als stark gefährdet klassifiziert. Von den 17.000 weltweit dokumentierten Arten produzieren nur zehn Honig. Aber Forschungen haben gezeigt, dass viele wilde Arten die effizienteren Bestäuber sind, manchmal regelrechte Tänze in den Blüten aufführen, um möglichst viel Pollen aufzunehmen, wie Insektologe Husemann weiß. „Die Wildbiene ist ein toller Bestäuber. Sie trägt viel mehr Pollen hin und her als die Honigbiene“, sagt auch Kollege Pützstück.

Einmal mehr tut sich dabei die Familie Bombus hervor, wie Hummeln wissenschaftlich genannt werden. Sie sind mit die ersten Bestäuber des Jahres und wichtig für früh blühende Obstsorten wie Kirschen und Äpfel. „Pro Tag besuchen Hummeln bis zu 1000 Blüten und mehr. Dafür sind sie bis zu 18 Stunden in der Luft“, so Pützstück. Verschwinden die Wildbienen, wird weniger dieser wertvollen Arbeit geleistet. Blumen-, Obst- und Gemüsesorten könnten eingehen. Experten warnen, dass der Rückgang vieler Arten sich langfristig auf die Nahrungsversorgung der Menschen auswirken könnte. Wildbienen seien unverzichtbar für die biologische Vielfalt.

Ein Grund mehr für Wissenschaftler wie Manuel Pützstück, sich mit Insektenhotels um bienenfreundliche Städte zu bemühen. Mit dem Flughafen oder dem Friedhof Ohlsdorf wurden schon Blühflächen und Nistmöglichkeiten geschaffen. Von der Hansestadt aus sollen bundesweit ähnliche Wildbienenschutzprojekte gestartet werden. Das Ziel: so viele bienenfreundliche Flächen wie möglich im urbanen Raum.

Hobbyimkerei könnte kontraproduktiv sein

Dazu zählt für viele auch das Halten von Honigbienen. Denn Imkern ist das neue Briefmarkensammeln, ein entspannendes Hobby. Unternehmen oder Behörden stellen sich ganze Völker aufs Dach, hippe Großstadtmenschen produzieren hippen Großstadthonig, und Start-up-Unternehmen wittern mit Bienen-Sharing ein einträgliches Geschäft. Laut Imkerverband hat sich die Zahl der Mitglieder in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. „Es wäre völlig deplatziert, gegen das Aussterben der Honigbiene zu demonstrieren“, sagt die Landesvorsitzende der Imker Edda Gebel. Ihnen geht es gut (siehe Text links).

Das Gedächtnis der Hamburger Bienenforschung: die Trockensammlung der Universität, in der Chef-Insektologe Martin Husemann Teile der präparierten Hummel-Kollektion zeigt.
Das Gedächtnis der Hamburger Bienenforschung: die Trockensammlung der Universität, in der Chef-Insektologe Martin Husemann Teile der präparierten Hummel-Kollektion zeigt. © HA | Marcelo Hernandez

Die zunehmende Hobbyimkerei sehen Wildbienen-Experten wie Pützstück aber kritisch. „Nicht jeder kennt sich hinreichend damit aus, sodass sich Krankheiten schneller verbreiten.“ Zudem verdränge die Honigbiene die Wildbiene im Kampf um Nahrung. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem möglichen Konkurrenzkampf sind aber noch rar. „Es könnte so sein“, sagt Uni-Entomologe Husemann. Die Übertragung von Viren oder Parasiten der Honigbiene auf ihre wilde Verwandte sei da wahrscheinlicher. „Tests lassen vermuten, dass Übertragungen möglich sind.“

Augenscheinlicher ist, dass über den Winter das innen liegende Eichenholz des Wildbienenhotels in Planten un Blomen gesplittert ist. Das Holz wurde fälschlicherweise geleimt. Umweltwissenschaftler Pützstück tauscht deshalb schon früh im Jahr die alten, gerissenen Brutkammern aus. Wildbienen lieben es passend und steuern Höhlen gar nicht erst an, wenn das Loch nicht ihre Größe hat oder defekt scheint. Ansonsten sind die meisten Wildbienenarten nicht anspruchsvoll, vor allem sind sie friedlich. Von den Einzelgängern, den sogenannten Solitärbienen, immerhin 95 Prozent aller Arten, geht keine Gefahr aus. Pützstück: „Selbst wenn ihre Nester beschädigt werden, unternehmen sie keinen Versuch, sich zu verteidigen.“

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Imkerei in Hamburg auf Höhenflug

Dass beim Hamburger Wildbienen-Monitoring einzelne Exemplare der gefährdeten Arten für die Wissenschaft sterben müssen, bleibt nicht aus. Sie werden im Labor unter einem Binokular präpariert und bestimmt. „Das ist erforderlich, weil die Unterscheidungsmerkmale nur bei hoher Vergrößerung erkennbar sind“, so Pützstück. Bei einigen Tieren müssen sogar die Genitalien herauspräpariert werden, um die Arten zu erkennen.

Nach Ablauf des Projekts werden die Tiere im Zoologischen Museum für Studien bewahrt. Noch sind die Wissenschaftler guter Dinge, dass es nicht die letzten ihrer Art sein werden. Manuel Pützstück mahnt dennoch: „Die Wildbienen sind akut vom Lebensraumverlust betroffen. Sie sind schutzbedürftig.“ Er beendet den Frühjahrsputz und schließt das Insektenhotel. Neue Bienen können einziehen. Der Lebenskreislauf beginnt von vorn. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

So machen Sie bei der Aktion mit

Das Hamburger Abendblatt geht unter die Bienenzüchter und will mithelfen, den Bestand dieser wichtigen und nützlichen Bestäuberinsekten zu erhalten. Jeder von uns kann etwas gegen das Bienensterben tun. Vom 8. März an erhalten Sie deshalb in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32, Mo–Fr 9–19 Uhr, Sa 10–16 Uhr) Nisthilfen mit 20 Kokons der Roten Mauerbiene.

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Das Schlupfgefäß wird an der hölzernen Nisthilfe befestigt, perforiert mit ein paar Löchern. Schon nach wenigen Tagen können Sie das Schlüpfen beobachten. Anschließend sucht sich diese nicht aggressive Art einen Platz in der Nisthilfe. Nisthilfe (16 x 18 x 17 cm) und Schlupfgefäß kosten 36 Euro (32 Euro Treuepreis).