Grünhof. Frauen sind in den Freiwilligen Feuerwehren im Kreis noch in der Minderheit. Wie sich Martina Fitschen in der Männerdomäne behauptet.
Vor allem die altgedienten Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Grünhof-Tesperhude schauten nicht schlecht, als Martina Fitschen erstmals zum Dienst in der Wache an der Grünhofer Straße auftauchte. Eine Frau bei der Feuerwehr, das hatte es hier, im Ortsteil von Geesthacht, noch nicht gegeben. Der heutige Wehrführer Jan Andersen kann sich erinnern, dass damals Sätze wie „Wat schall dat denn?“ gefallen sind.
Damals, das war 1997. Heute – Martina Fitschen ist noch immer dabei – gibt es längst keine blöden Sprüche mehr. Mehr noch: Bei großen Einsätzen gibt die 49-Jährige inzwischen die Anweisungen. Die Brandmeisterin ist Zugführerin, das heißt sie koordiniert die Besatzungen von drei Fahrzeugen. Damit ist sie erneut Vorreiterin in einer Männerdomäne.
Martina Fitschen ist Zugführerin bei der Freiwilligen Feuerwehr
Im Kreis Herzogtum Lauenburg gibt es 127 Freiwillige Feuerwehren und zwei Werksfeuerwehren. Nur in den größeren Orten und Gemeinden sind die Wehren so groß, dass es Züge gibt. Im Herzogtum sind es 27 – und Martina Fitschen ist die einzige Zugführerin. Auch der Frauenanteil bei den hiesigen Feuerwehren insgesamt ist überschaubar. Unter den 4408 Kameraden im aktiven Dienst (Stand 9. Februar) sind lediglich 521 Frauen. Das entspricht einer Quote von knapp 12 Prozent.
Aus ihrem Heimatort Wohlerst (Landkreis Stade) kennt Martina Fitschen das anders. „Wir hatten eine komplette weibliche Wettkampfgruppe“, erinnert sie sich. Allerdings seien alle in dem Dorf mit gut 100 Einwohnern in die Wehr eingetreten. „Weil es nichts anderes gab“, so Fitschen, die 1990 mit 16 Jahren eintrat und bis zu ihrem Umzug nach Grünhof 1994 auch dort blieb.
Nach ein paar Jahren kribbelte es bei der Postbotin wieder. „Es ist das coolste Hobby der Welt. Alle Kameraden, ob nun 16 oder 67 Jahre alt, haben die gleiche Einstellung. Sie opfern Freizeit zum Wohle der Gemeinschaft“, sagt Fitschen, die sich nach einem Besuch bei einem Tag der offenen Tür entschied, in Grünhof mitzumachen. Besonders hängengeblieben sind bei ihr die Einsätze während des großen Elbe-Hochwassers 2002.
Nur eine Umkleide für Männer und Frauen
Auf eine Frau waren die Kameraden aber auch in anderer Hinsicht nicht vorbereitet: Es gab nur eine Umkleidekabine für alle – übrigens bei Weitem kein Einzelfall. „Da musste man durch. Aber man steht da ja nie komplett unbekleidet“, war es für die Feuerwehrfrau kein Problem. Dennoch: Mit ihr wurde das Thema aktuell. Seit 2005 steht ein kleiner Anbau neben der Wache mit getrennten Umkleiden und Duschen – letztere gab es vorher nicht.
Doch auch hier ist mittlerweile das Ende der Fahnenstange erreicht. Inzwischen sind die Frauen in der Grünhofer Wehr, die im vergangenen Jahr ihr 90-jähriges Bestehen feierte, zu siebt (unter 53 Aktiven insgesamt). In der Umkleide gibt es aber nur sechs Spinde. Bei den Männern ist auch nur einer frei. Nicht ohne Grund benötigt die Wehr eine größere Wache.
Im Jahr 2018 zur Zugführerin aufgestiegen
Martina Fitschen verdiente sich derweil in Grünhof schnell Respekt, auch weil sie berechtigt ist, ein Atemschutzgerät zu tragen – was körperlich besonders anstrengend ist. Von 2002 bis 2014 war sie bereits Gruppenführerin, so heißt die kleinste Einheit, die aus den neun Personen einer Wagenbesatzung besteht.
Seit 2018 ist zur Zugführerin aufgestiegen. „Klar ist man da ein bisschen stolz darauf. Das ist ja nicht selbstverständlich“, sagt Martina Fitschen. Schließlich wird man für einen höheren Posten nicht bestimmt, sondern von den Kameraden vorgeschlagen und gewählt.
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Etwa 100 Feuerwehr-Modellautos stehen in ihrer Wohnzimmervitrine
Im Hause Fitschen in Grünhof dreht sich übrigens vieles um Feuerwehr. Etwa 100 Feuerwehr-Modellautos haben in einer Wohnzimmervitrine ihren Ehrenplatz. Lebensgefährte Markus Gehring ist sogar extra wegen seiner Martina auch in die Feuerwehr eingetreten.
„Einige männliche Kameraden können sich von ihr eine Scheibe abschneiden“, betont Wehrführer Andersen. Bei der Jahresversammlung am Freitag, 3. Februar, wurde Martina Fitschen für 30 Jahre im aktiven Dienst geehrt. Hauptlöschmeister Ralf Behrendt wurde nach 30 Jahren im aktiven Dienst in die Ehrenabteilung verabschiedet.
Derweil gibt es einen Lichtblick, was die Frauenquote bei der Feuerwehr im Herzogtum angeht. In den Jugendabteilungen liegt der Anteil an Mädchen immerhin bei knapp einem Drittel (31 Prozent).