Grünhof. Die Freiwillige Feuerwehr Grünhof-Tesperhude feiert am 9. Mai Jahrestag. Sie braucht eine neue Wache.

Klaus Wieckhorst liegt in der Nacht auf den zweiten Weihnachtstag des Jahres 1970 nach einem Tanzabend gerade im Bett, als er unsanft von der Sirene aus dem Schlaf gerissen wird. Das Strandhotel Tesperhude steht in Flammen. Als das Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Grünhof-Tesperhude und spätere Wehrführer (2001 bis 2013) an der Wache eintrifft, ist das erste Fahrzeug schon unterwegs – das zweite springt in der klirrend kalten Nacht nicht an.

„Wird es schon, wenn wir anschieben. Von Grünhof nach Tesperhude geht es nur bergab“, sagen sich die Kameraden. Pustekuchen! Auf halber Strecke dämmert es ihnen: Die Batterie steht ausgebaut zum Aufladen in der Wache. „Als Jüngster durfte ich zurücklaufen“, erinnert sich der heute 73-Jährige.

Das erste Einsatzfahrzeug mit Hartgummi-Reifen stammt aus dem Jahr 1945.
Das erste Einsatzfahrzeug mit Hartgummi-Reifen stammt aus dem Jahr 1945. © FF Grünhof-Tesperhude

FF Grünhof-Tesperhude: Bei der Gründung 32 Mitglieder

Das Strandhotel können die Feuerwehrleute nicht retten. Später stellt sich heraus: Es war Brandstiftung. Heute stehen an der Stelle am Strandweg Reihenhäuser. Ein Übergreifen des Feuers auf das angrenzende Reetdach des Ärztepaares Schürmann können sie verhindern. „Das Gute war, dass das Löschwasser auf dem Dach gleich vereist ist – so kalt war es“, sagt Wieckhorst.

Der Brand im Strandhotel ist einer der größten Einsätze in der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr, die am 9. Mai 1932, also vor 90 Jahren, gegründet wurde. Damals hatte ein Feuer bei Gastwirt Bruhn Mängel in der bestehenden Pflichtbrandwehr aufgezeigt.

Liste der Gründungsmitglieder ein „Who’s who“ der Dorfgemeinschaft

Also fanden sich 32 Kameraden unter der Leitung des ersten Oberführers Hermann Lüneburg zusammen. Ein Auszug aus der Liste der Gründungsmitglieder liest sich wie das „Who’s who“ der heutigen Dorfgemeinschaft: Brandtmann, Schaper, Elvers, Nörring, Baumbach, Harders, Wichmann, Klobe, Howeyhe, Scharnberg. Und: Mit Walter Thiele (79) ist heute sogar noch ein Sohn eines Gründungsmitglieds in der Ehrenabteilung mit dabei.

2022 sind insgesamt 47 Kameraden und fünf Kameradinnen im aktiven Dienst. Die erste Frau, Martina Fitschen, ist seit 1997 dabei. Die Jugend-Feuerwehr gibt es seit 2005, sie hat heute 18 Mitglieder. Dazu gesellen sich 160 fördernde Mitglieder.

Beim ersten Großfeuer ist kein Kamerad im Ort

Seit 1983 organisiert die FF Grünhof-Tesperhude den „Klönschnack am Dieck“ – besser bekannt als Teichfest: ein Volksfest am Dorfteich zu dem am dritten Sonnabend im August Tausende Besucher kommen. In diesem Jahr fällt es jedoch wegen Corona noch einmal aus. „Stattdessen gibt es am 20. August einen Tag der offenen Tür anlässlich unsere 90-jährigen Bestehens“, sagt der seit 2018 amtierende siebte Wehrführer Jan Andersen. Gut möglich, dass dann auch die eine oder andere Anekdote aus der Vergangenheit erzählt wird.

Der dienstälteste Gruppenführer Walter Thiele (v.l.) und die noch lebenden Wehrführer Michael Römmer (2013-18), Klaus Wieckhorst (2001-13), Manfred Schröder (1977-2001), Jan Andersen (ab 2018).
Der dienstälteste Gruppenführer Walter Thiele (v.l.) und die noch lebenden Wehrführer Michael Römmer (2013-18), Klaus Wieckhorst (2001-13), Manfred Schröder (1977-2001), Jan Andersen (ab 2018). © Dirk Schulz

Etwa als an Pfingsten 1964 – beim laut eigener Historie ersten Großfeuer seit dem Bestehen, dem Brand in der alten Schule – kein Kamerad im Ort ist. Die Erklärung: „Bei der alten Pulverfabrik brannte es von Düneberg bis Altengamme, und wir haben den Geesthachter Kameraden mit Plattschaufeln geholfen“, erinnert sich Klaus Wieckhorst.

Ex-Ratsherr Wüppesahl hetzte den Kameraden den Staatsschutz auf den Hals

Im privaten VW Käfer – bei Weitem nicht alle Feuerwehrleute passten in die zwei Fahrzeuge – ging es zurück. „Wir haben unseren Feuerwehrhelm aus dem Schiebedach gehalten. Eine Sirene hatten wir ja nicht“, ergänzt Walter Thiele. Die Polizei, die die Straßen abgeriegelt hatte, ließ sie dennoch nicht passieren. Sie mussten durch den halben Ort laufen. In der Zwischenzeit leisteten Lauenburg und Gülzow Amtshilfe.

Klaus Burmester, Manfred Schröder und Wieckhorst werden nicht vergessen, wie ihnen der streitbare Ex-Ratsherr Thomas Wüppesahl 1985 den Staatsschutz auf den Hals hetzte, weil sie angeblich zu früh bei einem Feuer waren. Schröder: „Dabei waren wir nur gerade in der Wache, um Material einzulagern, als der Alarm kam.“

„Wenn wir eine Feier hatten und die Sirene ging, saßen die Frauen danach alleine da“

Auch das Elbe-Hochwasser 2002 als längsten zusammenhängenden Einsatz oder die vielen schweren Verkehrsunfälle auf der B 5 nach der Wende sind hängengeblieben. „Ich werde nie die Schreie einer Frau mit einem Oberschenkelhalsbruch vergessen, deren R4 hochkant an einem Baum stand. Schön war: Rund ein Jahr später schrieb uns ihre Mutter. Sie war gerade Oma geworden und dankte uns, weil das ohne unsere Hilfe nicht möglich gewesen wäre“, sagt Klaus Wieckhorst.

Dafür bringen er und seine Kameraden gerne Opfer. „Wenn wir eine Familienfeier hatten und die Sirene ging, saßen die Frauen danach alleine da“, sagte Wieckhorst, dessen Verwandtschaft zeitweise zehn Mitglieder zählte.

Passend zum 90. Geburtstag tagt am Montag, 9. Mai, der Bauausschuss in der Grünhofer Wache (17.30 Uhr, Grünhofer Str. 50). Ein Tagesordnungspunkt: Die FF soll ein neue Wache erhalten. Die alte ist zu klein geworden.