Geesthacht. Andere geben ihre Fahrerlaubnis im Alter ab, bei Marianne Goetze war es umgekehrt. Warum die Geesthachterin mit 92 zum TÜV musste.

Dass jemand 100 Jahre alt wird, kommt vor – besonders ist, wenn jemand dieses Alter noch bei bester Gesundheit erreicht. Jubilarin Marianne Goetze ist zudem noch aus einem anderem Grund eine echte Rarität im Seniorenheim der Johanniter in Geesthacht: Sie ist die Einzige, von der Pflegeheimleiterin Petra Henninger je gehört hat, die einen Führerschein für ihren Seniorenroller machen musste.

Marianne Goetze war am 2. Juni 2014 in das Pflegeheim eingezogen. Sie ist robust, aber für ihre Touren fehlte allmählich die Kraft. Ein Seniorenroller wäre perfekt, um die Mobilität zu erhalten, aber so einfach ließ sich das nicht an. Der TÜV bestand auf eine Fahrtauglichkeitsbescheinigung für das kleine Fortbewegungsmittel. „Das habe ich zum ersten Mal erlebt: Ein Senior von uns, der zum TÜV musste“, sagt Petra Henninger.

Zum Vorführen der Fahrkünste musste sie zum TÜV nach Hamburg

Geübt wurde im Seniorenheim: vorwärts, rückwärts, um die Ecke herum. Marianne Goetze fuhr schließlich mit der Bahn nach Hamburg, um ihre Fahrkünste beim TÜV vorzuführen. „Ich saß da beim Warten mit lauter Männern, die ihren Führerschein verloren hatten“, erinnert sich Marianne Goetze. „Und war deutlich die Älteste.“ Die Prüfung erledigte die damals 92-Jährige mit Bravour. „Das Zertifikat liegt irgendwo oben auf dem Schrank mit anderen Papieren“, sagt sie. Es hat niemand je sehen wollen. Mit dem Gefährt ist sie bis heute einmal in der Woche regelmäßig in der Geesthachter Innenstadt unterwegs, erledigt Einkäufe oder andere Geschäfte. „Frau Goetze ist noch völlig autark“, sagte Petra Henninger. „Ich bin selbst erstaunt, was ich alles noch kann“, meint die Jubilarin.

Peter Groh (stellvertretender Bürgervorsteher in Geesthacht) überbrachte Marianne Goetze Glückwünsche der Stadt und des Landes. Petra Henninger (Pflegeheimleitung) freut sich mit.
Peter Groh (stellvertretender Bürgervorsteher in Geesthacht) überbrachte Marianne Goetze Glückwünsche der Stadt und des Landes. Petra Henninger (Pflegeheimleitung) freut sich mit. © Dirk Palapies

Geboren wurde Marianne Goetze in Lodz, mit 19 Jahren wurde sie zur Luftwaffe einberufen – zur Überwachung des Luftraums. Sie geriet in Gefangenschaft, kam im Mai 1945 für sechs Wochen in ein Lager nach Rendsburg. Dann wurde ihr eine Unterkunft auf einem Bauernhof in Struckum zugewiesen. Erst von dort aus ließ sich wieder Kontakt zu ihrer Familie herstellen. Sie schrieb einen Brief, die Schwester antwortete. „Die Frau des Bauern brachte den Brief, sie war noch aufgeregter als ich“, erzählt Marianne Goetze.

Ihren Mann lernte sie über eine Zeitungsannonce kennen

Marianne Goetze fand eine Anstellung bei Philips in Lokstedt beim Bau von Radioröhren. 1954 heiratete sie. Ihren Mann hatte sie über eine Annonce kennengelernt. Kinder wollte Marianne Goetze als über 30-Jährige nicht mehr bekommen. Sie zog bei ihrem Mann in Rahlstedt ein. Anfang der 70er-Jahre siedelte das Paar in die Geesthachter Oberstadt um. Ihr Mann verstarb bereits in den 80er-Jahren.

Unter den Gratulanten zu ihrem 100. Geburtstag am Donnerstag (2. Februar) im Seniorenheim war auch Peter Groh, der stellvertretende Bürgervorsteher. Er brachte Glückwünsche, Urkunde und Blumen von der Stadt mit, zudem gab es eine Urkunde vom Land.

Die Stadt gratuliert stets zum 90., 95. und 100. Geburtstag, ab da für jedes weitere Lebensjahr. Für den Jahresverlauf 2023 sind vorgemerkt: 76 Menschen für 90 Jahre, 27 für 95 Jahre, zwei für 100 Jahre, vier für 101 Jahre, drei für 102 Jahre und jeweils eine Frau für 103 und 104 Jahre.