Geesthacht. Es war für die Autofahrer ein Schock: Mitten auf der Straße bedroht sie ein aggressiver Mann. Warum er wieder auf freiem Fuß ist.
Am 25. Januar stach ein Mann bei Brokstedt mit einem Messer auf Reisende eines Regionalzugs von Kiel nach Hamburg ein, tötete zwei Menschen. „Ich hätte in diesem Zug sitzen sollen“, sagt ein Geesthachter, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen möchte. Aber dann sei er eher aus Zufall mit dem Auto gefahren. Nur vier Tage später holten ihn die Geschehnisse in einem sehr ähnlichen Szenario ein. Am Sonntag versuchte ein mit einem Messer bewaffneter Mann, zu ihm ins Auto zu steigen. Es war der 29. Januar gegen 19 Uhr, an diesem Abend war nichts wie sonst am um diese Zeit normalerweise beschaulichen Dösselbuschberg.
Der Anwohner saß neben seiner Freundin im VW Up. „Wir hatten vor uns ein Auto, der Fahrer stieg auf die Bremse, fuhr dann schnell weiter“, schildert er die Vorkommnisse. Und dann sahen sie den Mann auf der Straße. Blaue Jeans, dunkle Jacke, Wollmütze, bartlos, Normalfigur. Ein jedermann. Nur viel zorniger. Nun nahm er den VW Up ins Visier. „Es ging alles so schnell. Er ist superaggressiv auf das Auto zugegangen. Als er neben der Beifahrertür stand, habe ich ihm ins Gesicht gesehen, es sah gefährlich aus“. Er suchte nach dem Knopf für die Zentralverriegelung, fand ihn aber nicht so schnell. Dann fuhr die Freundin los.
Ein Mercedes schoss „volle Pulle“ rückwärts zurück
Noch dramatischer erlebten Nicole Hoensch-Hampel und ihr Freund Maik Voigtländer im Mercedes Kombi die Situation. „Am Ilensoll ist ein Auto volle Pulle rückwärts gefahren“, erzählt die 2. Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung. „Wieso macht der das?“, fragte sich Fahrer Maik Voigtländer, dann bemerkten sie den 31-Jährigen. „Ich habe sofort das Messer gesehen“, sagt Nicole Hoensch-Hampel. „Er ist wie Winnetou auf uns zugesprungen, so, wie wenn der jemand erstechen will“. Der Mann wollte die Beifahrerseite aufreißen. Maik Voigtländer gab Gas. „Ich habe noch gedacht, du musst aufpassen, dass du ihm nicht über die Füße fährst“, erinnert er sich an die Schrecksekunden. Vier Polizeiwagen mit acht Beamten rasten schließlich zur Bertha-von-Suttner-Schule. Der 31-Jährige, der mit dem Messer fuchtelte, wurde überwältigt und zur Wache gebracht.
Der Täter mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit wohnt in einem anderen Stadtteil. Zum Aufenthalt in der Oberstadt und zum Verhalten hat er sich nicht geäußert. „Unkooperativ“, hieß es von der Polizei. Der Mann wurde nach Entnahme einer Blutprobe und ärztlicher Begutachtung aus dem Gewahrsam entlassen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck sah „keine Voraussetzungen für einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten“. Das wären zum Beispiel eine Flucht-, Verdunklungs- oder auch Wiederholungsgefahr.
„Wie erklärt man das den Angehörigen, wenn so etwas wieder passiert?“
Das kommt bei den Beteiligten der Schreckensnacht nicht gut an. „Der war richtig gefährlich. Das geht ja gar nicht“, sagt Nicole Hoensch-Hampel. „Das ist bedenklich“, sagt der Anwohner, der das Geschehen von Brokstedt im Kopf hat. „Wie erklärt man das den Angehörigen, wenn so etwas wieder passiert?“ Vor allem die Verneinung einer Wiederholungsgefahr wird als Knackpunkt skeptisch beurteilt. „Die Freilassung finde ich auch sehr merkwürdig. Der müsste noch weiter untersucht werden“, meint Maik Voigtländer.
Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, dass es sich beim Begriff der „Wiederholungsgefahr“ um einen Rechtsbegriff handele, der an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen geknüpft sei. „Hiervon zu unterscheiden ist, was man landläufig oder allgemeinsprachlich möglicherweise unter einer „Wiederholungsgefahr“ verstehen mag.
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Der gesetzliche Haftgrund der Wiederholungsgefahr setzt konkret unter anderem voraus, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat begangen zu haben. Dabei reicht es nicht aus, dass irgendeine Straftat begangen wurde. Vielmehr muss den Anlasstaten überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt und Schweregrad zukommen“, erklärt Dr. Jens Buscher, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher.
Die Ermittlungen der Polizei laufen noch. Weitere Zeugen und Geschädigte werden gebeten, sich unter Telefon 041 52/800 30 zu melden.