Geesthacht. Vamed-Klinik hat das Wasser aus Geesthachts einzigem Hallenbad abgelassen. Was wird jetzt aus Physiotherapie und Schwimmunterricht?
Nur ein Hallenbad ist verblieben in Geesthacht, aber auch das liegt nun trocken. Es ist das Therapiebecken der Vamed-Klinik im Edmundsthal. Es dient der Behandlung der eigenen Patienten, steht aber auch anderen Gruppen zur Miete offen. Nur hier gibt es in Geesthacht noch die Möglichkeit für Kinder, in einer Halle vor dem Sommer schwimmen zu lernen, hier halten sich Teilnehmer bei Aqua-Kursen des VfL Geesthacht fit, und hier gibt es Physiotherapie im Wasser für Menschen, die sie bitter nötig haben. So wie Gerhard Michaelis.
Das Vamed-Becken soll erst mal für drei Monate geschlossen bleiben, hat Gerhard Michaelis gehört. Er sorgt sich aber, dass sich wiederholt, was er im Juni mit dem Bad im Johanniter Krankenhaus erlebt hat: dass auch im Edmundsthal das Wasser für immer abgelassen bleibt. Die Ungewissheit ist groß, auch bei den vielen anderen Gruppen, die jetzt auf dem Trockenen sitzen.
Therapie im Wasser: Einmal in der Woche auf eigenen Beinen stehen
Gerhard Michaelis erhebt sich mühsam aus seinem Rollstuhl. Er will sich aufrichten, doch bei einem Winkel von 45 Grad ist Schluss. Gerhard Michaelis bleibt stehen wie eine gekrümmte Krabbe. Erst im Wasser fühlt er sich wieder als Mensch. Es trägt ihn, richtet ihn auf, und er kann wieder ein paar Schritte gehen. An Land ist Fortbewegung nur noch im Rollstuhl möglich. ,„Das war das Schönste im Wasser: Ich konnte wieder laufen“, sagt er. „Ich hatte das Gefühl, wenigstens einmal in der Woche allein auf den Beinen zu stehen“.
Große Ungewissheit, ob auch das Vamed-Bad für immer schließt
Gerhard Michaelis trainierte im Becken der Vamed-Klinik mit seinem Physiotherapeuten. Der ehemalige Vorsitzende des Geesthachter Seniorenbeirates hat sich als Zimmerer den Rücken kaputt gearbeitet. Die Bandscheiben sind verschlissen. „Ich konnte es vor Schmerzen nicht aushalten“, sagt er. Seit 1989 brachten vier Operationen nur kurzfristig Linderung, schließlich wurde 2006 der Rücken medizinisch versteift. Auch das half nicht lange, die Schmerzen sind wieder da – obendrein ist die Haltung dahin. „Ich will nicht mehr operiert werden. Ich weiß nicht, wie es nun weitergeht“, sagt er verzweifelt. „Die einzige Möglichkeit, dass ich wieder ein bisschen gerade werde, ist im Wasser“.
Nils Metzger, Leitung Unternehmenskommunikation bei Vamed, beschwichtigt: „Das Bad bleibt nicht geschlossen, wir sind uns bewusst, was das Schwimmbad für die Stadt bedeutet. Es ist eine Maßnahme im Rahmen des Energiesparens. Das Bad ist neben der Küche unser größter Stromverbraucher. Es ist für zwölf Prozent des Verbrauchs verantwortlich“. Die Fläche der Schwimmhalle misst 16 Meter in der Länge, acht Meter in der Breite bei einer Wassertiefe von 60 Zentimetern bis 1,35 Metern. Es fasst 345 Kubikmeter Wasser. Die Schließung gilt zunächst bis zum 31. März. „Die Öffnung hängt von der weiteren Entwicklung ab“, sagt Nils Metzger. Die Maßnahme ist gekoppelt an die Notfallstufe Gas des Bundeswirtschaftsministeriums.
Ein Weiterbetrieb mit kälterem Wasser ist nicht möglich
Die Schließung sei alternativlos gewesen, so Nils Metzger. Ein Weiterbetrieb mit abgesenkter Temperatur – das Wasser ist 32 Grad warm – sei wegen der Arbeit mit auch kleinen Kindern nicht möglich. Die Physiotherapie der Vamed-Patienten wird mit Übungen an Land bis zur Wiedereröffnung überbrückt.
Auch wenn das Vamed-Bad wieder öffnen wird – die Situation wirft ein Schlaglicht auf die Situation rund um Geesthacht. „Die Wasserphysio hat die Kasse übernommen, das ist nicht das Problem“, sagt Gerhard Michaelis. „Sondern die Anwendung irgendwo auch nehmen zu können“. In die Praxis-Klinik am Lohbrügger Markt ist Gerhard Michaelis vormals ein Jahr lang mit Bus und Rollstuhl gefahren – eine Tortur für Menschen mit Schmerzen und stark eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Als Ausweichbecken hat er nun doch das Bewegungsbad im alten Haus im Park in Bergedorf angefragt. Er sorgt sich auch um den Muskelabbau. Vielleicht klappt es im Februar. Wasserplätze sind überall begehrt.
VfL Geesthacht hält an Plan für Hallenbau mit Bad fest
Marion Höll bringt Kindern in ihrer Schwimmschule Sirata das Schwimmen bei, nutzt das Freizeitbad Reinbek und eben das Vamed-Bad. „Mir fällt ein Stein vom Herzen“, sagt sie, als sie hört, dass es wieder öffnen wird. Für einen Teil der Kinder hat sie kurzerhand eine Lösung in Reinbek organisiert. „Wir haben gut 500 Familien als Kunden“, sagt sie. „Nicht nur in Geesthacht und Umgebung gibt es zu wenig Möglichkeiten, sondern deutschlandweit. Jeder meckert darüber, dass es so viele Kinder gibt, die nicht schwimmen können – na klar, aber wo sollen die denn schwimmen lernen?“, fragt Marion Höll.
Zumindest in Geesthacht könnte sich die Situation baulich auf längere Sicht verbessern. „Ich bin zuversichtlich, bis 2030 steht die Halle“, sagt Jörg Kunert, Vorsitzender des VfL Geesthacht. Der Verein verfolgt den Plan eines Hallenbaus mit einem Lehrschwimmbecken trotz gestiegener Kosten weiter. Nur nicht so schnell wie gedacht. „Was uns reingegrätscht ist, sind die Preise“, sagt Jörg Kunert. Letzter Planungsstand sind 4,5 Millionen Euro. Die Vamed-Klinik kann Jörg Kunert gut verstehen. „Das sind auf einmal die vierfachen Kosten, da müssen sie einfach abschließen.“