Geesthacht. Verunglückt in Geesthacht ein Kind, ist es ein weiter Weg bis ins Krankenhaus. Ärzte und Sanitäter bekommen jetzt eine Extra-Schulung.

Seit einem Jahr ist klar: Der Aufbau einer eigenen Kinderstation im Johanniter-Krankenhaus erweist sich als sehr schwierig, eher sogar als unmöglich. Im November 2021 waren Geschäftsführer Carsten Schwab und der ärztliche Direktor Timo Rath – beide sind mittlerweile nicht mehr im Amt – im Geesthachter Sozialausschuss eingeladen gewesen, um die Chancen für den Aufbau einer solchen Station vor Ort zu erörtern. Dem Anliegen lag ein Vorstoß der CDU-Fraktion zugrunde.

Probleme gäbe es laut ihrer Ausführungen durch eine zunehmende Spezialisierung der Pädiatrie (Kinderheilkunde) in verschiedenste Fachgebiete. Personalengpässe würden das Problem verschärfen, zumal es im Vergleich zu anderen Fachgebieten auf dem Markt nur wenige Kinderärzte gibt. Von denen bräuchte man aber mehr, wenn man eine Pädiatrie rund um die Uhr besetzen will.

Kinder in Not: 29 Notärzte und Sanitäter bildeten sich in Geesthacht fort

Weiteres Hindernis sind erwartungsgemäß zu wenig Patienten über das Jahr und die Landes-Krankenhausplanung. Hier gilt die Region mit einem weiteren Krankenhaus in Lüneburg, dem Wilhelmstift in Hamburg und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Lübeck gut aufgestellt, auch für sehr junge Patienten. Die Fahrtzeit nach Lüneburg etwa gilt mit 30 Minuten als zumutbar. Alles in allem: Eine eigene Kinderstation im Johanniter ist eher nicht machbar.

Den Ausführungen im Ausschuss folgte damals auch Ilse Timm von der Stiftung „Hilfe für das schwerstkranke Kind“ sehr aufmerksam. Wenn also schon ein Transport von sehr jungen Patienten mit dem Rettungswagen in die umliegenden Kliniken unumgänglich bleibt, dann sollten diese Fahrten wenigstens eine noch bessere Versorgung gewährleisten, so ihre Überlegung. Sie versprach noch vor Ort Hilfe als Sponsorin. Dank ihr sind die Einsatzteams im Kreis jetzt fitter für solche Einsätze. Am Wochenende 26. und 27. November fand eine zweitägige Fortbildung in Geesthacht mit insgesamt 29 Notärzten sowie Notfall- und Rettungssanitätern statt, die Ilse Timm initiiert hatte.

Im vergangenen Jahr gab es im Kreis 172 Rettungswageneinsätze (RTW), bei denen Sechs- bis Zehnjährigen geholfen werden musste, bei 48 dieser Einsätze wurde zusätzlich ein Notarzt angefordert. Bei 132 Einsätzen ging es um Notfälle bei Kindern im Alter von 0 bis sechs Jahren, hier war immer ein Notarzt mit vor Ort.

Jeder Rettungswagen verfügt über speziellen Equipment-Koffer für Kinder

Wenn Babys oder Kinder Hilfe von Notfall- und Rettungssanitätern benötigen, ist das für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Jeder Einsatzwagen ist zwar mit einem speziellen Equipment-Koffer ausgestattet, aber Routine gibt es kaum, da diese Einsätze glücklicherweise selten sind. Aktuell ist bei jedem 50. RTW-Einsatz im Kreis Herzogtum Lauenburg ein Kind unter sechs Jahren betroffen. Die fehlende Routine begünstigt Stress und Unsicherheit bei den RTW-Teams, dies kann zu einer nicht optimalen Versorgung der kleinen Notfallpatienten führen.

Das weiß natürlich auch Dr. Juliane Rath, die ärztliche Leitung im Rettungsdienst für den Kreis Herzogtum Lauenburg. „Kinder sind auf keinen Fall kleine Erwachsene. Es gilt in allen Altersgruppen Besonderheiten zu berücksichtigen und Fallstricke zu vermeiden“, erklärt die Ärztin.

Fehlende Routine begünstigt Stress und Unsicherheit

Für die Fortbildung stellte die Freiwillige Feuerwehr Geesthacht spontan ihre Räume am Kehrwieder zur Verfügung. 15 Notärzte und 14 Notfall- und Rettungssanitäter aus dem Kreis wurden durch Experten der Arbeitsgemeinschaft in Norddeutschland tätiger Notärzte (AGNN) in dem praxisnahen Training „Kindernotfall Zirkel“ (KiTZ) geschult.

Mit einem Knochenbohrer und rohen Eier übten die Ärzte einen direkten Medikamentenzugang in die Knochen eines Kindes.
Mit einem Knochenbohrer und rohen Eier übten die Ärzte einen direkten Medikamentenzugang in die Knochen eines Kindes. © Ariaane D. Funke | Ariaane D. Funke

Aktuelle medizinische Handlungsempfehlungen deutscher wie internationaler Fachgremien sowie moderne Konzepte der Teamarbeit und Stressbewältigung wurden von den vier Dozenten thematisiert. Auch Fingerspitzengefühl war gefragt. So wurden Zugänge, die bei Kindern mit einem Knochenbohrer in einen Knochen gelegt werden, an rohen Eiern geübt. „Wer das Ei kaputtmacht, backt Kuchen“, witzelte Dozent Frank Schmelzkopf.

Norbert Brackmann: „Der Inhalt dieses Seminars ist von großer Bedeutung“

„Ich bin seit 13 Monaten in Geesthacht und seit etwa sieben Jahren als Notarzt im Einsatz. Dieses Seminar ist für uns alle so wichtig, da die Routine bei Einsätzen mit Kindern fehlt“, berichtet der Anästhesist Florian Riedel. Auch der ehemalige Lauenburger Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann (CDU) hatte klare Worte: „Der Inhalt dieses Seminars ist von großer Bedeutung“, meinte er. Norbert Brackmann engagiert sich ehrenamtlich bei der Deutschen-Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) und somit im Katastrophenschutz des Kreises Herzogtum Lauenburg.

„Der Inhalt dieses Seminars ist von großer Bedeutung“, sagte Norbert Brackmann, hier mit Initiatorin Ilse Timm und Dr. Juliane Rath (r.), ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes im Kreis.
„Der Inhalt dieses Seminars ist von großer Bedeutung“, sagte Norbert Brackmann, hier mit Initiatorin Ilse Timm und Dr. Juliane Rath (r.), ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes im Kreis. © Ariaane D. Funke | Ariaane D. Funke

Da auch die Kommunikation eine wichtige Rolle spielt, wurden die Ärzte und Sanitäter zunächst in kleine Gruppen eingeteilt. In einem Trainingszirkel, der in vier verschiedenen Räumen aufgebaut war, konnten sie dann ihre Fähigkeiten zu den thematischen Schwerpunkten Atemstörung und Atemnot, Kreislauf- und Bewusstseinsstörungen, Trauma und Akutschmerztherapie sowie Reanimation unter Beweis stellen und optimieren.

Am Ende zeigte sich auch Ilse Timm zufrieden mit „ihrem“ Werk als Initiatorin: „Mir ist es wichtig, dass die Kinder optimal versorgt werden und dass es eine gewisse Beruhigung bei den Eltern gibt, daher habe ich die Schulung mit Hilfe meiner Stiftung gern finanziert“, sagte sie.