Geesthacht. Made in Geesthacht: Mit der am Helmholtz-Zentrum entwickelten FerryBox werden Schiffe zu schwimmenden Laboren. 33 Fähren und Frachter liefern Experten inzwischen wichtige Daten zwischen Nordpolarmeer und Antarktis - statt teurer Forschungsschiffe.
Sie fliegt in modernen Jets hoch über den Wolken mit oder ist tief im Bauch von Schiffen versteckt. Sie hat Standards gesetzt und spielte schon eine Rolle bei den Olympischen Spielen: Technologie und Forschung, die im Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) entwickelt wurde. In einer neuen Serie stellen wir die Erfindungen made in Geesthacht und die Menschen dahinter vor.
Die Idee ist ebenso einfach wie genial: Statt teure Forschungsschiffe auf Reisen zu schicken, werden Fähren und Frachter, die regelmäßig auf der gleichen Route unterwegs sind, mit automatischen Messgeräten ausgestattet. Doch entsprechende Technik gab es auf dem Markt nicht. Forscher des Helmholtz-Zentrums Geesthacht haben diese Idee in die Tat umgesetzt – und damit die Erforschung der Meeresumwelt revolutioniert. FerryBox taufte das Team des Instituts für Küstenforschung ihre Entwicklung, die dieser Tage zehnjährigen Geburtstag feiert. Mittlerweile ist die Technik made in Geesthacht an Bord von 33 Schiffen auf der ganzen Welt unterwegs und liefert den Forschern eine Fülle von Daten.
„Wir haben mit der FerryBox einen Standard gesetzt“, sagt Dr. Wilhelm Petersen, der am HZG die Forschungen an der FerryBox leitet. Vollautomatisch können die Metallcontainer im Bauch von Schiffen Daten über Algenblüten, Umweltbelastungen oder Sauerstoffgehalt sammeln – Daten, nach denen die Nachfrage enorm steigt. „Die Daten gehen etwa in Modelle ein, wie die Nordsee sich entwickelt – beispielsweise was Temperatur oder Salzgehalt angeht“, sagt Petersen. „Das ist ähnlich wie aktuelle Wetterdaten, die für eine Vorhersage gebraucht werden.“ „Für unsere Wissenschaft sind solche Langzeit-Messreihen mit dieser hohen zeitlichen und räumlichen Auflösung enorm wichtig“, sagt Dr. Wilhelm Petersen. „Zum Beispiel für die Beobachtung von Algenblüten, die oft nur ein bis zwei Wochen dauern.“ Denn es ist unwahrscheinlich, dass gerade zum Zeitpunkt der Algenblüte ein Forschungsschiff vorbeifährt. Ein weiterer Vorteil: Die Frachtschiffe und Fähren fahren bei fast jedem Wetter, so dass es kaum Datenlücken gibt.
Mittlerweile wird die Technik weltweit vermarktet, das Helmholtz-Zentrum kooperiert dazu mit dem Partner 4HJENA aus der Industrie. Dieser sorgte dafür, dass die FerryBox mittlerweile von Spitzbergen bis in die Antarktis im Einsatz ist. Zuletzt hat die Brasilianische Ölfirma Petrobras ein solches Messsystem gekauft, um die Wasserqualität rund um ihre Ölplattformen zu überwachen.
Sie ist mannshoch, aus robustem Metall, kostet bis zu 100.000 Euro – und ist vollgestopft mit Sensoren. 2003 entwickelten Wissenschaftler des Instituts für Küstenforschung am HZG eine große Kiste, die seitdem Dauergast auf Fähren und Frachtschiffen ist, von der Nordsee bis zur Antarktis im Dienste der Wissenschaft unterwegs ist. Die in Geesthacht entwickelte und mit dem Industrie-Partner 4HJENA auf den Weltmarkt gebrachte FerryBox ist ein vollautomatisches Labor made in Geesthacht, das in der Meeresforschung neue Standards gesetzt hat. Durch ein kleines Loch in der Außenhülle des Schiffes analysiert die silberne Kiste autonom das Wasser von Ostsee, Nordsee oder den Ozeanen. Per Satellit in Echtzeit oder im sicheren Hafen über die Handyleitung schickt die Box ihre Messergebnisse direkt in die Forschungszentren. Für die Wissenschaft eine enorme Erleichterung.
„Der Einsatz eines Forschungsschiffs kostet 10.000 bis 20.000 Euro pro Tag“, sagt Dr. Wilhelm Petersen, der am HZG die Forschung an der FerryBox leitet. Zudem liefern die Forschungsfahrten nur Momentaufnahmen – die fünf FerryBoxen, die für das HZG im Einsatz sind, schicken dagegen kontinuierlich Daten. „Für unsere Wissenschaftler sind solche Langzeit-Messreihen mit dieser hohen zeitlichen und räumlichen Auflösung enorm wichtig“, sagt Petersen. „Zum Beispiel für die Beobachtung von Algenblüten, die oft nur ein bis zwei Wochen dauern.“ Ein weiterer Vorteil: Die Frachtschiffe und Fähren fahren bei fast jedem Wetter, so dass es kaum Datenlücken gibt. Aber auch an festen Messplattformen oder an Offshore-Windparks können die Boxen installiert werden – da sie sich und ihre Geräte selbstständig reinigen, ist der Wartungsaufwand gering. Im Schnitt alle acht Wochen muss die FerryBox geöffnet werden – bei kleineren Pannen im laufenden Betrieb wird auch schon mal die Schiffscrew im Hilfe gebeten, manchmal hilft schon der alte Trick, den jeder Computer-Nutzer kennt: ausschalten und wieder einschalten.
Die einfache Anwendung sorgt für Nachfrage: Neben dem HZG betreiben auch andere Forschungsinstitute sowie die Industrie FerryBoxen – beispielsweise um Verschmutzungen an Ölförderanlagen zu erkennen. Mittlerweile sind 33 von ihnen weltweit im Einsatz. Je nach Interesse und Bedarf wird die Box mit unterschiedlichen Messgeräten ausgestattet: vom Thermometer, über Geräte zur Überwachung des Algenwachstums bis zum pH-Sensor zur Messung der Ozeanversauerung.
Am Institut für Küstenforschung forschen Wilhelm Petersen und seine Kollegen zurzeit an der Entwicklung neuer Messgeräte für die FerryBox. Unter anderem entwickeln die Küstenforscher Sensoren zur Messung von Nitrat, Ammonium, Phosphat und Silikat. Die Messung dieser Nährstoffe hilft den Wissenschaftlern, Aussagen über die Belastung der Meere zu machen und die biologischen Zusammenhänge im Meer besser zu verstehen. Beispielsweise die Entstehung von Algenblüten, sowie deren Dynamik und Artzusammensetzung in Abhängigkeit vom Eintrag der Nährstoffe. Noch dieses Jahr sollen die Sensoren in der Nordsee eingesetzt werden. „Das Projekt geht auf jeden Fall weiter“, sagt Petersen.
FerryBox im Film
Normalerweise bekommen Passagiere die FerryBox nicht zu sehen. Das will das Helmholtz-Zentrum Geesthacht zum zehnjährigen Geburtstag der Forschungsplattform ändern: Ein Team aus Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern hat mit dem preisgekrönten Dokumentarfilmer Daniel Opitz die Entwicklung der FerryBox filmisch aufbereitet. „Die Herausforderung für uns bestand darin, ein nüchtern-technisches Gerät lebhaft in Szene zu setzen“, sagt Dr. Torsten Fischer, Leiter der Pressestelle am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Das Ergebnis ist ein achtminütiger Film, der die Küstenforscher hinter der FerryBox zu Wort kommen lässt und doch die Relevanz dieser Messtechnik detailliert und verständlich erklärt. Jetzt ist der Film „FerryBox – wenn Fähren zu Forschungsschiffen werden“ im Internet auf YouTube zu sehen: www.youtube.com/watch?v=gYM_4iE0HOo