Geesthacht. Pumpspeicherwerk im Fokus der Politik: Es geht um Schadstoffe aus DDR-Zeiten auf dem Beckengrund. Wie gefährlich sind sie?

Seitdem im Jahr 1958 das Pumpspeicherwerk bei Krümmel in Betrieb genommen wurde, ist viel Wasser die Elbe hinunter geflossen. Dabei sind insbesondere bis zum Fall des Eisernen Vorhangs viele Giftstoffe aus den Industriebetrieben der DDR nach Geesthacht gelangt und haben sich als Sediment auf dem Grund des Pumpspeicherwerks abgelagert. Die Konzen­tration von Arsen, Cadmium oder Quecksilber überschreitet die zulässigen Werte um ein Vielfaches – das ist seit Längerem bekannt.

Doch wie sicher liegen die Schadstoffe unter der neueren, nach der Wende viel saubereren Sedimentschicht? Oder werden die Giftstoffe möglicherweise während der heute seltenen Betriebsphasen durch den Energiekonzern Vattenfall wieder zurück in die Elbe getragen?

Gift aus der DDR: Unabhängige Gutachter sollen Wasserproben nehmen

Der Geesthachter Ausschuss für Umwelt und Energie will diesen Fragen jetzt nachgehen. Die Mitglieder begrüßten einen dahingehenden Antrag des Beirates für Natur und Umwelt ausdrücklich und stimmten einstimmig dafür, dass die zuständige Untere Wasserbehörde des Kreises dafür sorgt, dass am Ende einer Ablaufphase Wasserproben von einem unabhängigen Institut wie dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht entnommen und untersucht werden.

Die Untere Wasserbehörde überprüft regelmäßig den technischen Zustand und die Dichtigkeit der Anlage. „Zu einer regelmäßigen Probenentnahme ist der Betreiber nicht verpflichtet. Das sieht die Genehmigung, die 1954 noch nach preußischem Wasserrecht erteilt wurde, nicht vor. Aber wenn genügend Verdachtsmomente genannt werden, kann das veranlasst werden“, teilte Tobias Frohnert mit, Sprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg.

Gift aus der DDR: Im Becken liegt eine bis zu drei Meter dicke Sedimentschicht

Im Jahr 2016 hatte eine eigene Untersuchung von Vattenfall ergeben, die der Umweltbeirat anführt, dass im Becken eine Sedimentschicht mit einer Höhe von zwei bis drei Metern liegt. Das seien zusammen etwa 640.000 Kubikmeter. Weiterhin liegt die Konzentration von Arsen in einer Tiefe von etwa 2,80 Metern bei 191 Milligramm (mg) pro Kilo Trockensubstanz. Laut Berliner Liste sind 5 mg erlaubt. Auch Quecksilber (23,6 statt 0,25 mg) und Cadmium (5 statt 1 mg) liegen über der Norm. Der Umweltbeirat fürchtet, dass zum Ende einer Ablaufphase Rinnen oder Priele im Sediment entstehen und Schadstoffe damit in die Elbe getragen werden. Insbesondere dann, wenn das Sediment nicht unter einer geschlossenen Wasserdecke liegt und die obere Deckschicht dann durchlässig werden könnte. Offenes Sediment hatte eine Spaziergängerin neulich erst bemerkt und damit den Stein ins Rollen gebracht (wir berichteten).

„In der Regel befinden sich die oberen Sedimentschichten bis zu zehn Meter unter Wasser. Lediglich bei tieferen Absenkungen innerhalb des genehmigten Betriebsstaus, zum Beispiel bei Beckeninstandhaltungsmaßnahmen, kann es zum Offenliegen der oberen Sedimentschichten kommen“, teilt Vattenfall dazu mit. Der Konzern hatte mit einer Stellungnahme bis zum Entschluss des Umwelt- und Energieausschusses gewartet.

Pumpspeicherkraftwerk wird heute kaum noch genutzt

Weiter heißt es: „Eine Beprobung von einem unabhängigen Dritten durchführen zu lassen stehen wir offen gegenüber. Wir nehmen selbst regelmäßig Wasserproben und werten diese mit Fachlaboren aus. Getestet wird etwa auf Blei, Cadmium, Nickel und Chrom. Unsere Ergebnisse sind unauffällig.“

Das mit einer Leistung von 120 Megawatt größte Pumpspeicherbecken in Norddeutschland dient in Spitzennutzungszeiten zur Stabilität des Stromnetzes. Aus wirtschaftlichen Gründen nutzt es Vattenfall derzeit kaum. Es kann jedoch binnen kurzer Zeit angefahren werden. Laut dem Konzern werde derzeit analysiert, welche Maßnahmen nötig sind, um die Anlage auf die heutigen Anforderungen des Strommarkts zu ertüchtigen. Erste Ergebnisse werden nicht vor dem Jahresende erwartet. Allerdings wurde die Anlage erst am vergangenen Wochenende gefahren, um die Wasserqualität im Oberbecken für dort lebende Fische zu verbessern.

Einige Politiker fordern Konzept zur Entsorgung des Giftschlamms

Derweil ging einigen Ausschussmitgliedern die Probenentnahme nicht weit genug. So forderte Werner Flindt (SPD) auch ein Konzept zur Beseitigung des kontaminierten Schlammes. Denn, so Flindt: „Die Formulierung des Umweltbeirates, dass es sich bei dem Pumpspeicherbecken um eine Gefahrstoffdeponie handelt, ist ja richtig.“ Eine Entsorgung der Ablagerungen aus 64 Jahren wäre umfangreich und teuer. Laut einer Rechnung von Oliver Pachur (CDU) wären dafür 25.600 Lkw-Ladungen nötig.

Der CDU-Politiker sorgt sich auch um die Sicherheit des Trinkwassers: Die Stadtwerke planen den Neubau eines Wasserwerks in unmittelbarer Nähe am unteren Elbhang. Pachur: „Wer weiß, wie sicher der Betonboden im Pumpspeicherbecken ist? Nicht auszudenken, wenn Gift ins Trinkwasser gelangt. Grundsätzlich halte ich es für eine Unverschämtheit der Betreiber, den Schlamm einfach dort zu lassen, wo er ist.“