Geesthacht / Lauenburg. In drei Gemeinden im Amt Lütau hat die AfD bei der Europawahl die Nase vorn. Politiker der anderen Parteien nennen Gründe.

Im Kreis Herzogtum Lauenburg sitzen die Gewinner der Europawahl links und rechts außen. Zwar hat die CDU dazugewonnen, hat fast überall die relative Mehrheit, von einem Ergebnis nahe der 40 Prozent ist sie mit 30,4 jedoch weit entfernt. Aus dem Stand ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kreisweit auf 4,2 Prozent gekommen, die Linke ist auf zwei Prozent abgestürzt.

Den größten Zuwachs kann die AfD verbuchen. Mit einem Plus von 5,1 Punkten erreicht sie 14,3 Prozent, liegt damit im Herzogtum zwei Punkte hinter der SPD. Aber vor den Grünen: Die sind seit der Europawahl vor fünf Jahren von 25,8 auf noch 13,5 Prozent abgesackt. Anders die FDP: Mit sechs Prozent hat sie im Herzogtum ihr Ergebnis von 2019 knapp verteidigt (minus 0,2 Punkte).

35 Prozent - AFD hat in drei Gemeinden die Nase vorn

Aufhorchen lassen Gemeinde-Ergebnisse aus dem Lauenburg benachbarten Amt Lütau. In Juliusburg, Basedow und Lanze steht jeweils die AfD auf Platz eins – mit 25,7 Prozent, 30,7 beziehungsweise 35,0 Prozent. In Lanze ist die CDU mit derselben Stimmenzahl gleichauf. Einzig die SPD ist mit 13 Prozent in Lanze noch zweistellig, die anderen einstellig. Grüne, FDP und Linke landen nach Verlusten bei 4,1 Prozent, 3,3 sowie 2,4 Prozent.

Die jeweils geringe Zahl an Wahlberechtigten führt auch in zwei anderen Gemeinden zu bunten Farbklecksen auf der Karte des Herzogtums. In Buchholz (193 Wahlberechtigte, Amt Lauenburgische Seen) erreichen die Grünen mit 43,4 Prozent ihr kreisweit bestes Ergebnis, verweisen CDU und SPD auf die Plätze. In Seedorf wiederum kommt die CDU mit 42,2 Prozent zu einem ihrer besten Resultate. In Köthel (253 Wahlberechtigte, Amt Schwarzenbek-Land) hat die SPD mit 24,7 Prozent die Nase vorn gegenüber und CDU und Grünen mit jeweils 20,7 Prozent.

Populisten auf dem Vormarsch: Wagenknechts BSW und AfD

Die Gesamtschau der Wahlergebnisse zeigt klare Tendenzen: Wer angenommen hatte, der Aufstieg der Linkspopulisten um Sarah Wagenknecht gehe zulasten der AfD, hat sich getäuscht. Zweitens: Die Parteien der Berliner Ampel-Koalition schwächeln in unterschiedlichem Maße, doch die CDU profitiert auch im Kreis nur wenig.

Augenfällig ist zudem, dass die Wahlbeteiligung sich in Städten und Gemeinden deutlich unterscheidet. In den fünf Städten des Kreises schwankt sie zwischen gut 52 und gut 62 Prozent, in Ämtern, in denen die meisten Gemeinden zusammengefasst sind, liegt die Beteiligung im Schnitt gut zehn Prozent höher.

CDU liegt im Herzogtum über dem Landesdurchschnitt

Mit einer Mischung aus Genugtuung und Sorge blickt Rasmus Vöge auf das Europawahlergebnis. Die Freude über den fast flächendeckenden Sieg der CDU wird für den Kreisvorsitzenden getrübt durch das weitere Erstarken der Ränder. „Wir haben im Kreis rund vier Prozent zugewonnen, liegen zudem rund einen Prozent über dem Landesdurchschnitt, ein wirklich gutes Ergebnis.“

Eine AfD, die teils im Gleichschritt mit der Union Stimmengewinne verbucht, sorgt den Landtagsabgeordneten. „Dass die AfD in Basedow und Juliusburg jeweils stärkste Kraft geworden ist, ist ein Warnsignal.“

„Ampelkoalition nimmt Sorgen der Bürger nicht wahr“

Die Verantwortung dafür liege vor allem bei der Ampel-Koalition, so Vöge. „Diese Entwicklung ist das Ergebnis einer Politik, die an sie adressierte Sorgen der Bürger nicht wahrnimmt.“ Er sieht Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik als Hauptgrund für das Erstarken der AfD: „Die Bürger trauen den Unionsparteien bislang nicht in dem Maße zu, die Probleme zu lösen, wie wir es uns wünschen würden.“

Mit Post-Faschisten eine Mehrheit organisieren?

Vorwürfen gegen Union und EVP-Fraktion im Europarlament, sie hätten schon vor den Wahlen Kontakt zu Rechtsaußen gesucht, um eine Mehrheit für die Wiederwahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin zu organisieren, weist Vöge zurück. Es gehe nicht darum, mit italienischen Post-Faschisten Mehrheiten zu sichern. „Es gibt ja im EU-Parlament verschiedene Rechtsfraktionen mit durchaus unterschiedlichen Nuancen.“ Auf eine Zusammenarbeit mit SPD, Grünen oder Liberalen könne sich die EVP jedoch nicht festlegen lassen. „Für ihre erste Wahl musste Frau von der Leyen einen Green-Deal akzeptieren, der viel zu weit ging.“

Nach massiven Bauernprotesten sei einiges entschärft worden, doch müsse noch mehr geschehen. Eine Halbierung der eingesetzten Pflanzenschutzmittel könne nicht funktionieren, die Stilllegung von vier Prozent der Flächen sei angesichts der Ausfälle durch den Ukraine-Krieg nicht zu vertreten.

Landwirtschaftsminister „muss sprachlich abrüsten“

„Für Kompromisse muss sprachlich abgerüstet werden. Ein grüner Landwirtschaftsminister darf nicht sagen, solche Maßnahmen seien ein Freifahrtschein für Bauern, Böden und Grundwasser weiter zu schädigen.“ Wichtig sei auch ein Gegensteuern in der Wirtschafts- und Energiepolitik. „Es sei denn, wir wollen zuschauen, wie deutsche Unternehmen weiter Investitionen ins Ausland verlagern.“

Partei und Minister sollen Wahlausgang analysieren

Auch Geesthachts SPD-Fraktionschefin Petra Burmeister sieht in Bundes- und Landespolitik Gründe für das Erstarken der politischen Ränder in der Europawahl. Die Sorgen der Menschen müssten verstärkt berücksichtigt werden. Die Parteivorsitzenden, Kanzler Olaf Scholz und die Minister müssten den Wahlausgang analysieren. „Und die Bundesregierung muss aufhören, auf offener Bühne zu streiten, Profilierung kann nicht auf Kosten der Koalitionspartner geschehen.“

Petra Burmeister: Das Wahlergebnis erschüttert mich, es hat mich aber nicht wirklich überrascht.
Petra Burmeister: Das Wahlergebnis erschüttert mich, es hat mich aber nicht wirklich überrascht. © BGZ | Kai Treffan

Wer jetzt Scholz auffordere, von seiner Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler Gebrauch zu machen, solle nur ein wenig zurückschauen, so Burmeister: „Weil Angela Merkel die so gut wie nie bemüht hat und wegen der schlechten Performance mancher Unions-Minister haben wir heute doch die vielen Probleme.“

Jahrelange Asylverfahren sind keine Lösung

Dazu zählten aus ihrer Sicht auch die in der Bildungspolitik. Wer die Digitalisierung vorantreiben wolle, müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen und die Finanzierung sicherstellen. Die Zuwanderungs- und Migrationspolitik bedürfe Reformen. „So verständlich es aus Sicht vieler Menschen ist, dass sie nach Deutschland fliehen, jahrelange Verfahren, bis klar ist, was aus ihnen wird, sind doch keine Lösung.“

Klimaschutz und Energiewende seien weiter vordringliche Themen, stellt Ali Demirhan, Vorsitzender der Geesthachter Grünen-Fraktion, klar. Tatsächlich bestätigen dies auch Umfragen unter Wählern. Ihre Bedeutung für die Wahlentscheidung hat jedoch abgenommen, weiß auch der Grüne. Der Klimawandel berühre nicht nur die Umwelt-, sondern auch die Sozialpolitik. „Es schadet, wenn die Verkehrswende oder das Heizungsgesetz als nicht leistbare Zumutung daherkommen.“

Klimaschutz: Menschen müssen ihn sich leisten können

Mehr staatliche Förderung sei angesichts der Wohnungsnot auch im sozialen Wohnungsbau unverzichtbar. „Die Koalitionspartner dürfen nicht länger der FDP hinterherhecheln“, fordert Demirhan. „Stellt die FDP die Schuldenbremse weiterhin über alles und damit auch über dringend notwendige Investitionen, müssen wir notfalls die Koalition verlassen.“

Ali Demirhan: Die Koalitionspartner dürfen der FDP nicht länger hinterherhecheln.
Ali Demirhan: Die Koalitionspartner dürfen der FDP nicht länger hinterherhecheln. © BGZ | Grüne

AFD liegt in Geesthacht in einem Wahllokal vorn

In Geesthacht ist die AfD mit 15,9 Prozent hinter CDU (28,7) und SPD (19,9) insgesamt drittstärkste Kraft geworden. Die Grünen folgen mit 10,9 Prozent (Minus 13,1 Punkte).

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Bemerkenswert ist dabei das Ergebnis im Wahllokal 13 (evangelische Kita St. Petri Am Spakenberg). Hier gewann die AfD mit 26,7 Prozent noch vor der CDU (23,4 Prozent). 128 Stimmen reichten bei einer Wahlbeteiligung von nur 37,2 Prozent für das Ergebnis. Auffällig ist auch die Diskrepanz der Stimmenanteile zwischen den vier Briefwahlbezirken und den vor Ort in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen. Von den Briefwählern votierten für die AfD nur zwischen 7,8 und 10,6 Prozent. Damit war die AfD jeweils nur viertstärkste Kraft.