Geesthacht/Ratzeburg. Dieter Ripp gibt Mandat in Ratzeburg und Geesthacht zurück. Bürgervorsteher zur Beteiligung der Partei: „Arbeitsverweigerung“.

Drei von sechs Mitgliedern haben die AfD-Fraktion im Ratzeburger Kreistag wegen der „Causa Stienen“ bis Anfang Februar verlassen. Die Gruppe war damit auf Mindestgröße geschrumpft. Mit Dieter Ripp hat einer aus dem verbliebenen Trio nun ebenfalls sein Ausscheiden angekündigt. Auch sein Mandat in der Geesthachter Ratsversammlung gibt der 1953 geborene Pensionär zurück. Dort hatte er sich seit der Kommunalwahl im vergangenen Mai weder mit einem eigenen Wortbeitrag noch einem schriftlichen Antrag an der politischen Debatte beteiligt. Warum er sich zurückhielt? „Dazu gebe ich keinen Kommentar ab“, so Ripp.

Der Grund für sein Ausscheiden ist allerdings ein anderer, als bei seinen früheren Parteikollegen im Kreistag, Andrea Schröder, André-Marcel Peemöller und Erika Damerow. Die waren, nachdem bekannt wurde, dass der AfD-Spitzenkandidat des Wahlkreises, Holger Stienen, auf seiner Facebook-Seite regelmäßig rassistisches, homophobes und völkisches Gedankengut postet, aus der Partei ausgetreten. Unter anderem stellte er die Kriegsschuld des NS-Regimes infrage, er bezeichnete Außenministerin Annalena Baerbock als geistig behindert und Olaf Scholz als korruptesten Kanzler. Dazu schrieb er: „Die Drecksau muss weg!“ Die „Omas gegen rechts“ machten den Fall öffentlich.

Bei der Kommunalwahl 2023 in Geesthacht erstmals angetreten

Dieter Ripp zog dennoch keine Konsequenzen. Nun zieht er von Geesthacht nach Hohnstorf in Niedersachsen um. Für eine Mitgliedschaft in einer Gemeindevertretung oder dem Kreistag ist jedoch ein Wohnort im Wahlgebiet zwingend. „Er hat mir sein Ausscheiden zum 1. Mai vor der Sitzung schriftlich übergeben“, sagte Bürgervorsteher Arne Ertelt (CDU) nach der Ratsversammlung vom vergangenen Freitag, 15. März.

Postete rassistisches, homophobes und völkisches Gedankengut auf seiner Facebook-Seite: Holger Stienen (AfD).
Postete rassistisches, homophobes und völkisches Gedankengut auf seiner Facebook-Seite: Holger Stienen (AfD). © Dirk Schulz | Dirk Schulz

In Geesthacht waren die Rechtspopulisten, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden, bei der Kommunalwahl 2023 erstmals angetreten. Am Ende kam die AfD zwar insgesamt nur auf 3,7 Prozent der gültigen Stimmen (338 von 9203), die aber holte die Partei in nur vier von 16 Wahlkreisen. Hintergrund: Weil ihre Liste nur vier Personen umfasst, konnte sie in nicht mehr Wahlkreisen kandidieren. Wo sie antrat (Wahllokale Stadtwerke, Seniorenzentrum, Kita Marksweg und Oberstadt-Treff), erzielte sie jedoch immer ein zweistelliges Ergebnis.

Nur eine Nachrückerin für die Ratsversammlung verbleibt

Für Dieter Ripps Nachfolge kommen nur diese drei anderen Personen infrage. Auf den Plätzen zwei und drei folgt das Ehepaar Manfred und Barbara Pickron aus Tesperhude. „Wir machen es nicht. Wir sind beide über 80“, erklärte Barbara Pickron unserer Redaktion. Bleibt einzig die Apothekenhelferin Anja Siebert (Jahrgang 1968). Sie war am Freitag bereits als Zuschauerin im Ratssaal. Zu seiner Nachfolge erklärte Ripp knapp: „Warten Sie das Nachrückerverfahren ab.“

Das wird von der Stadtverwaltung angestoßen. Danach müssen sich die Nachrücker schriftlich erklären. „Wer einmal verzichtet, verzichtet für die gesamte Wahlperiode“, stellt Arne Ertelt klar. Zur bisherigen Rolle der AfD in der Geesthachter Kommunalpolitik sagt der Bürgervorsteher: „Wer nicht in Erscheinung tritt, hat auch nichts zu sagen. In der Wirtschaft würde man wohl von Arbeitsverweigerung sprechen. Die ihr zugedachte Rolle durch die Wahl ist einfach nicht wahrgenommen worden.“

Grüne konfrontieren AfD-Mann mit dem Rechtsradikalen Stienen

Ertelt ist nicht bekannt, dass Ripp jemals an einer Fachausschusssitzung teilgenommen hätte. Anwesend war Ripp in fünf der sechs Ratsversammlungen seit der Wahl, einmal fehlte er entschuldigt. Bei den Abstimmungen am Freitag beteiligte er sich. Er stimmte als einziger der 33 Anwesenden gegen eine Verlängerung der städtischen Förderung von Photovoltaik-Anlagen und die Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes, war aber wie alle anderen auch für die Verlängerung der Gründächer-Förderung.

Ans Rednerpult der Ratsversammlung trat Ripp ein einziges Mal. In der Februar-Sitzung hatte ihn Jens Kalke (Grüne) unter „Verschiedenes“ mit seiner Haltung in der Causa Stienen konfrontiert. „Wir wollten die Öffentlichkeit informieren, dass er mit einem Rechtsradikalen und Faschisten weiter in einer Fraktion sitzt und wissen, warum er keine Konsequenzen gezogen hat“, sagt Kalke heute. Ripp reagierte darauf seinerseits mit Angriffen gegen die Grünen.

Wer im Kreistag in Ratzeburg nachrücken könnte

Im Protokoll zu der Sitzung heißt es: „Herr Ripp bestätigt, dass es in der AfD-Kreistagsfraktion derzeit Irritationen gebe. Er klärt auf, dass Herr Stienen auch mit seiner Unterstützung aus der dortigen Fraktion ausgeschlossen worden sei. Es sei Herrn Stienen über das Verwaltungsgericht jedoch gelungen, zurück in die Fraktion zu gelangen.“

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Um ihren Fraktionsstatus im Kreistag muss die Alternative für Deutschland, die im Herzogtum Lauenburg 9,7 Prozent erzielte, übrigens wohl nicht bangen. „Wenn es so weit kommt, werde ich es machen“, erklärte Hasso Füsslein auf Anfrage, ob er denn für die AfD in Ratzeburg nachrücken würde. Der Schwarzenbeker Füsslein (Jahrgang 1948) saß bereits in der vorangegangenen Wahlperiode für die AfD im Kreistag, hatte die Fraktion aber vorzeitig verlassen. Bislang liegt der Kreisverwaltung Ripps Rücktritt nur inoffiziell vor.