Schwarzenbek. Schwarzenbeks Behindertenbeauftragter Klaus Gawlik hat der Stadt eine Liste mit Barrieren übergeben. Warum für ihn bald Schluss ist.
Aus dem Foyer des Schwarzenbeker Rathauses muss Klaus Gawlik nicht weit laufen, um fündig zu werden: Nur weniger Meter von der Eingangstür entfernt, findet der Behindertenbeauftragte der Stadt die erste Stolperfalle. Ein Pflasterstein ragt zwar nur marginal über die anderen Steine hinaus, dies könne aber schon reichen, dass jemand stürzt.
Kleinere und auch größere Gefahrenherde gibt es viele in der Europastadt. Eine Liste hat Gawlik gemeinsam mit Angestellten der Lebenshilfe anlässlich des Protesttags für Menschen mit Behinderung an die Stadt übergeben.
Behindertenbeauftragter: Behinderte stehen ganz unten in der Hierarchie
Zahlreiche Barrieren haben die Unterzeichner der Liste in der Schwarzenbeker City ausgemacht. Diese können ganz unterschiedlich sein: Menschen mit einer Sehbehinderung nehmen andere Begebenheiten als Barriere wahr als ein Rollstuhlfahrer. Alle eint: Sie schränken die Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigung ein.
„Ich habe das Gefühl, dass Behinderte immer ganz unten in der Hierarchie stehen“, sagt Klaus Gawlik. Dabei ist es Kommunen sogar vorgeschrieben, öffentliche Räume wie Verwaltungsgebäude und Schulen barrierefrei zu bauen.
Pflastersteine des Ritter-Wulf-Platzes ein Problem
Ein klassisches Beispiel ist für Gawlik der Ritter-Wulf-Platz. Das Kopfsteinpflaster mit den tiefen Fugen sei ein erhebliches Hindernis für Rollstuhlfahrer. „Selbst mit einem Kinderwagen ist das schon problematisch“, sagt der Rentner. Hoffnung hat Gawlik, dass sich mit der geplanten Umgestaltung des Platzes auch in Sachen Barrierefreiheit etwas tut. „Da muss unbedingt etwas passieren“, sagt er. Wichtig sei ihm, dass zwei Geh-Achsen integriert werden. Diese sollen den Supermarktkomplex um Penny mit dem Rathaus und der Kirche verbinden.
Wenn es eine Umgestaltung des Ritter-Wulf-Platzes gibt, solle dieser auf jeden Fall entsiegelt werden, sagt Bauamtsleiter Ralf Hinzmann. Dabei sei vorgesehen, Grünstreifen auf dem Platz zu integrieren. „Natürlich muss das Wegenetz dabei funktionieren“, sagt Hinzmann. Laut Gawlik können Grünstreifen schnell zur Barriere werden. Er sagt aber auch: „Um die Umsetzung müssen sich Fachleute kümmern. Ich weise nur auf Probleme hin.“ Ob es aber überhaupt eine zeitnahe Neugestaltung gibt, hängt auch von Fördergeldern aus Berlin ab, für die sich die Stadt bewirbt.
Dass der Ritter-Wulf-Platz nicht das einzige Sorgenkind in der Stadt ist, zeigt Klaus Gawlik an anderen Stellen: Bei der Fußgängerampel an der Lauenburger Straße in Höhe der Alten Marktschule sei die Ampelphase viel zu kurz. Gehbehinderte Menschen kommen nicht rechtzeitig über die Straße. Und am Bahnhof sind die Fahrpläne zu hoch angebracht. „Menschen im Rollstuhl können die dann nicht lesen“, sagt Gawlik.
Das Problem: Hier hat die Stadt keine Handhabe, sondern kann nur als Kommunikator auftreten. Gelöst werden muss durch den Landesbetrieb Verkehr oder die Deutsche Bahn. Wie der Bauamtschef erklärt, seien die meisten Barrieren in den alten Stadtteilen zu finden. „Damals hat man beim Bau auf solche Aspekte noch nicht so sehr geachtet wie heute“, sagt er.
Sprechstunde des Behindertenbeauftragten nicht barrierefrei
Selbst seine eigene Sprechstunde sei nicht so richtig barrierefrei, findet Klaus Gawlik. Dass sein Sprechstundenzimmer im zweiten Stock liegt, sei für manch einen Klienten schon eine Hürde. „Wenn ich mich vom Foyer erst mal durchfragen muss, scheitern einige daran“, sagt er. Dabei gehe es gar nicht darum, dass der zweite Stock nicht erreichbar ist – ein Fahrstuhl erlaubt auch gehbehinderten Menschen den Weg ins Obergeschoss.
Die Barriere liege vielmehr darin, dass bei den Klienten Scheu bestehe, nach dem Weg in die Behindertensprechstunde zu fragen. Am besten wäre es, wenn der Behindertenbeauftragte eine eigene Adresse in der Stadt hätte oder zumindest einen eigenen Raum im Erdgeschoss des Rathauses, meint Gawlik.
Trotz der vielen kleineren und großen Tücken sei die Zusammenarbeit mit der Stadt sehr gut, sagt Klaus Gawlik. Das sei nicht immer so gewesen. Doch Ordnungsamtschefin Petra Scheerer und Bauamtsmitarbeiter Martin Schulte seien sehr bemüht, Probleme schnell zu lösen. „Einige Erfolge konnten wir in den letzten Jahren auch feiern“, sagt Gawlik.
Aufgabe des Behindertenbeauftragten gleicht einem Teilzeitjob
Nach sechs Jahren im Amt sei er ein wenig müde. Nicht wenige Kämpfe habe er in der Zeit gefochten. „Wenn ich als Behindertenbeauftragter bei Verwaltung und Politik beliebt bin, mache ich meinen Job falsch“, sagt er. Wobei: Eigentlich sei man ihm die meiste Zeit über wohlgesonnen gewesen. Dennoch wird Gawlik sein Amt, für das er monatlich 125 Euro Aufwandsentschädigung bekommt und nach seiner Meinung einem Teilzeitjob entspricht, im November aufgeben.
Dann sollen Jüngere übernehmen. „Wichtig wäre, dass den Job auch jemand mit Behinderung übernimmt“, sagt Gawlik, der selbst eine Sehbehinderung hat. „Ansonsten findet das nicht auf Augenhöhe statt.“
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Dass er aufhört, liege nicht daran, dass er keine Lust mehr auf das Ehrenamt habe, wie er betont. Er habe sich immer gerne für die Belange der Menschen eingesetzt. Schließlich sei jeder zehnte Deutsche schwerbehindert. In Schwarzenbek sind das rund 1700 Menschen.
Allerdings belaste ihn die emotionale Komponente mehr als früher. Wenn Menschen zu ihm kommen und ihr Schicksal schildern, gehe ihm das nahe. „Da habe ich langsam nicht mehr die Kraft für.“