Geesthacht. Neue Windräder in Hamwarde liefern Energie für 8000 Haushalte. Der Blick von oben ist nur dem Personal vorbehalten. Ein Ortstermin.
Am Horizont hebt sich in gut 30 Kilometer Entfernung der Fernsehturm von der Hamburger Skyline ab. Auch die Containerbrücken im Hafen sind gut zu erkennen. Dazwischen überall das Gelb von blühenden Rapsfeldern zwischen den Dörfern Hamwarde, Kollow und Wiershop im Kreis Herzogtum Lauenburg. In nördlicher Richtung ist die Stadt Schwarzenbek nicht weit. Eine derart gute Aussicht bei schönem Wetter gibt es sonst nur aus der Vogelperspektive, oder man erklimmt den Windpark Hamwarde.
Auf dem Dach des Maschinenhauses von einem der beiden Windräder steht der Betrachter in rund 127 Metern über dem Erdboden und damit auf dem höchstgelegenen Platz im Herzogtum Lauenburg. Es ist der Ort, an dem exklusive Bilder entstehen. Zählt man noch bis die Rotorblätter hinzu, landet man sogar bei 199,5 Metern. Zum Vergleich: Die höchste Erhebung des Kreises, der Haferberg im benachbarten Geesthacht, liegt nur 94 Meter über dem Meeresspiegel.
Windräder: Die beste Aussicht im Herzogtum – eigentlich unerreichbar
Satt gesehen haben sich Kevin Nielsen und Jared Tantow von der Energy Consult Prüfgesellschaft, also dem Anlagen-TÜV für Windkraftanlagen, noch lange nicht. Wann immer sie eine Anlage warten, gönnen sie sich eine Auszeit. „Für einen Ausblick und ein Foto ist immer kurz Zeit. Neulich waren wir in Dagebüll, da konnten wir bis nach Sylt gucken“, sagt Nielsen. Was das angeht, hat das Duo einen Traumjob, andererseits ist Schwindelfreiheit unerlässlich. Auch klaustrophobisch sollten sie nicht veranlagt sein.
Denn der Aufstieg ist aus Sicherheitsgründen immer nur zu zweit erlaubt, und der Fahrstuhl, der beide nach oben bringt, ist winzig. Umdrehen in Kletterschutzausrüstung ist selbst für schlanke Menschen unmöglich. Zudem muss noch ein Rettungsfass mit einem 160 Meter langen Seil für den Notfall mitgeführt werden. Bei der etwa achtminütigen Fahrt ist jeder zusätzlich mit einem Seil gegen das Abstürzen gesichert.
Windräder: Im engen Fahrstuhl fahren die Prüfer nach oben
Wenn der Fahrstuhl an der letzten Plattform nicht weiterkommt, ist Klettern angesagt. Das letzte Teilstück geht es über eine dünne Metallleiter senkrecht nach oben. Die Leiter zieht sich übrigens durch den gesamten Turm und wäre im Notfall, also bei einem Aufzugdefekt, der einzige Weg nach unten. „Wir kontrollieren vor dem Aufstieg aber erst mal, ob auch alles funktioniert“, sagt Jared Tantow.
Im Windpark Hamwarde ist alles in bester Ordnung. Das verwundert insofern nicht, weil die beiden Windräder mit einer Nennleistung von jeweils 5,7 Megawatt erst am 21. Dezember 2023 ans Netz gegangen sind. Im vergangenen Herbst waren die Bauteile in mehreren Nächten über Schwertransporte durch Geesthacht angeliefert worden. Zum Standort auf den Feldern zwischen den Dörfern Hamwarde, Kollow und Wiershop war eigens eine provisorische Straße mit Stahlplatten über einen Acker verlegt worden.
Energie für 8000 Haushalte
Mit ihrer Größe zählen die Anlagen vom Typ Nordex N149, die der PNE-Gruppe aus Cuxhaven gehören, zu den leistungsstärksten und größten Anlagen in der Region. Zur Einordnung: Der Windpark Hamwarde soll Energie für etwa 8000 Dreipersonenhaushalte liefern und circa 22.400 Tonnen Kohlendioxid einsparen. Ab einer Windgeschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde (10,8 Kilometer pro Stunde) startet die Anlage selbstständig den Betrieb. Ausgelegt ist sie für eine Betriebsdauer von 30 Jahren.
Warum manche Windräder trotz Wind stillstehen, erklärt Jared Tantow auch: „Natürlich kann es ein Defekt sein, oft sind es aber Netzengpässe. Wenn etwa im Sommer viel Wind ist und auch noch die Sonne scheint, werden eher Windräder runtergefahren. Weitere Möglichkeit: Die Strompreise sind gerade im Keller, und der Eigentümer lässt sie absichtlich ruhen.
Ab einer Windgeschwindigkeit von 16 Metern pro Sekunde (entspricht knapp 58 Kilometer pro Stunde) ist eine Benutzung des Lifts, also die Besteigung der Anlage, nicht mehr erlaubt. Doch auch bei weniger Wind kann das Windrad schwanken. „Letzte Woche bei Stendal war es oben rund ein Meter“, sagt Jared Tantow.
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In Hamwarde blieb der Wind mit fünf Meter pro Sekunde (18 km/h) aber unkritisch. Auch das Wetter spielte mit, sodass Tantow nicht zu viel versprochen hatte, als er vor dem Aufstieg sagte: „Hier kannst du weit gucken.“ Allerdings nicht auf die Elbe und weite Teil Geesthachts, die vom Geesthang verdeckt werden. Dafür sind der Haferberg und die anderen Hügel dann doch wieder hoch genug.