Geesthacht. Die Lage bei Geesthacht ist für die Sänger optimal. Doch die Zahl der Brutpaare nimmt gegen den Trend ab. Der Nabu hat einen Verdacht

Die Nachtigallen sind unüberhörbar zurück, der Frühling kann kommen. Geesthachts erster Rückkehrer machte sich gesanglich lautstark am 6. April beim Feldherrenhügel bemerkbar. Mittlerweile schmettern gut 20 Männchen – nur sie singen – vom Elbufer in Tesperhude bis zur westlichen Hälfte der Schleuseninsel, hat die örtliche Gruppe des Naturschutzbundes (Nabu) ermittelt.

Weitere Vögel mit Ziel Elbe bei Geesthacht dürften im Anflug aus dem tropischen Afrika sein und in den kommenden Tagen eintreffen, hofft Friedhelm Ringe auf Basis der Zahlen der vergangenen Jahre, obgleich die Zahlen zurückgehen. Der Biologe gilt als Vater der Nacht der Nachtigallen, die am Freitag, 3. Mai, zum 25. Mal mit einem bunten Programm stattfinden wird.

Die Nachtigallen sind zurück – der Nabu zeigt ihre Dating-Show in der Nacht

Nur die Nachtigall-Männchen singen. Tagsüber zum Revier abstecken, nachts die Singles, um die Weibchen zu betören.
Nur die Nachtigall-Männchen singen. Tagsüber zum Revier abstecken, nachts die Singles, um die Weibchen zu betören. © NABU | nabu

Treffpunkt ist um 20.30 Uhr beim Parkplatz am Geesthachter Freibad. Bei verschiedenen Spaziergängen unter fachkundiger Führung werden die gefiederten Sänger belauscht. Durch das Zusammentreffen zweier Jubiläen feiert der Nabu in diesem Jahr die Nachtigallennacht im Rahmen des Programms zur Verleihung des Stadtrechts an Geesthacht vor 100 Jahren.

Doch das fröhliche Zusammenkommen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Nachtigallen vor Ort Sorgen bereitet. Sie geht in Geesthacht zurück, obwohl sich der Bestand deutschlandweit gut entwickelt hat. Die letzte Erhebung von Zahlen stammt aus dem Jahr 2016, damals ging eine Schätzung von 84.000 bis 155.000 Brutpaaren aus. Gegenüber dem Jahr 2004 bedeutet das eine Zunahme um 26 Prozent.

Bundesweit wuchsen die Bestände – nur in Geesthacht schrumpft die Zahl

Nur in Geesthacht sieht es anders aus. Hier mögen immer weniger Pärchen ihre Jungen großziehen. Um die 40 waren es zuletzt. „Wir lagen früher bei über 60“, erinnert sich Friedhelm Ringe. Es seien aber immer noch so viele versammelt wie sonst nirgendwo in Schleswig-Holstein. Der Biologe ist seit diesem Jahr nicht mehr mit der Organisation der Nachtigallennacht beschäftigt, begleitet sie aber weiterhin als Fachmann.

Für den Schwund kommen mehrere Faktoren in Betracht. Die Entwicklung von Infrastruktur gerade entlang der Ufer – die Nachtigall liebt die Wassernähe –, und andere Bauprojekte. Sollte die Umgehungsstraße am nördlichen Stadtrand wirklich gebaut werden, dürften wohl auch die letzten verbliebenen Brutpaare in der Feldmark Reißaus nehmen. Ein verbliebener Lieblingsplatz in Geesthacht ist die Schleuseninsel.

Großes Problem: Illegale Angler, die durch die Gebüsche am Ufer stapfen

Schuld haben für den Vogelexperten aber auch der zunehmende Publikumsverkehr besonders auf der Elbhalbinsel, die aufgrund der Lage eigentlich ein ideales Nachtigallenrevier wäre, und die mittlerweile vielen illegalen Angler, die sich an den Elbufern tummeln und durch die Gebüsche brechen, um dorthin zu kommen. Solche Störungen kämen bei Nachtigallen bei der Familienplanung gar nicht gut an.

Die Geesthachter Sportfischer seien hierbei nicht das Problem, da habe es aufklärende Gespräche gegeben, betont Friedhelm Ringe. Auch zu viel Ordnung in der Umwelt sind ein Handicap für die Vögel. Das Zurückschneiden von Dickicht, zum Beispiel aus Gründen des Deichschutzes, ist ein tödliches Problem für die Nachtigallen, die ihr Nest geschützt am Boden bauen müssen.

Wenn Gefahr droht, ist Schluss mit Wohlklang – dann klingt es nach knarzender Treppe

Herumliegendes trockenes Laub ums Nest herum warnt die äußerlich unscheinbaren Vögel zudem vor sich nähernden Fressfeinden wie den Steinmarder. Eine aufgeräumte Landschaft ist daher Gift für den Bruterfolg. Wenn die Nachtigall bei Gefahr anschlägt, ist es vorbei mit den wohltemperierten Tönen, für die sie berühmt ist. Dann klingt es wie eine knarrende Holztreppe.

Nach den Grußworten zu Beginn brechen Nabu–Mitglieder mit den Besuchern zu Nachtigallen-
Rundgängen Richtung Westen und Osten auf, um dem imposanten Gesang der Vögel zu lauschen und Wissenswertes über sie zu erfahren. Eine der Exkursionen wird von der Naturschutzjugend geleitet – dort sind Familien besonders gut aufgehoben.

Nur die einsamen Single-Männchen singen nachts

So sind es nur die Singles unter den Männchen, die in der Dunkelheit um eine Partnerin buhlen. Tagsüber werden damit die Reviere abgesteckt, wobei es häufig zu Gesangsduellen kommt. Die Wahl für den Partner treffen die Weibchen. Sie fliegen von Revier zu Revier und lauschen dem jeweiligen Gesang eine Weile. Wie ein Männchen vorträgt, lässt bei ihnen wohl Rückschlüsse zu, wie es unter anderem um die Vitalität bestellt ist – und damit um den Bruterfolg.

Nachtigallen sind für ihren variantenreichen Gesang bekannt, sie beherrschen zwischen 30 und 40 verschiedene Motiven, das ist einzigartig in der Vogelwelt. Unterschieden wird in zeitlich variierte Schläge, Pfeifer und Trills, die zu unterschiedlichen Strophen kombiniert werden.

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Die bis zu sechs gelegten Eier bebrütet der Vogel circa 14 Tage allein. Nach dem Schlüpfen der Küken wird der Nachwuchs von beiden Eltern mit reichlich Kleingetier als Futter wie Insekten, Spinnen, Würmern und auch Schnecken versorgt, später gibt es auch Beerenobst. Etwa zwölf Tage nach dem Schlüpfen verlassen sie das Nest, werden aber zunächst weiter versorgt.

Zum Schluss gibt es Live-Musik und gemeinsames Singen

Nach den Exkursionen wird auf dem Menzer-Werft-Festplatz in Flussnähe am Lagerfeuer geplauscht. Es gibt Gegrilltes, gestiftet von der Rindergilde, Kuchen und den einen und anderen Schluck. Jens Gutzmann mit Klarinette und Saxophon sowie Henrik Hufgard mit der Gitarre machen Live-Musik. Zu hören gibt es Jazz-Standards und Lounge-Musik, später bei Lagerfeuerromantik Songs zum Mitsingen.

„Solche wie ,Hey Jude‘ von den Beatles“, verrät Jens Gutzmann. Damit man schon den Text üben könne. Was die Nachtigallen in der Umgebung dann wohl vom schier endlosen „Na na na nananana“ zum Ende des Liedes halten werden?