Ratzeburg. 20-Jähriger hat 1,3 Millionen Fans auf der Social-Media-Plattform und weiß, wie man junge Leute für einen Beruf begeistern kann.

Wenn der 20-jährige Almomamen Bellah Albijo – kurz Momo – ein Video auf der Social-Media-Plattform TikTok postet, wird dieses von mindestens 1,3 Millionen Menschen angesehen. Der junge Mann, der 2015 aus Syrien nach Büchen kam, weiß, wie er Menschen online erreicht und berührt. Während seines Praktikums bei der Wirtschaftsförderung Herzogtum Lauenburg (WFL) lernt er, was es braucht, um Bürokaufmann zu werden. Er lerne, wie man Abrechnungen erstellt oder eine Werbebroschüre designt. Er gibt aber auch Tipps, wie Unternehmen junge Menschen erreichen. Aufmerksam auf den Praktikumsplatz ist er – natürlich – durch TikTok geworden.

Angefangen hat Albijos TikTok-Karriere (Username: mt7s) mit kurzen Videos, die er im Jahr 2021 auf der Plattform hochgeladen hat. „Ich war ein einsamer Mensch und war viel draußen spazieren. Dabei habe ich Sachen gefilmt, die ich im Alltag mache“, berichtet er. Er habe auch fremde Mitmenschen auf der Straße angesprochen und gezeigt, wie das Leben in Deutschland ist. „Die arabischen Menschen fanden spannend, wie man hier lebt“, sagt er. Relativ schnell hätten Millionen von Menschen seine Videos angeguckt und seien seinem Kanal gefolgt. Das Erfolgsrezept: Authentizität. „Ich habe Sachen auf meine eigene Art gemacht. Mit eigenem Humor und ein bisschen Charisma“, sagt er. Deswegen hätten die Menschen Lust, die Videos anzugucken.

TikTok und Co.: Ohne soziale Medien geht es heute nicht mehr

Als sich Momo nun auf ein Praktikum bei der WFL bewarb, guckten auch Geschäftsführerin Michaela Bierschwall und Kim Liza Krüger (Projektleiterin Standortmarketing und Fachkräfte) interessiert auf dessen Social-Media-Karriere. „Denn ohne sozialen Medien geht es heute nicht mehr“, sagt Bierschwall. Deswegen arbeite auch die WFL-Auszubildende Karina Khachatryan (21) aktuell an einem TikTok- und Instagram-Kanal, bei dem sie nun vom bekannten Praktikanten unterstützt wird.

„Ich habe als Azubi-Projekt einen TikTok-Kanal erstellt und führe einen Redaktionsplan“, erklärt sie. Dort gehe es darum, über Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren und mögliche Wege ins Berufsleben aufzuzeigen. „Dazu drehe ich selbst Videos, was man als Kauffrau für Büromanagement macht oder auch, wie man eine Bewerbung schreibt“, so Khachatryan. Viele junge Menschen haben nämlich Angst vor einer Ausbildung, da sie nicht wissen, was sie erwartet und würden mit Bauchschmerzen darüber nachdenken, sagt sie.

Wie Kim Liza Krüger, die Unternehmen zu Ausbildungsfragen berät, sagt, sei Instagram zwar ganz nett, TikTok aber ein Must-have, um junge Leute zu erreichen. Deshalb drehe die WFL gemeinsam mit Unternehmen im Kreis Herzogtum Lauenburg, um neue Fachkräfte online anzusprechen. Viele Unternehmen seien auf einem guten Weg, würden die Möglichkeiten des Internets aber nicht voll ausschöpfen, meint Michaela Bierschwall. Dies betreffe vor allem Handwerksbetriebe, wo viele Ausbildungsstellen weiter unbesetzt bleiben. „Viele Handwerksbetriebe haben nicht einmal eine Homepage“, so die Geschäftsführerin. „Wie aber soll ein Schüler oder eine Schülerin den Handwerksbetrieb dann finden?“, fragt sie.

Auszubildenden Blick hinter die Kulissen ermöglichen

Der Erfolg der Videos von Albijo zeige ihnen, dass es vor allem wichtig ist, sich authentisch zu zeigen. Dies sollten die Unternehmen auch sein, um Fachkräfte und Auszubildende zu finden. Es habe nämlich wenig Wert, wenn sie als Chefin sagt, dass die Arbeit großen Spaß macht, bemerkt Michaela Bierschwall.

Deutlich mehr Erfolg habe man, wenn die Auszubildenden oder Angestellten einen Blick hinter die Kulissen geben. „Als Tischler oder Maler kann ich ganz spannende Sachen aus meinem Beruf zeigen“, sagt sie. Doch Handwerksmeister selbst würden aus Zeitgründen darauf komplett verzichten, dies aber auch nicht in die Hände der jungen motivierten Kollegen legen. Doch gerade in der Phase, in der sich Schülerinnen und Schüler nach Praktika oder Ausbildungsplätzen umsehen, müssten Betriebe aktiv werden, da die Berufsorientierung in der Schule viel zu kurz komme.

Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement

Heute sei der Wohlfühlfaktor bei der Arbeit jungen Menschen wichtiger, als bei anderen Generationen, sagt Kim Liza Krüger. „Die wollen wissen, wie denn die Petra aus der Buchhaltung drauf ist oder Olaf der Chef.“ Genau dafür seien TikTok und Instagram die richtigen Werkzeuge. Doch Karina Khachatryan und Almomamen Bellah Albijo berichten, dass sie in der Region bisher kaum einen Ausbildungsbetrieb gesehen haben, der jungen Menschen auf Instagram und TikTok in den Arbeitsalltag mitnimmt. Nur ein Influencer-Unternehmen sei mal auf Albijo zugekommen und habe gefragt, ob er Teil des Teams werden wolle.

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Wenn Almomamen Bellah Albijo im kommenden Jahr seine Fachhochschulreife am BBZ Mölln geschafft hat, möchte er vielleicht auch eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement machen. Denn Geld verdiene er im Gegensatz zu vielen anderen Influencern mit TikTok nicht. „Ich mache das alles nur aus Spaß“, sagt Momo.