Ratzeburg. Seit 1989 ist Michaela Bierschwall bereits bei der WFL. Jetzt steht sie an ihrer Spitze. Was ihr wichtig ist und was sie plant.

Sie kennt den Kreis, ihr Team, die Projekte aus dem Effeff: Die neue Chefin der kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFL) ist bereits seit der Gründung im Jahr 1989 dabei. Als nach der Grenzöffnung der Kreis Herzogtum Lauenburg plötzlich vom Rand in die Mitte Deutschlands gerückt wurde, entstand auch die WFL, und Michaela Bierschwall wurde Assistentin des ersten Geschäftsführers Werner Hesse. Seit 2019 ist die 57-Jährige Prokuristin und jetzt oberste Wirtschaftsfördererin.

Auf Hesse folgte 2014 Ulf Hahn, der 2021 die WFL verließ, um in Stormarn Chef der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft (WAS) zu werden. Glücklos war Hahns Nachfolger Uwe Eichelberg, dessen Vertrag bereits nach einem halben Jahr gekündigt wurde. Der erfahrene Wirtschaftsmanager hatte es an Öffentlichkeitswirksamkeit mangeln lassen. Seit Jahresbeginn 2022 führte Dr. Maroune Sayih, Chef des Technologiezentrums Gitz in Geesthacht, die WFL als Interims­geschäftsführer – mit Hilfe Bierschwalls.

Neue Chefin der WFL Herzogtum Lauenburg und arbeitet gern im Homeoffice

„Diese Zeit war für mich ausschlaggebend“, sagt die 57-jährige Mutter von drei Kinder, die mit ihrer Familie in Stockelsdorf lebt: „Ich habe mir gesagt, jetzt versuche ich es und bewerbe mich.“ Inwieweit es auch positive Signale seitens des Aufsichtsrates gegeben hat, kommentieren sowohl Bierschwall als auch Aufsichtsratschef Calvin Fromm (SPD) nicht.

Klar ist: Die Gesellschaft hatte zunächst einen Headhunter eingesetzt, dann den Posten ausgeschrieben und 23 Bewerbungen erhalten. Dass sich der Aufsichtsrat letztlich für sie entschieden hat, freut Bierschwall weniger für sich als für das fünfköpfige Team: „Dass sich der Aufsichtsrat für ein Mitglied des Teams entschieden hat, bedeutet, dass wir Sachen, die wir schon angeschoben haben, jetzt auch mit großem Engagement angehen können.“

„Ich liebe diesen Job, weil er nie langweilig wird“

Bierschwall ist gelernte Rechtsanwalts- und Notargehilfin, arbeitete dann als Assistentin der Geschäftsführung in einem IT-Unternehmen, bevor sie 1989 zur neu gegründeten WFL wechselte. Berufsbegleitend absolvierte sie dort noch ein Studium in Betriebswirtschaftslehre, war dann viele Jahre für das Gewerbezentrum Lauenburg (GZL) an der Reeperbahn zuständig, in dem Existenzgründer günstige Räume anmieten konnten. Danach wechselte Bierschwall in die Unternehmensbetreuung und die Existenzgründerberatung. „Ich liebe diesen Job, weil er nie langweilig wird“, sagt die 57-Jährige.

Netzwerke gründen und pflegen ist wichtige Aufgabe

Wichtig ist der neuen Chefin nicht nur ihr Team, sondern auch das Netzwerk: Vorvorgänger Ulf Hahn hatte regelmäßig zu Treffen mit den Bürgermeistern des Kreises eingeladen. Diese Bürgermeisterrunden, die wegen der Pandemie eingestellt wurden, will Bierschwall wieder einführen: „Dieses Netzwerk wollen wir weiter pflegen.“

Auch die Kommunen haben daran großes ­Interesse: Büchens Bürgermeister Uwe Möller war der erste, der Bierschwall in der neuen Position besuchte. Ein Termin mit Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze steht bevor, weitere sollen folgen. Auch die Kontakte zu den Unternehmen im Kreis, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren vorwiegend online erfolgten, sollen im direkten Kontakt wieder verstärkt werden.

Neue Gewerbegebiete erschließen

Für den Aufsichtsrat geht es auch darum, neue Gewerbegebiete zu erschließen. Ein geplantes Areal in Kasseburg war per Bürgerentscheid gekippt worden. Aktuell kann die WFL Gewerbeflächen in Alt-Mölln, Grabau, Lanken, Geesthacht und Wentorf anbieten. Unter dem Stichwort „New Work“ stehen für die WFL-Chefin eine ganze Reihe weiterer Themen auf der Agenda: Angefangen bei Co-Working über Homeoffice-Möglichkeiten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis zu Frauen in Führungspositionen.

Angesichts des Fachkräftemangels und stetig steigender Energiepreise habe dieser Bereich eine neue Bedeutung gewonnen: „Es hängt viel von der Haltung des Unternehmens ab. Ich kenne Firmen, die haben ihre Büros verkleinert, andere wollen ihre Mitarbeiter möglichst ständig im Betrieb haben. Unsere Aufgabe ist es da, zu beraten.“ Für die WFL und deren Chefin ist Homeoffice bereits seit 2018 selbstverständlich.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Thema für Unternehmen

Auch Co-Working sieht Bierschwall positiv: In den Räumen können sich Firmen, Freiberufler oder Pendler einmieten, sparen so Fahrtkosten und Zeit, die dann der Familie zugute kommen kann. Die steht für viele Berufstätige mittlerweile im Mittelpunkt. „Das muss nicht immer die Kinderbetreuung sein“, so Bierschwall: „Viele Arbeitnehmer haben auch Angehörige, die sie zu Hause pflegen. Dem werden Unternehmen auf Dauer Rechnung tragen müssen.“

Das gilt auch für Frauen: Unternehmen können es sich nicht leisten, das Potenzial von Frauen, die sich in der Elternzeit befinden, brach liegen zu lassen. Ein vor zwei Jahren geplantes Forum, das die Tätigkeit von Frauen in Führungspositionen sichtbarer machen sollte, wurde wegen der Pandemie abgesagt. Bierschwall: „Das wollen wir wieder aufgreifen.“
Infos unter www.wfl.de