Schwarzenbek. Rund 1000 Besucher bei Schwarzenbeks Modellbauern. Was besonders viel Eindruck bei den großen und kleinen Gästen hinterließ.
Die Deutsche Bahn raubt mit ihrer Unpünktlichkeit dem einen oder anderem Fahrgast den Nerv, ganz anders bei den Eisenbahnfreunden Schwarzenbek. Hier sind die Züge im Miniformat pünktlich und obendrein ein Geheimtipp gegen Stress.
Kurz vor Einlass zum Osterfahrtag am 30. März hatte sich schon eine kleine Gruppe von Schaulustigen an der Röntgenstraße 24 zusammengefunden. Dann war es so weit: Pünktlich um 11 Uhr öffneten sich Sonnabend die Türen des 900 Quadratmeter großen Vereinsdomizils zum ersten Fahrtag in diesem Jahr.
Wie im Miniaturwunderland: Großer Andrang bei den Eisenbahnfreunden
Am Ende des Tages waren gut 1000 Besucher gekommen, um sich die kleine Wunderwelt der Eisenbahnfreunde anzusehen, zu fachsimpeln oder Erinnerungen an die eigene Anlage aus Kindheitstagen aufzufrischen.
Modelleisenbahn ist keineswegs ein Hobby für ältere Männer. Kinder, Jugendliche, junge Familienväter und Rentner stehen Seite an Seite an den Modulen, auf denen Landschaften, Städte und Dörfer in den Spurbreiten H0 und N aufgebaut sind. Mädchen und Frauen sind allerdings eher selten zu sehen.
Es gibt viel zu entdecken – auf der Anlage brennt auch ein Osterfeuer
Die Züge surren beim Fahrtag leise an den staunenden Besuchern vorbei. Alle paar Meter gibt es Neues zu entdecken. In einem kunstvoll aus Pappmaché, Gips und Schaumstoff modellierten Tal ist sogar ein kleines Osterfeuer entfacht, dessen Flammen aus LED-Leuchten stimmungsvoll flackern. Figuren im Maßstab 1:87 sitzen auf Bänken rund um das Feuer, und am Anleger haben Boote festgemacht. Einige Meter weiter sind Berge und Tannen in Schnee gehüllt, hier herrscht tiefster Winter.
„Das ist richtig cool hier“, staunt der dreijährige Milo. Damit der kleine Junge aus Lübeck alles gut im Blick hat, wird er hier und da von seiner Mutter Stefanie Kretschmer hochgehoben. „Zu Hause haben wir eine Brio Holzeisenbahn. Wenn das so weitergeht, aber bestimmt bald eine Märklin im Haus“, schmunzelt die Lübeckerin.
Modelleisenbahn vertreibt den Winterblues
„Bei den Eisenbahnfreunden sind wir zum ersten Mal. Wir waren aber schon einmal im Miniaturwunderland in Hamburg. Da hat Milo auch schon gestaunt“, sagt die 33-Jährige.
Mit von der Partie ist auch Opa Rainer Glende. „Ich habe meine Eisenbahn bekommen, da war ich zwölf Jahre alt. Die stand Jahrzehnte auf dem Dachboden. Vor etwa zehn Jahren habe ich sie dann wieder aufgebaut. Seitdem beschäftige ich mich hauptsächlich in der Winterzeit damit. Das ist sehr beruhigend“, berichtet der 63-jährige Rentner.
Nach 18 Monaten war die St.-Franziskus-Kirche fertig
Auch Michael Berbüsse (56) hilft das Hobby gehen Stress. „Fertig wird man nie, es gibt immer neue Ideen, aber das ist ja das Schöne“, sagt er. Die letzten eineinhalb Jahre hat er damit verbracht, die Schwarzenbeker St.-Franziskus-Kirche im Maßstab 1:160 (Spur N) nachzubauen. „Die meisten Teile habe ich mit dem 3-D Drucker gefertigt. Nur das Dach, das aus einzelnen Platten besteht, habe ich gekauft“.
Für den Innenraum hat er Kirchenbänke ausgedruckt. Seine Kirche ist immer gut besucht, 60 „Gläubige“ hat Berbüsse gekauft und auf den Bänken platziert. „Nur wer ganz genau durch die Fenster schaut, kann im Kircheninneren etwas sehen.“ Die Frage, ob es nicht schade sei, dass das Innenleben nicht so einfach zu entdecken sei, beantwortet der Modellbauer mit einem schelmischen Grinsen. „Ich weiß es ja“.
Beim Original an der Compestraße ging es allerdings schneller. Der Vorgänger der St.-Franziskus-Kirche wurde 1894 wegen Baufälligkeit abgerissen und nach nur einem Jahr Bauzeit durch den neugotischen Backsteinneubau ersetzt, der heute weithin sichtbar das Stadtbild von Schwarzenbek prägt.
Das Schöne an der Modellbahn ist, dass die Anlagen nie fertig werden
Der 80-jährige Gerd Uwe Schöne wiederum ist ein echter Experte. „Ich komme aus Talkau und gehöre zum Märklin Insider Stammtisch. Wir treffen uns einmal monatlich in Mölln“, berichtet er. Eine Anlage hat der Senior auch zu Hause. Die Eisenbahn ist ein Hobby, das nie aufhört, man wird im Grunde genommen nie mit dem Bauen fertig. Die erste Bahn besaß er im zarten Alter von sechs Jahren.
„Es ist schon faszinierend, was sich in den vergangenen Jahrzehnten alles getan hat. Inzwischen sind Chips verbaut, und man lenkt die Züge mit dem Handy. Meine erste Bahn war damals noch mechanisch und zum Aufziehen, da es keine elektrischen Bahnen gab“, erinnert sich Schöne. „Das filigrane Arbeiten ist sehr beruhigend, die zunehmende Technik ist auch kein Problem, es gibt für knifflige Dinge genügend Seminare“, erklärt der Talkauer.
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Wer Ostern keine Zeit hatte, kann den Besuch nachholen. Denn die nächsten Fahrtage stehen auch bereits fest: Am 31. August von 11 bis 17 Uhr und am 1. September von 11 bis 16 Uhr feiern die Eisenbahnfreunde ihr Sommerfest. Auch zu Weihnachten wird es wieder einen Fahrtag geben.