Geesthacht. Laut Bundesgesundheitsministerium hat sich die Versorgung verbessert. Doch häufig sind Arzneien nicht verfügbar – mit fatalen Folgen.

Die Corona-Pandemie brachte vor ziemlich genau vier Jahren den Welthandel so richtig durcheinander. Kaum eine Branche blieb damals von Lieferengpässen verschont. Mal fehlte es an Rohstoffen, mal an konkreten Baukomponenten. In vielen Geschäftsfeldern hat sich die Situation wieder entspannt. Engpässe in der Pharmaindustrie ziehen sich jedoch bis ins Jahr 2024. Dennoch ist eine Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsministeriums zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Lage deutlich verbessert habe. Ein Eindruck, den Apothekerinnen und Apotheker im Kreis Herzogtum Lauenburg nur bedingt teilen.

„Irgendwie bekommen wir die Kuh immer vom Eis“, sagt Dr. Christina Bischof-Deichnik. Wie es die Inhaberin der Geesthachter Sonnen-Apotheke schildert, habe sich die Lage bei Fiebersäften für Kinder und Antibiotika entspannt. „Probleme haben wir jedoch weiterhin bei einem grundlegenden Antibiotikum“, sagt sie. Metronidazol ist ein Antibiotikum, das unter anderem zur Bekämpfung von Krankenhauskeimen und Keimen im Magen eingesetzt wird – zumindest sollte es das. Doch die Verfügbarkeit ist stark eingeschränkt.

Geesthachter Apotheken sehen die Lage weiterhin kritisch

Wie die Apothekerin schildert, habe es durchaus die Idee gegeben, diese Medikamente selbst herzustellen. Speziell hierbei sei das jedoch nicht möglich. „Stattdessen müssen Ärzte ein Reserve-Antibiotikum verschreiben“, so Bischof-Deichnik. Dass ein Antibiotikum, welches eigentlich nur selten verwendet werden sollte, nun vermehrt verschrieben werden muss, sei jedoch nicht gut. So können Keime nämlich auch gegen diese Reserve-Antibiotika schneller Resistenzen entwickeln. „Das ist ein Problem, da wir nicht ständig neue Antibiotika aus dem Ärmel zaubern können“, erklärt die Apothekerin.

Sollte ein Präparat nicht lieferbar sein, muss mitunter auf andere Medikamente zurückgegriffen werden. Dies könne dazu führen, dass eine Therapie deutlich kostspieliger ist. „Kunden sagen, dass Arznei immer teurer wird. Das liegt aber daran, dass wir häufig keine Auswahl haben und deshalb nur ein teures Medikament geben können“, sagt Bischof-Deichnik. Für Entlastung sorgt zumindest, dass Apotheken digital Einsicht in die Lager der Großhändler haben. Sollte ein Medikament dann gerade in der Apotheke nicht verfügbar sein, könne es beim Großhändler bestellt und somit zeitnah geliefert werden, meistens in zwei bis drei Stunden.

Eltern können sich teure Hustensäfte nicht leisten

Dass manche Kunden wegen der Lieferengpässe zu höherpreisigen Arzneimitteln greifen müssen, hält Justus Hillgruber für einen Skandal. Häufig gehe es dabei nur um ein paar Cent, beim Hustenlöser Amboxol müssen Eltern jedoch schnell mal fünf Euro draufzahlen. Wie der Inhaber der Elbe-Apotheke und der Oberstadt-Apotheke berichtet, komme es durchaus vor, dass Eltern mit geringen Einkommen dann darauf verzichten, einen Hustensaft zu kaufen, wenn nur die teuren auf Lager sind. „Ich frage mich dann schon, was uns als Gesellschaft unsere Gesundheit und speziell die der Kinder wert ist“, sagt Hillgruber. Fiebersäfte und Zäpfchen würden inzwischen seltener ausgehen, wie er sagt - allerdings auch nur, weil er mit großem Vorlauf Waren bestellt hat.

Mehr zum Thema

Dass an der einen oder anderen Stellen improvisiert werde, führt dazu, dass mehr Zeit pro Rezept eingeplant werden muss. „Früher haben wir pro Rezept mit viereinhalb Minuten gerechnet“, erklärt Christina Bischof-Deichnik. Inzwischen seien jedoch durchschnittlich sieben Minuten anberaumt. Die meisten Kunden seien zwar schneller wieder aus der Apotheke raus, kompliziert gelagerte Fälle würden den Schnitt jedoch deutlich nach oben treiben.

Auch Justus Hillgruber muss höheren Aufwand betreiben. Er hält Ärzte in der Stadt auf dem Laufenden, welche Medikamente gerade vorrätig sind, damit eine passende Behandlung gewählt werden kann. „Eigentlich sollte die Therapiehoheit aber ganz bei den Ärzten liegen“, findet Hillgruber. „Es kann eigentlich nicht sein, dass ein Medikament verschrieben wird, weil ich das hier gerade zufällig in der Apotheke rumliegen habe“.