Wut auf Lauterbach: Viele Apotheker machen ihre Türen am Mittwoch bereits mittags zu. Die Gründe und was sie sich davon versprechen.
- Viele Hamburger Apotheker heute im Streik
- Sie protestieren gegen Kostenexplosionen
- Es ist nicht der erste Protest
Sie haben ihn zum „Tag der Antworten“ erkoren. Doch wird Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Erwartungen der Apothekerinnen und Apotheker in diesem Land auf dem Deutschen Apothekertag am heutigen Mittwoch in Düsseldorf auch erfüllen? Man weiß es nicht. Sicher ist aber, dass viele von ihnen ihre Betriebe zwischen 13 und 16 Uhr schließen werden – nicht nur aus Protest.
„Die Bundesregierung und namentlich der Bundesgesundheitsminister weigert sich weiterhin, die Apotheken vor Ort finanziell zu stabilisieren“, heißt es in dem Schreiben des Apothekervereins Hamburg, der seine Mitglieder zu der Schließung aufruft. Und das, obwohl sich viele der rund 375 Hamburger Apotheken aufgrund steigender Kosten, von Lieferengpässen, Personalmangel und fehlender Angleichung der Honorare vor dem Aus befänden. Damit sowohl die Apotheker als auch ihre Angestellten „die Möglichkeit erhalten, diese für ihre berufliche Zukunft so wichtige Rede“ des Ministers zwischen 13 und 16 Uhr zu verfolgen, empfiehlt der Apothekerverein seinen Mitgliedern, die Türen geschlossen zu lassen.
Wegen Kostenexplosionen: Hamburger Apotheken streiken erneut
Es ist nicht das erste Mal: Sowohl im vergangenen Oktober als auch am 14. Juni protestierten die Apotheker bereits. Zwar sei der Anteil der teilnehmenden Apotheker und der Zuspruch der Bevölkerung dabei „überwältigend“ gewesen, doch sei das erhoffte Resultat ausgeblieben, heißt es im Schreiben. Im Gegenteil: Der sogenannte Apothekenzwangsabschlag, ein fester Betrag, den Apotheken auf Fertigarzneimittel an Krankenkassen zahlen, kam trotzdem und die aus Sicht der Apotheker dringend notwendige Erhöhung der Apothekenzuschläge blieb aus. Mit Verweis auf die schlechte Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sah Lauterbach keinen Spielraum für Honorarerhöhungen.
Georg Zwenke, Geschäftsführer des Hamburger Apothekervereins, macht sich deshalb Sorgen um die Existenz der sogenannten Vor-Ort-Apotheken: „Aktuell gibt es noch knapp 370 Apotheken in Hamburg, aber die Zahl nimmt zusehends ab. Wir waren mal bei 450, und ich rechne damit, dass es gegen Ende dieses Jahres noch weniger sind.“
Erst kürzlich habe der Geschäftsführer, selbst studierter Pharmazeut und Jurist, von einem Kollegen erfahren, dass dieser im vergangenen Jahr bei Umsätzen von vier Millionen Euro unterm Strich ein Defizit von 4000 Euro gemacht hat. „Da kann man ja nur raten, schnell zu schließen, bevor der Kollege in die Insolvenz rennt“, sagt Zwenke.
Apotheker in Hamburg: Mehr Arbeit für weniger Geld
Hört man sich dazu bei Hamburger Apothekern um, ist die Wut auf den Minister förmlich durchs Telefon zu spüren. So etwa bei Nils Bomholt, Apotheker in zweiter Generation und Betreiber der Alten Eilbeker Apotheke auf der Wandsbeker Chaussee. Auch er sieht dringenden Handlungsbedarf vonseiten des Bundesgesundheitsministers und schließt seine Apotheke deshalb am kommenden Mittwoch ab mittags. „Wir warten auf Antworten von Herrn Lauterbach. Es kann nicht sein, dass wir wie etwa durch die Lieferengpässe von Medikamenten einen dermaßen hohen Mehrarbeitsaufwand haben und nicht entsprechend finanziell entschädigt werden.“
Wenn beispielsweise ein Medikament – so wie momentan Hunderte – nicht lieferbar sei und der Apotheker dem Patienten ein adäquates Ersatzmittel herausgeben möchte oder eine andere Packungsgröße, müssen Apotheker hierzu Rücksprache mit dem jeweiligen Arzt halten. „In den Arztpraxen ist aber aktuell auch die Hölle los, sodass wir die Kollegen telefonisch teilweise gar nicht erreichen oder bis zu 20 Minuten hinterhertelefonieren müssen, bis wir jemanden erreichen.“
Umgerechnet erhielten die Apotheken hierfür eine Entschädigung von gerade einmal 50 Cent pro Medikament. „Unserem Berufsstand absolut nicht angemessen“, findet das Bomholt. Um jedoch eine Notversorgung für seine Kunden aufrechtzuerhalten, werde der Apotheker am Mittwoch eine Notdienstklappe offen halten.
Apotheker-Chef: „Langsam wird es eng, Notdienste zu bedienen“
Dass sich der Gesundheitsminister am Deutschen Apothekertag digital zuschaltet, sieht Bomholt darüber hinaus als Botschaft: „Wenn der Minister es noch nicht einmal für nötig hält, persönlich vorbeizukommen, und den Koalitionsvertrag einfach ignoriert, dann zeigt das, wie viel wir Herrn Lauterbach wert sind.“ Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung, „pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen“, sieht der Apotheker aktuell nicht erfüllt.
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Auch Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, fordert eine finanzielle Entlastung der Apotheken durch den Bund. „Für alles ist Geld da, außer für die Apotheken. In diesem Jahr mussten aber bereits so viele Apotheken schließen wie im gesamten vergangenen Jahr.“
Dies liege auch am verstärkten Personalmangel. „Uns werben die Krankenkassen teilweise das Personal ab, weil wir unseren Mitarbeitern keine höheren Löhne zahlen können. Langsam wird es eng, überhaupt noch die Notdienste zu bedienen“, sagt Siemsen.
Notdienst-Apotheken bleiben in Hamburg am Mittwoch offen
Damit jedoch eine Grundversorgung an Medikamenten während des Streiks am Mittwoch gewährleistet werden kann, sollen die Notdienst-Apotheken offen bleiben, wie es seitens des Apothekervereins heißt. Wie viele Apotheken am Mittwoch in Hamburg geschlossen bleiben werden, dazu konnte der Verein nichts sagen, geht aber aufgrund des hohen Organisationsgrades der Mitglieder von einer Vielzahl aus.
Die Forderungen der Apotheker umfassen unter anderem eine Erhöhung des Fixums in der Arzneimittelpreisverordnung, eine Pauschale für die Grundsicherung der Flächendeckung mit Apotheken, mehr Handlungsfreiheit für Apotheken für die schnelle Patientenversorgung wie etwa bei Lieferengpässen und weniger Bürokratie.