Hamburg. Hamburger Ärzte und Apotheken beklagen Serverausfall. Woran das E-Rezept hakt und wie es per App und Handy erst internetfähig wird.

Das elektronische Rezept hat in den ersten Wochen seit der Einführung hunderttausendfach funktioniert, allerdings auch erhebliche Verwirrung zwischen Ärzten, Apotheken und Patienten ausgelöst – und einen bedenklichen Totalausfall. Wie das Abendblatt erfuhr, hat es am vergangenen Mittwoch einen Absturz von Servern gegeben. Es konnten weder E-Rezepte in den Arztpraxen ausgestellt noch in den Apotheken abgerufen werden. Der Blackout betraf auch das Einlesen von elektronischen Gesundheitskarten. Die Angaben darüber, wie lange die Störung dauerte, gehen weit auseinander.

Erst hieß es: zehn Minuten. Von „mindestens einer Stunde“ berichteten Apotheken. Im Verlauf des Tages konnten Praxen wie Apotheken in ganz Deutschland feststellen: Es hakt immer mal wieder. Die Gematik als Gesellschaft für die digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen spricht von einem Ausfall zwischen 10.25 und 11.10 Uhr. „Für das E-Rezept sollte bis auf Weiteres auf Muster 16 zurückgegriffen werden“, teilte die Gematik mit. Muster 16 – das sind die rosa oder hellblauen Scheinchen, auf denen man bisher lesen konnte, was einem Ärztin oder Arzt verschrieben haben.

E-Rezepte: Ausfall der Server – Ärger bei Hamburgs Ärzten und Apothekern

Sie sollten seit Jahresbeginn 2024 Geschichte sein. Doch das E-Rezept reiht sich ein in die Geschichte der staatlich verordneten Pannen im Gesundheitswesen. Weder wurde es technisch gut abgesichert; noch umfasst es alle bisherigen Rezepte. Die Patientinnen und Patienten sind oft überfordert. Die mehr als acht Millionen Privatversicherten sind ohnehin außen vor.

Die Hamburger Apothekerin Dorothea Metzner sagte dem Abendblatt: „Menschen konnten nicht versorgt werden. Was, wenn sich ein solcher Systemausfall nun über mehrere Stunden oder einen Tag hinzieht? Eine akute Erkrankung und sofortige Behandlung kann in einem solchen Falle nicht erfolgen.“ Sie fragt sich, ob Menschen dadurch einen Schaden erleiden könnten. Genau das drohe bei Ausfällen der Technik und Verzögerungen, so der Sozialverband VdK.

Apotheker sehen gemischte Bilanz bei E-Rezepten

Von „Licht und Schatten“ beim E-Rezept spricht die Geschäftsführerin der Apothekerkammer, Ena Meyer-Bürck. Positiv sei, dass Patienten für Folgerezepte nicht mehr in eine Praxis müssten. Weil alle Verordnungen mit der Gesundheitskarte abrufbar seien, gebe es nun auch einen Überblick über all das, was Patienten verschrieben werde. Auf Wechselwirkungen verschiedener Medikamente könne man da besser hinweisen. Jedoch seien Teile des E-Rezeptes von den Ärzten häufig nicht korrekt ausgefüllt, was immer wieder zu Nachfragen und Abstimmungen zwischen Praxis und Apotheke führe. Fehler beim Ausfüllen können dazu führen, dass Krankenkassen bei Apotheken die Abrechnung bemängeln und kein Geld überweisen. „Täglich kämpfen wir mit falsch ausgestellten Rezepten“, sagt Apothekerin Metzner.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KV) ist das Bild ähnlich gemischt. Eine Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten hat ergeben, dass drei Viertel sich gut informiert fühlten und 58 Prozent sich vor der Einführung mit der Technik bereits vertraut gemacht hatten. Doch: „Die Umstellung auf das E-Rezept hat zu größeren Belastungsszenarien in den Praxen geführt – diese beziehen sich sowohl auf die Installation als auch auf den Betrieb“, so die KV.

Umfrage unter Hamburger Ärzten: Praxen werden belastet

Die Installation lief nicht rund, die Updates klappten zum Teil nicht. Dadurch fehlt Zeit für die Versorgung der Patienten. Und weil auch noch zusätzliche – nicht erstattete – Kosten entstanden, sagten 61 Prozent der Befragten, dass das E-Rezept zurzeit die Praxen belaste. Nach der KV-Umfrage blicken die Patienten noch längst nicht durch, selbst wenn nur noch jeder vierte einen Papierausdruck bekomme. Auch in Zuschriften ans Abendblatt berichten Nutzer, dass ihnen nicht klar gewesen sei, dass die Rezepte nicht auf der Gesundheitskarte gespeichert seien. Sie werden nur mit der Karte von einem Server abgerufen.

Viele hatten Schwierigkeiten, sich die Gematik-App oder die ihrer Krankenversicherung erfolgreich zu installieren. Das ist der dritte Weg für ein E-Rezept neben Übertrag auf die Gesundheitskarte und Ausdruck mit QR-Code. Dazu braucht man ein NFC-fähiges Smartphone, das passende Update für das Betriebssystem (Android 10 oder iOS 15), die App aus dem App-Store sowie einmalig eine PIN von der Krankenkasse. Deutschlands größte, die Techniker, hat das exemplarisch für ihre Versicherten einmal durchexerziert.

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Der Sozialverband VdK fürchtet, dass viele vom E-Rezept abgehängt werden. Präsidentin Verena Bentele erklärte: „Besonders ältere Menschen verstehen die komplexe Anmeldung in der App nicht und scheitern daher an der Authentifizierung. Andere beschweren sich über Praxen, die sich weigern, das E-Rezept auszudrucken, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Andere Patientinnen und Patienten haben das Gefühl, übergangen zu werden. Sie können durch das E-Rezept nicht mehr einsehen, was ihnen verschrieben worden ist.“

Versand- und Online-Apotheken sollen besser an E-Rezept angeschlossen werden

Die Hamburger Apotheken setzen darauf, dass sie weiterhin ihre Kunden beraten können – nicht nur beim E-Rezept, sondern auch bei medizinischen Fragen. Im Gegensatz dazu hoffen die Versandapotheken, dass sie möglichst viel vom neu verordneten Medikamentenkuchen abbekommen. Sie waren bis Ende 2023 noch davon ausgegangen, dass die meisten Rezepte mit einem QR-Code ausgedruckt werden. Versandapotheken-Kunden könnten diesen Code dann einschicken oder per App weiterleiten. Denn Gesundheitskarten können die Versandapotheken nicht einlesen – was ihr Geschäft einschränken würde, wenn das der künftig meistgewählte Weg wäre. Auch Einzelapotheken haben oft einen Onlineshop.

Der Verband der Online-Apotheken spricht bereits von „Diskriminierung“. Die im Konkurrenzmarkt tätigen Internetfirmen reagierten allerdings schnell. In Kürze wird es da eine einfache technische Anwendung geben, für die die Hamburger Spezialfirma Akquinet eine Lösung gefunden hat. Rezepte von Gesundheitskarten können bald auf eine Smartphone-App übertragen werden. Ein E-Rezept ohne Verbindung zur Online-Apotheke – das ergäbe wenig Sinn.