Schwarzenbek/Trittau. Für die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren benötigen Gymnasien mehr Klassenräume. Schulträger wehren sich, das Land schaut zu.
Der Schulverband Trittau hat ein Zeichen gesetzt, versetzt damit Eltern im Umland in Aufruhr, auch jenseits der Kreisgrenze in den Ämtern Sandesneben-Nusse und Schwarzenbek-Land. Vom kommenden Schuljahr an wird am Gymnasium Trittau die Zahl der Eingangsklassen von fünf auf vier reduziert. Grund ist Platzmangel. Damit haben künftig nur noch 116 statt zuvor 150 Fünftklässler Platz an der beliebten Stormarner Schule.
Gymnasium Trittau bald nur noch vierzügig statt fünfzügig
Konnten bislang Eltern in benachbarten Ämtern darauf setzen, dass ihre Kinder von den jeweiligen Grundschulen an das Gymnasium in der Nachbarschaft wechseln können, fürchten nun viele, dass ihr Nachwuchs nach den Sommerferien deutlich längere Schulwege bewältigen muss. Allein von der Grundschule am Schulzentrum Sandesneben wechseln bislang jährlich etwa 20 Viertklässler auf das Gymnasium Trittau. Auch aus dem Amt Schwarzenbek-Land kommen einige, etwa aus Kuddewörde und Kasseburg.
Während die Kinder aus Kuddewörde darauf vertrauen dürfen, weiter aufgenommen zu werden, steht hinter denen aus Kasseburg ein dickes Fragezeichen. Ihre Gemeinde gehört bislang, wie viele andere, nicht zum Schulverband Trittau. Neben dem Gymnasium betreibt er auch eine Gemeinschaftsschule, Grundschule und Offene Ganztagsschule.
Kritik: Schulverband hat nicht informiert
„Die Entscheidung im Schulverband Trittau ist bereits im November gefallen, ohne dass zuvor mit anderen Betroffenen gesprochen wurde“, kritisiert Michael Sauerland. Der CDU-Abgeordnete im Lauenburgischen Kreistag und Bildungspolitiker lebt in der 1200-Einwohner-Gemeinde Linau, hat die vergangenen Tage vom Ärger vieler Mütter und Väter erfahren. „Anstatt frühzeitig über die Entscheidung informiert zu werden, erfahren viele Eltern von Viertklässlern erst jetzt, dass sie sich voraussichtlich umorientieren müssen.“
Ergattern ihre Kinder keinen der künftig knappen Plätze auf dem Gymnasium Trittau kurz hinter der Kreisgrenze, werden die Schulwege deutlich länger. Sauerland: „Dann gondeln wir Kinder künftig quer durch den Kreis, nach Mölln, Ratzeburg oder gar bis Lübeck.“
Künftig nach Mölln oder Lübeck aufs Gymnasium?
Die aktuelle Entwicklung um das Gymnasium Trittau spielt in der Kreisverwaltung Herzogtum Lauenburg bislang keine Rolle, auch wenn Familien aus lauenburgischen Gemeinden betroffen sind. Die Schule liege eben außerhalb der Kreisgrenzen. Im Blick sei aber die Frage, wie der Schülerverkehr künftig organisiert werden müsse, sagt Kreissprecher Tobias Frohnert. Für konkrete Planungen seien aber Fakten notwendig.
Die Rückkehr von G8 zu G9 an den Gymnasien, also zu 13 Jahren Regelschulzeit bis zum Abitur, stellt Schulen und Schulträger in Schleswig-Holstein vor große Aufgaben. Abgesehen davon, dass der wachsende Lehrermangel und steigender Personalbedarf durch ein zusätzliches Schuljahr so gar nicht zueinander passen, mangelt es vielerorts auch an ausreichend Klassenzimmern für eine Jahrgangsstufe 13.
Schulverband plant Erweiterungsbau bis Mitte 2026
Das ist in Trittau nicht anders, sagt Axel Zimmermann, seit einem halben Jahr Vorsitzender des Schulverbandes. „Das Land hat entschieden. Und die Kommunen und Schulverbände stehen mit der Raumnot und mit der Umsetzung allein da.“ Am Gymnasium Trittau sei der Platz schon aktuell knapp, aber die Planungen für eine Erweiterung gingen voran. „Wenn alles glattgeht, ist der Anbau mit sechs neuen Klassenräumen Mitte 2026 fertig.“ Damit genau zu dem Schuljahr, in dem zwei Abiturjahrgänge gleichzeitig ihren Abschluss anstreben – die etwas älteren nach zwölf, die jüngeren nach 13 Schuljahren.
Die Entscheidung von Fünf- auf künftig Vierzügigkeit zu reduzieren, sei kein Alleingang des Schulverbandes mit Vertretern aller Mitgliedsgemeinden gewesen, betont Zimmermann. „Zuvor hatte bereits die Schulversammlung des Gymnasiums entsprechend entschieden. Und das Land hat die Reduzierung inzwischen für drei Jahre genehmigt.“
Ministerium hat Trittauer Entscheidung genehmigt
Drei Jahre seien dafür kein Einzelfall, bestätigt SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat. „Für befristete Genehmigungen ist dies ein durchaus üblicher Zeitraum“, sagt der Landtagsabgeordnete aus Reinbek. Allerdings ändere dies nichts an der Tatsache, dass zahlreiche Gymnasien große Probleme mit der Rückkehr zu G9 haben.
„Aber viele wollen sich anders behelfen, als die Zügigkeit zu verringern, etwa dadurch, dass sie Angebote reduzieren.“ Zeitlich befristete Maßnahmen könnten hilfreich sein, seien aber kein Allheilmittel, befindet Habersaat. Doch fehle es vielen Schulen an Geld, um die Aufgabenstellung zu bewältigen.
Nordrhein-Westfalen gibt Schulen 500 Millionen Euro
„Nordrhein-Westfalen hat in einer Studie festgestellt, die Schulträger des Landes benötigen für die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren 500 Millionen Euro. Die zahlt Düsseldorf in zehn Tranchen aus.“ Im deutlich kleineren Schleswig-Holstein zeigt sich die Landesregierung erheblich zugeknöpfter. Habersaat: „Statt der rechnerisch notwendigen 80 Millionen Euro stellt das Land für die Schulträger gerade einmal drei Millionen Euro bereit.“ Auf Nachfrage verweist das Kieler Bildungsministerium darauf, dass die Zuständigkeiten für Schulgebäude und Anlagen bei den jeweiligen Schulträgern liege. „Die Basis für eine bedarfsgerechte Planung und räumliche Ausgestaltung der Schulen in ihrer Trägerschaft bilden die jeweiligen Schulentwicklungspläne.“
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Auch für die Frage überlanger Schülertransporte, sollten weitere Gymnasien dem Trittauer Beispiel folgen, weist das Ministerium die Verantwortung von sich: „Die Schülerbeförderung ist den Schulträgern der in den Kreisen liegenden öffentlichen Schulen als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe übertragen worden. Die Trägergemeinden und die Kreise erfüllen diese Aufgabe in kommunaler Selbstverwaltungshoheit.“
Landesregierung: Schülerzahlen sind seit 2012 gesunken
Finanzielle Unterstützung des Landes für den Schulbau ist aus Sicht des Ministeriums nicht zwingend. Begründung: Die Schülerzahlen in den jeweiligen 10. Jahrgängen haben sich vom Schuljahr 2012/13 bis zum Schuljahr 2023/24 (erster Jahrgang nach Rückkehr zu G9) an den Gymnasien im Landesdurchschnitt verringert.
„Das Land Schleswig-Holstein hat zugesagt, dass der durch die Umstellung von G8 auf G9 ausgelöste und nachgewiesene finanzielle Mehrbedarf kompensiert wird“, so Ministeriumssprecherin Patricia Zimnik. Voraussetzung: „Soweit dieser notwendig, unabwendbar und unmittelbar durch das Gesetz verursacht worden ist.“
Schulverband Trittau will Unterstützung des Landes
Doch um Schülerzahlen selbst geht es den Schulträgern gar nicht. Sondern darum, dass mit einer zusätzlichen Klassenstufe mehr Unterrichtsräume benötigt werden. „Wir beantragen für unseren Anbau mit den zusätzlichen Klassenraum auf jeden Fall Landesförderung“, stellt Axel Zimmermann für den Schulverband Trittau klar. Werde diese verweigert, müsse neu geschaut werden. Je nachdem könne später die Rückkehr zur Fünfzügigkeit wieder ein Thema werden.